
Die Bayern-SPD hat bei der Landtagswahl über die Hälfte der Stimmen verloren. Nur noch 9,7 Prozent sind geblieben, die Partei stellt im Landtag nur noch die fünftgrößte Fraktion. Bei einem Landesparteitag Ende Januar im mittelfränkischen Bad Windsheim wollen die Genossen das Debakel aufarbeiten, auch die Neuwahl der Spitze steht an. Derweil warnen 29 prominente bayerische Sozialdemokraten in einem "Positionspapier" ihre Parteifreunde davor, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Zu den Unterzeichnern gehört auch der unterfränkische SPD-Vorsitzende Bernd Rützel (50). Im Interview wünscht sich der Bundestagsabgeordnete seine Partei wieder lauter und streitlustiger.
Frage: Herr Rützel, Sie vermissen eine umfassende Wahlanalyse, heißt es in Ihrem Positionspapier. Gibt es die mittlerweile?
Bernd Rützel: Wir haben auf allen Ebenen, vom Landesvorstand bis zum Ortsverein, intensivst diskutiert.
Was lief falsch?
Rützel: Wenn sich das so einfach beschreiben ließe, wären wir weiter. Ich glaube, wir müssen genauer in die Themen rein.
Das heißt?
Rützel: Nur mit Überschriften gewinnt man keinen Blumentopf. Haltung ist wichtig, wird aber sowieso erwartet. Wir müssen die Themen genauer und gezielter besprechen, egal ob es um die Ausstattung der Schulen geht, die Mieten oder die Luftreinhaltung in den Städten, die medizinische Versorgung oder den ÖPNV auf dem Land. Da erwarten die Menschen sehr konkrete Antworten – und auch beim Thema Flucht und Asyl.
Sie schreiben, es habe ein Thema gefehlt, mit dem man die Menschen hätte begeistern können. Haben Sie denn eines?
Rützel: Mein Thema ist der Sozialstaat. Wir brauchen viel stärker noch einen fürsorgenden Sozialstaat. Es gibt Tausende Angebote. Aber wenn man konkret Hilfe braucht, findet man diese häufig nicht. Ich habe das selbst erlebt. Mein Vater ist 2018 gestorben. Danach gab es viel zu regeln. Da habe auch ich mir schwer getan, bei all der Bürokratie durchzublicken und die vielen Fragebögen richtig auszufüllen. Wir brauchen mehr Ansprechpartner zur Unterstützung und Hilfe im täglichen Leben.
Im Zusammenhang mit dem Thema Wohnen und Mieten ist in dem Papier von einer Bodenwertzuwachssteuer, ja gar von einer Bodenreform die Rede. Das klingt nach alten Kampfbegriffen.
Rützel: Bauland ist vor allem in den Ballungsräumen kostbar und knapp geworden. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie hier spekuliert wird. Wer von Wertzuwächsen profitiert, der soll mehr als bisher zum Gemeinwohl beitragen. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die auf dem Kapitalmarkt ihr Geld verdienen, weniger Steuern zahlen als diejenigen, die von ihrer Hände Arbeit leben.
Also braucht es auch eine höhere Erbschaftssteuer und wieder eine Vermögenssteuer?
Rützel: Selbstverständlich. Die Erbschaftssteuer ist viel zu niedrig. Eins ist klar: Niemand geht Ihnen an den Geldbeutel, wenn sie das Haus ihrer Oma erben, das 100 000 oder 200 000 Euro wert ist. Es geht darum, Menschen, die Millionen erben, zig Millionen oder gar Milliarden, stärker in die Pflicht zu nehmen. Ich gönne so ein Erbe einem jeden. Aber es ist ein Geschenk, für das man selbst keinen Finger krumm gemacht hat. Da darf man auch einen ordentlichen Beitrag für die Allgemeinheit leisten.
Hartz IV ist auch wieder ein großes Thema in der SPD. Viele Genossen wollen die Regelungen wieder abschaffen. Sie auch?
Rützel: Nein. Hartz IV gehört nicht abgeschafft. Alle Hartz-Reformen waren dringend notwendig, nach 16 Jahren Reformstau, der Aussitzerei unter Helmut Kohl. Aber die Zeit ist nicht stehen geblieben, wir brauchen Korrekturen.
Wo?
Rützel: Ein großer Fehler war von Anfang an, dass ein langjähriger Beschäftigter, ein 55-Jähriger etwa, der arbeitslos wird, nach anderthalb Jahren Arbeitslosengeld in Hartz IV landet, also auf der gleichen Stufe wie jemand, der nie gearbeitet hat. Das geht nicht, das ist ungerecht. Hier brauchen wir eine längere Dauer für den Bezug des Arbeitslosengelds.
Braucht es mehr Streit in der SPD?
Rützel: Ja, unbedingt. Niemand will, dass wir uns die Köpfe einschlagen und jeder gegen jeden geht. Aber wir brauchen einen Streit um die besten Ideen, um die besten Lösungen. Es reicht nicht, mal eben per Twitter 140 Zeichen rauszuhauen und die Welt damit zu erklären und Punkt und Basta. Wir brauchen eine andere Diskussionskultur. Wenn Sie das Streit nennen, ist das in Ordnung.

Muss die SPD raus aus der GroKo?
Rützel: Nein. Warum auch? Wir haben nicht nur in der letzten Legislaturperiode, sondern auch in der laufenden viel erreicht und viel umgesetzt. Denken Sie an die abschlagsfreie Rente nach 45 Berufsjahren, denken Sie an den Mindestlohn, denken Sie an den sozialen Arbeitsmarkt, den wir geschaffen haben für Menschen, die sonst keine Chance haben. Wir haben das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit durchgesetzt, wir entlasten 45 Millionen Arbeitnehmer um jährlich über neun Milliarden Euro bei den Krankenkassenbeiträgen durch Wiederherstellung der Parität. Das sind nur einige Punkte, die die SPD durchgesetzt hat. Da bin ich stolz drauf, das motiviert mich. Ich bin in die Politik gegangen, um zu gestalten, nicht um zuzuschauen.
Aber es zahlt sich nicht in Wählerstimmen aus.
Rützel: Ja, das macht mir Sorgen. Aber deshalb den Kopf in den Sand stecken? Das wäre falsch. Es ist mühsam und langwierig, deutlich zu machen, wofür die SPD steht, was wir durchgesetzt haben. Im Moment sind wir ziemlich unten, aber ich bin zuversichtlich, dass es auch wieder bessere Zeiten gibt.
"Erneuerung läuft auch über Gesichter", heißt es in ihrem Positionspapier. Wer soll denn den Job des oder der Vorsitzenden machen?
Rützel: Sie meinen jetzt in Bayern? Oder im Bund?
Beides. Natascha Kohnen schien doch eigentlich schon der perfekte Gegenentwurf zu Markus Söder zu sein. Warum hat es nicht geklappt? War sie zu brav?
Rützel: Natascha Kohnen hat hohe Beliebtheitswerte. Alle, die sie erlebt haben, haben gesagt, die Frau gefällt uns. Da ist eine, die hört zu, die klärt auf. Dass der Erfolg nicht kam, kann man nicht allein der Vorsitzenden zuschreiben. Man gewinnt und verliert zusammen. Ja, vielleicht war sie auch zu brav. Etwas lauter, etwas deutlicher werden, das ist das Gebot der Stunde. Aber Natascha Kohnen und ihr Team sind schon die Richtigen auch für die Zukunft an der Spitze. Darüber hinaus brauchen wir auf allen politischen Ebenen gute und engagierte Mitstreiter. Das können sowohl neue unverbrauchte Köpfe als auch erfahrene sein. Auf Bundesebene würde ich begrüßen, wenn sich beispielsweise Martin Schulz und Sigmar Gabriel wieder mehr in vorderster Reihe einbringen könnten.
Andrea Nahles wird das nicht so gerne hören. Und jetzt hat sich auch noch Olaf Scholz als Kanzlerkandidat ins Gespräch gebracht. Wer ist der Richtige?
Rützel: Andrea Nahles hat als Arbeitsministerin einen exzellenten Job gemacht. Es ist nicht einfach, Fraktion und Partei zu führen, aber wir sind mit ihr zukunftsfähig aufgestellt. Olaf Scholz ist ein sehr solider Finanzminister. Die Frage, ob er der richtige Kanzlerkandidat ist, stellt sich jetzt überhaupt nicht. Die nächste Wahl ist 2021. Wenn es soweit ist, werden wir das entscheiden. Am besten per Mitgliederentscheid.
Zu behaupten dass man nichts dafür gearbeitet hat ist fern ab von jeglicher Realität, so fern wie die SPD vom Wahlsieg.
Die einzigen die ohne einen Finger krum zu machen auf kosten anderer leben sind Politiker und Asylanten.
Groupons-nous, et demain,
L'Internationale,
Sera le genre humain.…...
Die Renten, die fast jeder Normalbürger bezieht werden doppelt besteuert. Das soll einer verstehen.