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Würzburg
Höchstes fränkisches Lob für Sigmar Gabriel
Er ist hager geworden, politisches Gewicht hat Sigmar Gabriel aber immer noch. Der Ex-Parteivorsitzende hat beim SPD-Neujahrsempfang begeistert. Nicht nur die eigene Partei.
Der frühere Parteichef und Außenminister Sigmar Gabriel stand im Mittelpunkt des SPD-Neujahrempfangs der SPD Würzburg Stadt und Land. Begrüßt wurde er von Volkmar Halbleib, Walther Kolbow, Georg Rosenthal, Alexander Kolbow, Bernd Rützel, Katharina Räth, Kerstin Westphal, Harald Schneider und Eva-Maria Linsenbreder.
Foto: Angie Wolf | Der frühere Parteichef und Außenminister Sigmar Gabriel stand im Mittelpunkt des SPD-Neujahrempfangs der SPD Würzburg Stadt und Land.
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:01 Uhr

Am Ende sind sogar die Kollegen der CSU begeistert. Sigmar Gabriel, der ehemalige SPD-Parteivorsitzende und Außenminister, hat auch sie mitgerissen. Beim Neujahrsempfang der SPD Würzburg Stadt und Land in der Franz-Oberthür-Schule am Freitag war deutlich zu spüren, viele wünschen sich Gabriel zurück an die SPD-Parteispitze.

2018 war kein gutes Jahr für die Sozialdemokraten. Weder in Würzburg, noch bayern- und bundesweit. Der parlamentarische Geschäftsführer der bayerischen SPD, der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Landkreis SPD, Volkmar Halbleib, spricht von "schmerzlichen Konsequenzen" und blickt dabei auf Georg Rosenthal, der in der zweiten Reihe sitzt. Für den früheren Oberbürgermeister von Würzburg hat es bei der Landtagswahl 2018 nicht mehr gereicht. Halbleib verspricht, alles zu tun, um die jetzt notwendige Interessenvertretung zu gewährleisten. Denn die Stadt Würzburg ist weder mit einem CSU- noch mit einem SPD-Abgeordneten im bayerischen Parlament vertreten. 

Rosenthal geht in die Tiefe

Ist Rosenthal damit ganz aus der Politik verschwunden? "Nein, so fühle ich mich nicht", sagt er.  "Ich bleibe ja ein politischer Mensch." Und dann, typisch für Rosenthal, steigt er tief in die politische Analyse ein. "Ich denke schon viel darüber nach, warum wir da gelandet sind, wo wir heute stehen. Was können wir besser machen?" Und er hat auch eine Antwort darauf: "Wir müssen mit einfachen Worten deutlich machen, wofür wir stehen. Wir scheitern nicht an Ideen, sondern am Vertrauen", sagt er selbstkritisch über die SPD. Von den Konservativen könne seine Partei viel lernen. "Die verlieren Themen nicht aus den Augen." Im politischen Ruhestand ist der 72-Jährige also noch längst nicht. Er ist noch weiterhin viel in München unterwegs. Dort ist er stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Akademie und in Würzburg ist er nach wie vor stellvertretender Vorsitzender der Akademie Frankenwarte.

"Wir müssen aufhören, über die zehn bis 15 Prozent zu reden, die Spinner sind in diesem Land."
Sigmar Gabriel, ehemaliger SPD-Parteivorsitzender und Außenminister

Mit seiner politischen Fehleranalyse ist Georg Rosenthal ganz nahe bei Sigmar Gabriel. "Wir müssen zuhören", fordert dieser. "Und aufhören über die 10 bis 15 Prozent zu reden, die Spinner sind in diesem Land." Gabriel schafft es, die gut 550 Gäste des SPD-Neujahrsempfangs in seinen Bann zu ziehen. Gabriel ist hager geworden. Er redet frei, lehnt locker am Rednerpult und mischt unter seine ernsten Gedanken über die Zukunft Europas hin und wieder auch den einen oder anderen humorvollen Zwischenruf. Wie diesen: "Ich bin ein Beute-Ossi, weil ich mit einer Ostdeutschen verheiratet bin. Sie ist Bayern-Fan, ich juble für Werder-Bremen. Da wäre SPD-Vorsitzender das leichtere Schicksal gewesen." 

Sigmar Gabriel zählt nach wie vor zu den beliebtesten Politikern. 
Foto: Angie Wolf | Sigmar Gabriel zählt nach wie vor zu den beliebtesten Politikern. 

Das ist das einzige Mal, dass er auf seine Zeit an der Parteispitze zurückblickt. Gabriels Rede ist geprägt von seiner außenpolitischen Erfahrung. Was ihn umtreibt, ist die Sorge um Europa. "Der wichtigste Partner, die USA, ist uns abhanden gekommen. Wir leben in einer G0-Welt und treten ein in eine G2-Welt", schildert er die ordnungspolitischen Machtverhältnisse, die von den USA und China bestimmt werden. Europa habe in dieser Konstellation nur eine Chance, nämlich dann, wenn die 28 Nationen zusammenhalten. Und ob Europa den Austritt Großbritanniens überleben wird, Gabriel zuckt mit den Schultern. "Das ist ein Außenbild, das signalisiert, Europa wird schwächer. Am Ende müssen wir alle den Preis dafür zahlen, nicht nur die Engländer." Gabriel rät dazu, dass sich Deutschland stärker engagieren soll.

Die Genossen sind begeistert 

Das alles ist Balsam für die geschundene sozialdemokratische Szene. "Ein kluger Kopf", sagt Georg Rosenthal über den ehemaligen Parteivorsitzenden und "gute Köpfe kann die SPD gut gebrauchen". "Mir fehlt er sehr", sagt Walter Kolbow, der nicht nur während seiner Zeit als Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium "immer gut mit ihm kooperiert" hat. Sogar Björn Jungbauer, CSU-Bürgermeister in Kirchheim und Kreisrat, ist angetan vom politischen Mitbewerber. "Ich kann vieles unterschreiben, was Gabriel gesagt hat." Und er habe schon auch den Eindruck, dass sich die Genossen Gabriel zurück sehnen. 

Fotoserie

Viele lassen das am Freitagabend durchblicken. Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel hat erst jüngst, in einem Gespräch mit dieser Redaktion, durchblicken lassen, dass er sich Gabriel wieder in vorderster Reihe wünschte. Volkmar Halbleib würde sich freuen, wenn sich Sigmar Gabriel wieder an "maßgeblicher Stelle" einbringen würde und die Vorsitzende der Würzburger SPD, Katharina Räth, ruft Gabriel zu: "Genossen wie Du werden auch heute noch gebraucht. Es war nicht das Schlechteste, was Du gemacht hast." Besser können Franken nicht loben. 

 

 
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Kommentare
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  • hermannkoch@gmx.de
    Wir müssen aufhören, über die zehn bis 15 Prozent zu reden, die Spinner sind in diesem Land
    Heißt das, wir sollen uns nicht mehr mit der SPD beschäftigen?
    Sicherlich meint Gabriel die AfD und genau diese Arroganz und Überheblichkeit, die treibt der Partei immer mehr Wähler zu. Man muss mit und darüber reden und die Partei in der Argumentation stellen. Man wird dann sehr schnell spüren, dass es an Sachverstand und Konzepten fehlt.
    Nur als Spinner abzutun, die teilweise mehr Prozente verzeichnen als die SPD, das ist nicht produktiv.
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  • mausschanze
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  • Mainheini
    Auf Minderheiten wird gehört, sie schreien am lautesten und erwecken damit den Eindruck, sie seien viele. Die schweigende Mehrheit, die arbeitssamen, freundlichen, guten werden übersehen.
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  • rid.cully
    Das mit den 10 bis 15 Prozent Spinnenr, die wir nicht (mehr) brauchen, finde ich gut. ... ... ... Wieviel hat die SPD derzeit nochmal? Ah ja.
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  • info@gerbrunn.de
    Genau: 10-15 % Nationalisten a la AfD Ihrer politischen Grundeinstellung.

    Richtige Worte zur richtigen Zeit von Siegmar Gabriel.
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