In diesem Jahr sind in Deutschland bis Anfang Oktober schon mehr Start-ups pleite gegangen als im gesamten vergangenen Jahr. Das ergab eine Erhebung des Datendienstes Startupdetector, die vom Handelsblatt in Auftrag gegeben worden war. Da stellt sich die Frage: Wie steht es um die Gründerszene in Unterfranken?
Bei einem "Start-up-Slam" der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) traten kürzlich fünf Gründer und Gründerinnen gegeneinander an. Dabei ging es nicht um ihre Erfolgsgeschichten, sondern um Überraschungen, Hürden und Misserfolge beim Gründen. Die Teilnehmenden zeigten, dass es nicht ausreicht, einfach nur eine gute, innovative Idee zu haben. Ihre Erfahrungen gehen viel weiter.
Philipp Winkler, Neugedacht: Bald ist Schluss
Philipp Winklers Start-up Neugedacht wird es schon bald nicht mehr geben. Er berichtete beim Start-up-Slam, wie es ist, zu gründen und dann doch auszusteigen. Alles in allem sei ihm die Erfahrung des Gründens viel wert.
Winkler fasst zusammen: "Unser Start-up wird es in zwei Monaten nicht mehr geben. Mit Neugedacht wollten wir die Welt verbessern. Unsere Idee war es, das Spenden für Unternehmen und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu vereinfachen. Wir entwickelten eine Software, die es Unternehmen ermöglichte, nachzuvollziehen, was mit ihren Spenden genau passiert.
Das Problem war, dass es unglaublich schwierig ist, mit Spenden Geld zu verdienen, wenn man nicht derjenige ist, der die Spenden erhält. Es war schwierig, die Unternehmen davon zu überzeugen, zusätzlich zu ihrer Spende noch einmal Geld zu zahlen, um den Spendenprozess zu verbessern. Hinzu kommt, dass das Thema Spenden für die meisten Unternehmen nur zu einer Zeit im Jahr wirklich relevant ist, nämlich vor Weihnachten.
Irgendwann ging uns einfach die Energie aus. Wenn man für zwei Jahre ohne Geld arbeitet, dann merkt man erstmal, wie schön es ist, für seine Arbeit Geld zu bekommen. Also haben wir Neugedacht aufgegeben.
Aber wir haben es nicht bereut. Durch die Gründungserfahrung haben wir viel gelernt und auch jede Menge Jobangebote bekommen. Wir würden jederzeit wieder gründen und gerade in Würzburg bekommt man durch die Gründerzentren viel Unterstützung."
Philip Reichert, Wodanio: Wenig Schlaf und trotzdem keinen Stress
Philip Reichert ist gerade mal 19 Jahre alt, aber schon Chef von drei Firmen. Er liebe den Stress, sagt der junge Mann. "Ich habe mit 14 Jahren mein erstes Unternehmen gegründet, damals noch mit Unterstützung durch meinen Vater. Als ich 18 wurde, übernahm ich dann aber die alleinige Verantwortung und gründete meine erste GmbH. Jetzt bin ich der CEO meines Start-ups Wodanio und habe zehn Angestellte.
Wodanio bietet individuelle IT-Projektabwicklung. Das bedeutet: Egal, ob Webseite, Online-Shop, App, Cloud – wir sind ein Ansprechpartner für alle IT-Themen. Bei der Verwirklichung meiner Projekte hilft mir ein starkes Netzwerk aus Kunden, Partnern und Gründerzentren.
Meine drei Tipps für alle, die ein Start-up starten wollen: Erstens, man wächst mit seinen Aufgaben. Zweitens, Gründen ist immer eine gemeinsame Sache. Und drittens: Es muss Spaß machen.
Mir macht das Entwickeln Spaß. Ich schlafe zwar nicht viel, aber ich empfinde auch keinen Stress. Was nicht heißt, dass ich bei meiner Gründung nicht auf Probleme gestoßen bin. Ich hatte auch mit Selbstzweifeln, Geldsorgen und Schlafmangel zu kämpfen. Aber das, was ich mache, ist genau mein Ding, also stehe ich das durch.
Außerdem lernt man ständig etwas dazu und der Alltag bringt immer Neues. Dann muss ich mich zum Beispiel plötzlich in das Thema Investment reinfuchsen, wovon ich vorher keine Ahnung hatte."
Lena Ulsamer und Madlen Kehr, Nomad: Als Gründerinnen auf der Baustelle
Lena Ulsamer, Sophie Hofmann und Madlen Kehr gründeten im April 2023 in Würzburg die Nomad GmbH. Als drei junge Unternehmerinnen sei es nicht immer einfach, sich auf der Baustelle durchzusetzen, sagen sie. Doch jetzt seien sie ihre eigenen Mieter.
"Unser Start-up Nomad bietet Berufstätigen, Freelancern und Unternehmern, die auf der Suche nach einem modernen Arbeitsplatz sind, eine Anlaufstelle. Als die Idee für Nomad da war, ging alles ganz schnell. Am 14. April 2023 gründeten wir zusammen mit unserer Kollegin Sophie die Nomad GmbH und eröffneten zwei Monate später unseren Co-Working-Space.
Herausfordernd war dabei die Doppelbelastung aus Baustelle, GmbH-Gründung und Konzept-Finalisierung, zumal wir alle drei im Haupterwerb im Bereich Marketing selbstständig sind. Beim Umbau der Lagerfläche in einen Co-Working-Space hatten wir es dann mit einigen Handwerkern zu tun, die uns für Praktikantinnen des Architekten hielten oder uns mit Aussagen wie 'Na, Frauen haben auf der Baustelle aber nichts verloren' mehr oder weniger aus dem eigenen Büro verweisen wollten. Dass wir die Geschäftsführerinnen und Auftraggeberinnen sind, hat dann häufig für verblüffte Gesichter gesorgt.“
Florian Zaschka, IT-Projektschmiede: Start-up ohne Stürmer
Florian Zaschkas Start-up, die Würzburger IT-Projektschmiede, begann 2019 mit der Gründung von Intelliqo. Doch als aus Intelliqo nichts wurde, orientierten sich die jungen Gründer neu. Das Schwierigste sei hierbei der Kundenkontakt gewesen.
"Als wir 2019 unser Start-up Intelliqo gründeten, fehlte uns ein klares Ziel, was wir mit unserem Start-up eigentlich erreichen wollten. Unser Team, bestehend aus Michael, Simon und mir, hatte verschiedene Produktideen für digitale Lernlösungen. Doch nach einiger Zeit merkten wir, dass wir unsere Online-Unterrichtshilfen nicht verkaufen konnten.
Uns fehlte der Stürmer, jemand, der ein Produkt gut vermarkten kann und ein Start-up gut präsentieren kann. Jemand mit vertrieblicher Erfahrung. Unser Team kennt sich aus mit Softwareentwicklung, darin sind wir gut. Uns fehlte dadurch auch der Kontakt zum Kunden und damit die Kundenorientierung.
Damit Kunden ein innovatives Produkt kaufen, muss man ihre Sprache sprechen und auch ein komplexes Produkt einfach erklären können. Wir hatten nicht den engen Kontakt zur Zielgruppe, den es gebraucht hätte. Durch die Unterstützung der Würzburger Gründerzentren konnten wir unseren gemeinsamen Sinn finden und das Unternehmen gründen, das zu uns passt.
Heute sind wir vielleicht kein klassisches Start-up mehr, aber wir arbeiten mit und für Start-ups, um deren Ideen zu verwirklichen. Wir machen das, was wir können und fühlen uns wie ein Serien-Start-up, weil wir immer wieder aufs Neue dazu beitragen können, vielversprechende Ideen umzusetzen."
Fabian Kunzmann, Circable: Timing und Team sind wichtig
Die Würzburger Circable GmbH von Fabian Kunzmann und seinen Kollegen glaubt an den wachsenden Markt des Elektromülls. Noch seien die Unternehmen allerdings oft zu faul, um sich um die Wiederaufbereitung ihrer elektronischen Geräte zu kümmern, sagt Kunzmann und zieht Bilanz:
"Die Idee für unser Start-up kam mir im Mai letzten Jahres im Rahmen eines Studienprojekts. Im Januar 2023 war es dann auch schon so weit, und ich gründete mit meinen Kollegen David und Jochen die Circable GmbH. Die Idee hinter dem Namen: weg von linearer Wirtschaft und hin zur Kreislaufwirtschaft. Um genau zu sein: zur Circular Economy für IT-Hardware.
Nach einem Praktikum bei einem nachhaltigen Unternehmen in Berlin beschäftigte ich mich mehr und mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit und stellte fest, dass ein großes Problem unserer heutigen Zeit der sich anhäufende Elektroschrott ist. 61 Millionen Tonnen E-Schrott sind allein im letzten Jahr entsorgt worden.
Unser Start-up nimmt Unternehmen ihre alten elektronischen Geräte ab, löscht alle Daten von der Festplatte und sorgt dafür, dass die Geräte wieder benutzt werden können. Geldgeber bieten zwar ein immenses Potenzial für eine Firma, aber wir haben gemerkt, wie wichtig es ist, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, weil gewisse Verantwortlichkeiten damit einhergehen.
Ich habe auch gemerkt, wie wichtig das Team ist, mit dem man arbeitet. Für mich hat die Zusammenarbeit mit dem Team aus dem Studienprojekt, bei dem die Idee entstanden ist, nicht funktioniert. Deswegen habe ich mir, als das Projekt beendet war, andere Teamkollegen gesucht."