
Die Justiz redet von "Verbotenen Kraftfahrzeugrennen", die Polizei von sogenannten "Streetracings" (Straßenrennen). Eines haben die zwei Begriffe aber gemeinsam: Sie meinen illegale Autorennen im Straßenverkehr, die zu schweren Verkehrsunfällen führen können. Erst Ende Juli endete solch ein Kräftemessen mit einem Serienunfall auf der Autobahn A 3 bei Wiesbaden in Richtung Würzburg. Insgesamt neun Autos wurden bei dem Unfall beschädigt, drei Menschen verletzt.
Bereits Anfang April soll es aber auch in der Würzburger Innenstadt zu einem nächtlichen Rennen gekommen sein. Zwei Zeugen, die eine Veranstaltung im Maritim-Hotel haben ausklingen lassen, konnten das beobachten. So sollen sich die Fahrer eines Mercedes und eines stark aufgemotzten BMW solch ein Kräftemessen in der engen und kurvigen Pleichertorstraße geleistet haben. Laut Zeugen nicht nur ein- sondern mehrmals, weswegen sie die Polizei riefen.
Angeklagter gab sich entspannt
Beamte konnten einen der vermeintlichen Fahrer mit zwei Mitfahrern kurze Zeit später an der Talavera ausfindig machen. Der Grund dafür: Der BMW ist nicht nur aufgemotzt, sondern hat eine sehr auffällige Lackierung.
Am Donnerstagmorgen musste sich der Kfz-Meister aus dem Landkreis Main-Spessart nun vor dem Würzburger Amtsgericht verantworten. Er selbst gab sich zu Beginn sichtlich locker, teils fröhlich und widersprach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sofort. "Ich habe nichts gemacht, das habe ich nicht nötig", sagte er. Mit zwei Freunden habe er sich erst an der Ran-Tankstelle in der Nürnberger Straße getroffen, um von dort aus mit seinem Auto in die Innenstadt zu fahren und etwas zu essen. Mehr sei nicht gewesen, behauptete er.
"Ihr Grinsen gefällt mir gar nicht", mahnte Staatsanwalt Tobias Knahn und wollte nochmals genau wissen, warum der arbeitstätige Angeklagte an einem Donnerstag mit zwei Freunden nachts durch Würzburg fährt. "So etwas mache ich regelmäßig nach der Arbeit", sagte der Kfz-Meister. Er gab bei der Polizei an, dass es sein könne, dass sein Fahrstil manche störe. Von einem Rennen oder dem besagten Mercedes wisse er jedoch definitiv nichts.
Mercedes verlor Kontrolle
Die zwei geladenen Zeugen, die für eine Veranstaltung im Maritim-Hotel untergebracht waren, erinnerten sich aber noch ziemlich genau an die – wie sie sagten – "lebensgefährliche" Situation. Beide gaben unabhängig voneinander an, das nächtliche Rennen beim Rauchen vor der Tür des Hotels beobachtet zu haben. Der immer noch unbekannte Mercedes-Fahrer habe bei der ersten Fahrt sogar die Kontrolle verloren und sei auf die Gegenfahrbahn geraten. Zudem erkannten sie das Auto des Angeklagten wieder, das Richterin Gudrun Helm in Form von Bildern zeigte.
Die Mitfahrer des Angeklagten, ein Erlabrunner und eine Gerbrunnerin, pochten aber in ihren Zeugenaussagen auch auf die Unschuld ihres Bekannten. Richterin und Staatsanwaltschaft konnte dies nicht recht überzeugen. Mehrmals belehrten sie die Freunde des Kfz-Meisters, auch wirklich die Wahrheit zu sagen. "Es lohnt sich nicht, für ihn zu lügen", so Richterin Helm. Denn bei Falschaussage drohe Freiheitsstrafe, für den Angeklagten eine Geldstrafe. Beide Zeugen beharrten aber auf ihrer Aussage, ein Rennen habe es nicht gegeben.
Staatsanwaltschaft vermisste Ernsthaftigkeit
Im Verlauf der Anhörungen gab es immer wieder Unklarheiten bezüglich der wahrgenommenen Geschwindigkeit, der Fahrstrecke und inwiefern die vermeintlichen Rennteilnehmer neben- oder hintereinander gefahren sein sollen. Als "blankes Durcheinander" bezeichnete Verteidiger Armin Wendel das. Zudem äußerte einer der Zeugen, bei einem kurzen Blick habe der Fahrer "südländisch" ausgesehen. Auf den Angeklagten aus dem Landkreis Main-Spessart trifft dies nicht zu. Deswegen plädierte der Verteidiger dafür, den Angeklagten freizusprechen.
Die Staatsanwaltschaft sah das deutlich anders. Ihrer Meinung nach fehlte dem Angeklagten die nötige Ernsthaftigkeit und die von den Freunden vorgetragene Fahrstrecke wirkte abgesprochen. Obwohl der Vorfall nachts stattgefunden hat, sei es trotzdem nicht auszuschließen gewesen, Fußgänger in Lebensgefahr zu bringen. Die Staatsanwaltschaft plädierte zur Zahlung von 120 Tagessätzen zu je 55 Euro. Außerdem müsste dem Angeklagten der Führerschein entzogen werden.
"Typischer Wahrnehmungsfehler"
Am Ende der Verhandlung klärte sich zwar nicht, mit welcher Geschwindigkeit der Angeklagte wie oft durch die Pleichertorstraße gefahren sein soll, Richterin Gudrun Helm erklärte den Kfz-Meister aber "in vollem Umfang" für schuldig. Sie habe überhaupt keine Zweifel daran, dass es ein motorisiertes Kräftemessen gegeben hat. "Rennen muss nicht heißen, dort gibt es einen Startpunkt und dort ein Ziel", so Helm. Zudem sei die erste Fahrt die entscheidende und diese hätten neutrale Zeugen klar bestätigt. Dass einer von ihnen einen Südländer gesehen haben will, sei vor allem nachts und bei wenig Licht ein typischer Wahrnehmungsfehler. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu 90 Tagessätzen à 55 Euro und dem sofortigen Entzug des Führerscheins – den der Angeklagte übrigens nicht dabei hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.