Höchst ungewöhnlich, spannend und kreativ: Das 4. Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters Würzburg im großen Saal der Musikhochschule beeindruckte auf der einen Seite durch die Programmauswahl, denn die hatte es in sich! Auf der anderen überzeugte das Orchester unter der Leitung von Enrico Calesso mit einer hochklassigen Leistung.
Vier Werke von Strauss, Copland und Hindemith hatte Calesso ausgewählt, alle geschaffen in den 1940er Jahren, noch während des Zweiten Weltkriegs. Und irgendwie entstand an diesem Abend so etwas wie ein Gelenk, eine musikalische Brücke zwischen einer alten und einer neuen Welt, zwischen Kontinenten, Epochen und Sichtweisen.
Ergreifendes Statement vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens
Die "Metamorphosen. Studie für 23 Solostreicher" von Strauss zu Beginn: So wie Calesso sie in den Raum schickte, so voller Inbrunst und Andacht, mit einem hingebungsvoll musizierenden Orchester, dachte man unwillkürlich an Untergang und Wandel. Ein betagter Komponist, der allmählich ein musikalisches Fazit zieht, die verlorene alte Welt gegen Ende des Krieges, musikalische Umbrüche und, ja, auch der im nächsten Jahr bevorstehende Abschied eines Generalmusikdirektors, der höchst erfreuliche Spuren in der Qualität des Orchesters hinterlassen wird – emotional hoch aufgeladen breitete sich das Werk aus, leidenschaftlich und opulent, aber auch durchsichtig und leuchtend. Was für ein ergreifendes Statement vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens!
Paul Hindemith hingegen blickt als Emigrant von den USA aus auf Europa: Er lässt in seinen "Symphonischen Metamorphosen über Themen Carl Maria von Webers" marschieren. Die sarkastischen, grell-bissigen Untertöne arbeitete Calesso plastisch heraus. Im Turandot-Scherzo schaukelt sich ein nahender Aufmarsch heran, verbindet sich monarchische Kraft mit tanzenden Jazz-Elementen. Dem wunderbaren Flötensolisten im Andantino hätte man ein Quäntchen mehr Zurückhaltung im Orchester gegönnt. Mit beißender Ironie auf so etwas wie Siegermentalität marschierten die Philharmoniker durch den Finalsatz.
Mächtiger Klangzauber ganz anderer Art bei Aaron Copland: Seine kurze "Fanfare for the Common Man" (für den ganz gewöhnlichen Menschen) greift ein wenig den Strauss'schen "Zarathustra"-Ton auf - Blechbläser und Schlagzeuger strahlten majestätisch und effektvoll.
Da platzten die Bravorufe nur so aus dem Publikum
Große orchestrale Gesten und mit Christoph Eß ein Musikant erster Klasse als Solist kennzeichneten Richard Strauss‘ spätes Konzert für Horn und Orchester Nr. 2. Selbst die virtuosesten Passagen des anspruchsvollen Werkes meisterte Eß in dichter Kommunikation mit dem Orchester, hatte auch den entsprechend langen Atem für die Melodiebögen des Mittelsatzes, fein aufgegriffen übrigens in den Streichern. Ein bisschen durfte man da auch in Strauss-Heimeligkeit schwelgen. Herzhaft-verschmitzt das Finale – klar, dass da die Bravorufe nur so aus dem Publikum platzten.
Applaus gab’s übrigens auch für die beiden Mitarbeiter, die die Umbauten perfekt und flott hinlegten. Und nicht enden wollte schließlich der Beifall für Enrico Calesso und die Philharmoniker, die sich an diesem (zweiten) Konzertabend selbst übertrafen.