Laut einer Umfrage der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) aus dem Januar 2023 kann jedes fünfte Kind zwischen sechs und zehn Jahren nicht richtig schwimmen – fast doppelt so viele wie fünf Jahre zuvor. Bayerns Staatsregierung versucht diesem gefährlichen Trend mit einem Gutschein-Programm zu begegnen.
Alle Vorschulkinder und Erstklässler bekamen im Herbst 2023 vom Freistaat einen "Seepferdchen-Gutschein". Der Wert: 50 Euro, einzulösen bei einem beliebigen Schwimmkurs-Anbieter. Eine gute Idee – die allerdings in der Realität offenbar nicht wirklich zündet.
Zwischenbilanz des Innenministeriums: Nicht einmal fünf Prozent der Gutscheine eingelöst
Das für den Sport zuständige Innenministerium musste auf eine Landtagsanfrage der Grünen gerade einräumen, dass von den rund 300.000 ausgegebenen Gutscheinen bayernweit gerade einmal 14.500 eingelöst wurden. Das ist ein Rücklauf von nicht einmal fünf Prozent.
Trotzdem sollen auch in diesem Herbst noch einmal rund 155.000 Gutscheine an Vorschulkinder verteilt werden, teilt das Innenministerium mit. Insgesamt stehen dafür noch einmal bis zu 3,6 Millionen Euro zur Verfügung.
Fraktionschefin der Grünen: "Bauchplatscher von Markus Söder"
"Das war ein echter Bauchplatscher von Markus Söder", kritisiert die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Hübsche Videos des CSU-Chefs bei einer Seepferdchen-Prüfung in Nürnberg seien eben keine Lösung für das Problem mangelnder Schwimmkenntnisse bayerischer Kinder. Zu kompliziert und bürokratisch sei das Gutschein-Programm, meint Schulze. Um das Problem an der Wurzel zu bekämpfen, brauche es flächendeckend intakte Schwimmbäder sowie einen verpflichtenden Schwimmunterricht in der Grundschule - so "wie es der Lehrplan eigentlich vorschreibt".
Das Gutschein-System zu bürokratisch? "Aus meiner Sicht nicht", entgegnet Stefan Heindl von der DLRG in Gerbrunn im Landkreis Würzburg. Zwar werde das Gutschein-Geld nicht sofort am Ende des Schwimmkurses an den Veranstalter ausbezahlt. Der Zeitverzug halte sich aber in Grenzen, sagt der Technische Einsatzleiter: "Insgesamt ist das Gutschein-Programm für uns kein erheblicher Mehraufwand."
Die Gutscheine zu bürokratisch? Das Problem liegt wohl eher in fehlenden Schwimmbädern
Das tatsächliche Problem liege in der Verfügbarkeit freier Plätze in den Schwimmkursen, erklärt Heindl: Die Wartelisten seien so lang, dass die Gutscheine eigentlich schon abgelaufen sind, wenn endlich ein freier Platz für das Kind verfügbar ist. Im Landkreis Würzburg räume das Landratsamt als zuständige staatliche Stelle deshalb für die Einlösung inzwischen eine Kulanzfrist bis zum Ende der zweiten Klasse ein.
"Bei uns wäre die doppelte Kapazität an Schwimmkurs-Plätzen nötig", erklärt Heindl. Am Personal scheitere ein größeres Angebot zumindest bei der DLRG jedoch nicht: "Es sind einfach nicht genug Schwimmbäder vorhanden." So ist etwa in Gerbrunn aktuell das Hallenbad wegen Renovierung geschlossen.
Die Kinder brauchen heute deutlich länger, bis sie sicher schwimmen können
Hinzu komme, dass viele Kinder länger als früher brauchten, um Schwimmen zu lernen, berichtet der DLRG-Mann. Früher habe man deshalb dreimal pro Jahr neue Kurse beginnen können. Jetzt reiche es meist nur noch für zwei neue Kurse im Jahr.
Was könnte der Freistaat also tun, damit künftig wieder mehr Kinder schwimmen lernen? "Eine bessere Schwimmbadförderung wäre wichtig", sagt Stefan Heindl. Das aktuelle Förderprogramm helfe vor allem kleinen Gemeinden nicht – am Ende bleibe das Schwimmbad im Ort trotzdem oft zu teuer: "Das Programm ist schlicht zu kompliziert, um viele Bäder offenzuhalten."
Ich bin mit meiner Tochter ins Kissinger Hallenbad. Habe ihr erstmal das Tauchen beigebracht, damit sie keine Angst hat, wenn sie untergeht. Dann das lange Unterwasser bleiben und erst dann habe ich mit dem Schwimmen begonnen. Mit knapp 6 hat sie ihren Seepferdchen und dann auch alle anderen Schwimmabzeichen in Folge gemacht.
Man muss also nicht immer den Staat oder Markus Söder die Schuld in die Schule schieben. Mir fehlt in diesem Bericht überhaupt die Nachfrage, warum die Eltern ihren Kindern das Schwimmen nicht selbst beibringen.