Der Freitag hatte in Würzburg eigentlich im Zeichen des Regenbogens stehen sollen. Am Abend stand für Oberbürgermeister Christian Schuchardt als Termin die Eröffnung des Christopher Street Days im Kalender. Doch dann erreichte ihn die Nachricht von der Bluttat am Barbarossaplatz. Ein Gespräch über einen dramatischen Abend und die Frage, welche Folgen das schlimme Geschehen für Würzburg hat.
Christian Schuchardt: Ich war zu Hause und wollte mich gerade auf die Eröffnung des Christopher Street Days vorbereiten. Ich habe dann einen Anruf von der Leitung der Feuerwehr bekommen und mich dann erst mal telefonisch über die Lage informiert. Als klar wurde, dass es sich um einen Einzeltäter handelt, habe ich mich sofort auf den Weg in die Innenstadt gemacht.
Schuchardt: Erst mal war ich überrascht. Gleichzeitig weiß ich mittlerweile aus Erfahrung, dass die schlimmsten Dinge völlig unerwartet kommen. Und ja, ich habe auch an das Axt-Attentat vor fünf Jahren gedacht und gehofft, dass es keine Parallele dazu gibt.
Schuchardt: Da ich weiß, wie wichtig es der Community auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Ungarn ist, gesellschaftlich anerkannt zu sein, habe ich mich eine Viertelstunde vor Beginn entschlossen, hinzugehen. Alle dort waren bedrückt. Die bereits spielende Live-Musik wurde abgebrochen. Es war eine der Tragik der Stunde geschuldete Stimmung.
Schuchardt: Nein, man hat diese Menschen ja auch richtigerweise erst einmal abgeschirmt. In einer solchen Situation ist es wichtig, dass zunächst einmal professionelle Kräfte zum Einsatz kommen und dass es psychologische Betreuung gibt. Vor dem, was die Menschen dort spontan geleistet haben, habe ich einen hohen Respekt. Die Menschen haben aus der Situation heraus couragiert gehandelt – wohlgemerkt unter hoher Verletzungs- und Lebensgefahr. Nicht ohne Grund warnt die Polizei, in solchen Situationen die eigene Sicherheit ganz oben anzustellen.
Schuchardt: Ich bin sehr beeindruckt, auch mit welcher Professionalität und Schnelligkeit die Polizei großräumig das Umfeld gesichert hat. Es stand ja nicht sofort fest, dass es sich um einen Einzeltäter handelt.
Schuchardt: Es handelt sich um einen Obdachlosen, der in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht war. Dort wurde aber entschieden, ihn nicht dort zu behalten. Deswegen kam er zurück in eine städtische Obdachlosenunterkunft.
Schuchardt: Es musste geklärt werden, ob die Bluttat, die er begangen hat, bereits vorher in der Unterkunft begann. Und dann wurden dort im Laufe des Abends auch Spuren gesichert. Außerdem wurden dort auch schon ausländerfeindliche und rassistische Flugblätter vorgefunden.
Schuchardt: Er war der Polizei bekannt, weil die Stadt die Polizei auf ihn aufmerksam gemacht hat. Welche Sozialleistungen er erhielt, ist mir aktuell nicht bekannt.
Schuchardt: Ja, es haben sich zahlreiche Kollegen aus dem In- und Ausland gemeldet. Besonders in Erinnerung blieb die Nachricht von unserer Städtefreundschaftsstadt Syrakus auf Sizilien. Auch der Landrat von Rhön-Grabfeld, Thomas Habermann, stellvertretend für alle unterfränkischen Landkreise, sowie natürlich Thomas Eberth als Landrat des Landkreises Würzburg haben ihr Mitgefühl ausgesprochen. Gerade vor dem Hintergrund, dass es unsere Stadt jetzt zum zweiten Mal getroffen hat, haben sich viele gemeldet.
Schuchardt: Ich denke, man muss vorsichtig sein mit Kurzschlüssen. Zum einen haben wir noch keine Erkenntnisse zum Motiv. Wir wissen nicht, ob der Mann unter einer psychischen Erkrankung leidet oder ob er vorsätzlich handelte. Der Hinweis "Allahu Akbar" (Anmerkung der Redaktion: "Gott ist groß") kann bedeuten, dass es sich um einen Terrorakt handelt, muss es aber nicht. Diese Einordnung ist aktuell noch nicht möglich. Wichtig ist, dass es eine Einzeltat zu sein scheint. Und diese Einzeltaten sollte man nicht für Rückschlüsse auf bestimmte Religions- oder Bevölkerungsgruppen verwenden. Nur weil der Täter ein Somalier war, sind nicht alle Somalier Täter oder potenzielle Täter. Es ist deshalb wichtig, dass die Stadt über den Ausländerbeirat auch Kontakt zur somalischen Gemeinschaft hat. Und es geht darum, einer Stigmatisierung entgegenzuwirken.
Schuchardt: Es wird immer wieder grausame Verbrechen geben, auch von nicht-geflüchteten Menschen. Auch da würde keiner Rückschlüsse auf die Nationalität oder die Religionszugehörigkeit stellen.
Schuchardt: Das beginnt mit der Frage, wie gut das Flüchtlingsmanagement in Europa ist. Die Bilder aus dem letzten Winter in Moria zeigen beispielsweise, wie schlecht es dort um die Traumabehandlung und die Begleitung von traumatisierten Menschen steht. Dort ist nicht einmal eine vernünftige Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung möglich.
Schuchardt: Das dauert bis zur nächsten Tat, die woanders stattfindet.
Schuchardt: Es wird in der Stadt Trauerbeflaggung geben und am Sonntag um 15.30 Uhr wird im Dom eine Gedenkfeier stattfinden, an der unter anderem Bischof Franz Jung und Josef Schuster als Vorsitzender des Zentralrats der Juden sowie Vertreter der muslimischen Gemeinden teilnehmen werden.
Schuchardt: Den Menschen in unserer Stadt möchte ich sagen: Halten Sie immer wieder ein und gedenken Sie der Opfer und der Angehörigen, denen unser Mitgefühl gilt.
Müssen sich nicht auch all die gutgemeinten Initiativen von Seebrücke über Flüchtlingsrat, politische Gruppen und ihre Sprecher*innen bis zu christlichen Gemeinschaften mit ihren Kirchenasylangeboten fragen wie so jemand durchs Netz der helfenden Hände fallen konnte?
Die Zeichen waren wohl da wenn man die Pressekonferenz verfolgt hat!
Langt die Arbeit an der Basis? Braucht es eine Stärkung der eigentlichen Arbeit und weniger Symbolpolitik?