
Im Oktober 1950 war die Aufregung in Würzburg groß: Hollywood-Regisseur Anatole Litvak kam mit seinem Team in die Stadt, um in den Ruinen einige Szenen seines Filmes „Legion der Verdammten“ zu drehen.
Mit dabei hatte er den 27-jährigen Schauspieler Oskar Werner vom Wiener Burgtheater, der die Hauptrolle spielte: den deutschen Soldaten Karl Maurer, der sich in der Endphase des Zweiten Weltkriegs bewusst dafür entscheidet, in seiner Heimat für die Amerikaner, die ihn gefangen genommen haben, zu spionieren. Seine Odyssee führt ihn durch Süddeutschland, unter anderem durch das zerstörte Würzburg.
Der geplante Filmtitel verschreckte den Würzburger Oberbürgermeister
Der Schriftsteller Carl Zuckmayer, Autor des „Hauptmanns von Köpenick“, selbst Nazi-Gegner und inzwischen amerikanischer Staatsbürger, hatte am Drehbuch mitgearbeitet und versicherte, dass der Streifen „ohne Hass gemacht“ werde, „ohne einseitige Verurteilung oder Anklage“. Dennoch verschrecke der geplante Titel einige Politiker, darunter den Würzburger Oberbürgermeister Franz Stadelmayer. Dieser schrieb der bayerischen Staatsregierung, hier werde „ein antideutscher Film“ gedreht, der sogar soweit gehe, die Bombardierung Würzburgs zu rechtfertigen.
Der aus der Ukraine stammende Regisseur Anatole Litvak, der in den 20er Jahren in Berlin und Paris gearbeitet hatte und dann in den USA Karriere machte, gab nach. Als sein Werk in die Kinos kam, war der Titel in „Entscheidung vor Morgengrauen“ geändert worden, um die Gleichung „deutsch = verdammt“ aus der Welt zu schaffen.

Bei den mehrtägigen Dreharbeiten in Würzburg im Oktober 1950 herrschte freilich noch immer großes Misstrauen. Als der Main-Post-Reporter von Litvak wissen wollte, ob die Produktion eine antideutsche Tendenz habe, antworte der Regisseur mit einen klaren „nein“. In dem Film werde lediglich gezeigt, „dass auch während des Krieges einige Menschen den Mut hatten, gegen den Strom zu schwimmen, welchen Gefahren sie ausgesetzt waren und wie sie sie bestanden“.
Tatsächlich sind der deutsche Soldat Karl Maurer und eine von Hildegard Knef gespielte Prostituierte, die beide ihrem Gewissen folgen, die eigentlichen Stars des Streifens, der heute als einer der besten Antikriegsfilme aller Zeiten gilt.
Die Dreharbeiten lockten viel neugieriges Publikum an
Regisseur Litvak bestand darauf, an Originalschauplätzen zu drehen, an denen man die Folgen des Krieges noch sehen konnte. In München, Nürnberg, Würzburg und Mannheim brauchte es nicht viel, um die Situation der letzten Kriegsmonate zu rekonstruieren.
„Viele Würzburger erschraken nicht schlecht, als sie am Grafeneckart und am Fischmarkt deutsche Landser mit geschienten Armen, blutdurchtränkten Kopfverbänden, SS-Leute und Kradschützen geschäftig hin- und herlaufen sahen“, berichtete die Main-Post im Oktober 1950 von den Dreharbeiten, die viel neugieriges Publikum anlockten.
Karl Maurer fährt in der dreiminütigen Würzburg-Sequenz zunächst über die Alte Mainbrücke. Die Kamera schwenkt auf jenes Trümmer-Areal, auf dem bis zum 16. März 1945 das Hotel „Schwanen“ stand und das die Würzburger bis zur Errichtung des Kaufhauses Hertie „Schwanengelände“ nannten. Heute ist hier die Firma Wöhrl zuhause. Mauer hat erfahren, dass sich sein Vater als Arzt im Lazarett auf der gegenüberliegenden Festung befindet. Er ruft ihn an und hört am Telefon seine Stimme, spricht jedoch nicht mit ihm, weil ein SS-Mann in der Nähe steht, der ihn nur unter falschem Namen kennt.
Auch der nächste Film sorgte für Stirnrunzeln
Fünf Jahre später wurde in Würzburger erneut ein Film gedreht, der zunächst zu Stirnrunzeln führte – und wieder war Hollywood, wenn auch indirekt, mit im Boot. Im farbigen Streifen „Der Cornet. Die Weise von Liebe und Tod“ nach einer Novelle von Rainer Maria Rilke spielte Hollywood-Stark Peter van Eyck mit; dem aus Deutschland stammenden Schauspieler war mit „Lohn der Angst“ an der Seite von Yves Montand 1953 der internationale Durchbruch gelungen.
Drehbuchautor und Regisseur Walter Reisch hatte nach der Emigration in die USA für Ernst Lubitsch, George Cukor und den „Titanic“-Film von Jean Negulesco mit Barbara Stanwyck (1953) gearbeitet. Für das „Titanic“-Drehbuch erhielt er einen Oscar.

Der „Cornet“ spielt 1660 vor dem Hintergrund der Kriege gegen die Türken, die schließlich geschlagen werden. Der Verleih musste sich gegen Angriffe verteidigen, der Streifen diene als „Reklametrommler für die Remilitarisierung“ der Bundesrepublik. Tatsächlich wurde 1955, im Jahr der Dreharbeiten, die Bundeswehr gegründet. Die meisten Kritiker sind sich allerdings einig, dass der Film eher – wie Rilke – die Sinnlosigkeit jungen Sterbens thematisiert.
Team mit 196 Pferden und knapp 200 Schauspielern und Statisten
Der „Cornet“ entstand ohne Atelierbauten in Würzburg und Umgebung. Für zwei Monate zog das Team im Sommer 1955 mit 196 Pferden und knapp 200 Schauspielern und Statisten – darunter vielen Würzburgern – auf die Festung Marienburg. Die Produktionsgesellschaft hatte eigens einige der kriegszerstörten Räume restauriert.
Produktionsleiter Heinz Fiebig kannte Würzburg; er war 1946 Intendant der Theaters im Lehrerseminar am Wittelsbacherplatz gewesen. Cornelius Monske, der ein Lied für den „Cornet“ komponierte, fungierte damals als musikalischer Leiter.
Dritter im Theater-Führungsteam war 1946 der damalige Landrat Michael Meisner. Der nunmehrige Herausgeber der Main-Post verzichtete 1955 auf eine Teilnehme an den Dreharbeiten, im Gegensatz zu seiner Frau Ruth Fischer, die eine Nebenrolle übernahm.

Auch „Vater sein dagegen sehr“, der nächste Film, der 1957 in Würzburg entstand, hatte – wenn auch um drei Ecken – eine Beziehung zu Hollywood. Neben Heinz Rühmann spielte Marianne Koch, die kurz zuvor in dem amerikanischen Spionage-Thriller „Das unsichtbare Netz“ an der Seite von Gregory Peck gestanden hatte. Und: Drehbuchautor Hans Jacoby war 1933 aus Deutschland geflohen und hatte in den USA unter anderem die Scripts für zwei Tarzan-Filme verfasst.
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Als Vorlage zu „Vater sein dagegen sehr“ diente der gleichnamige, 1953 erschienene humorvolle Roman von Horst Biernath. Dieser arbeitete von 1947 bis 1949 als Redakteur der Main-Post. Bis 1965 wohnte er in der Arndtstraße im Würzburger Stadtteil Sanderau. Der nach seinem Roman entstandene Streifen war eine heitere Komödie mit Happy End, die Würzburg, Sommerhausen, Marktbreit und Randersacker in den freundlichsten Farben zeigte und daher nicht für skeptische Reaktionen sorgen konnte.
Erst 2010 kam Hollywood wieder nach Würzburg
Es sollte lange dauern, bis Hollywood wieder Interesse an Würzburg zeigte. Im Jahr 2010 entstanden hier Aufnahmen für „Die drei Musketiere“ mit Orlando Bloom, Milla Jovovich und Christoph Waltz. Der Film, in dem unter anderem die Residenz und die Festung ausführlich zu sehen sind, war freilich an den Kinokassen nicht der erwartete Erfolg und so wurde die ursprünglich ins Auge gefasste Fortsetzung nie gedreht.
„Entscheidung vor Morgengrauen“ wird nach der Wiederöffnung der Kinos im Central auf dem Würzburger Bürgerbräu-Gelände, Frankfurter Straße 97, gezeigt.