
Es ist die Hölle auf Erden, die Daniela Farre gerade durchlebt. Seit dem 17. Mai hat die Mutter aus Höchberg bei Würzburg ihre beiden Kinder nicht mehr gesehen. Ihr achtjähriger Sohn und ihre sechs Jahre alte Tochter wurden in den Pfingstferien entführt - vom eigenen Vater, der ursprünglich aus Afghanistan stammt. Wo die Kinder sind, ist Gegenstand der Ermittlungen: Wie es von der Staatsanwaltschaft Würzburg heißt, wird wegen Kindesentziehung mit internationalem Haftbefehl nach dem Mann gesucht.
Doch klar ist: Je weiter weg von Deutschland die Kinder sind, umso schwieriger. "Am besten wären die Chancen, den Mann bei einem Grenzübertritt oder am Flughafen zu erwischen", erklärt Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch. Vermutet werde der Vater in der Türkei, er könne aber mit den Kindern auch weiter östlich gereist sein.
Mutter: Mehr Hinweise von Privatermittler in kurzer Zeit als bislang von der Polizei
Vor drei Wochen hat Daniela Farre einen Privatermittler eingeschaltet, weil ihrer Meinung nach die Polizei bei den Ermittlungen an ihre Grenzen stoße: "In dieser kurzen Zeit habe ich bereits mehr Informationen bekommen, als in den letzten zwölf Wochen von Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen." Die 43-Jährige wirkt gefasst, aufgeräumt und fokussiert: "Manchmal weiß ich selbst nicht, woher ich die Kraft nehme", sagt Farre. "Aber ich kämpfe um meine Kinder und bin überzeugt, dass sie wieder zu mir zurückkommen."
Die Beziehung zu ihrem Mann habe vor zwei Jahren in einem heftigen Konflikt geendet, sagt Daniela Farre. Das Scheidungsverfahren laufe noch. Seit der Trennung habe sie das Gefühl gehabt, dass etwas Schlimmes passieren würde. "Besonders als ich vor Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen bekam, war er sehr wütend", sagt die berufstätige Mutter über den Vater ihrer Kinder.
Der Versuch Farres, das alleinige Sorgerecht für die Kinder zu bekommen, scheiterte. Vom Familiengericht an ihrem früheren Wohnort Frankfurt sei sie im vergangenen Jahr davon überzeugt worden, dass sie einer geplanten Auslandsreise des Vaters mit den Kindern zustimmen solle. Ein fataler Fehler, sagt die 43-Jährige: "Dabei hat selbst mein Sohn gesagt: Mama, ich vertraue Papa nicht."
Kriminalist Oliver Peth ist auf der Suche nach den verschwundenen Kindern
Für den Kriminalisten Oliver Peth, den die Mutter mit der Suche nach den Kindern beauftragt hat, kein Einzelfall. Erst kürzlich habe er ein Kind aus Serbien zum Vater zurückgebracht, das von der Mutter entzogen worden war, sagt Peth. Seine Detektei Detegere mit Sitz in Alzenau (Lkr. Aschaffenburg) verfüge über "ein internationales Netzwerk" und Kontakte in aller Welt, sagt Peth. Und: "Wir wissen, dass der Vater mit den Kindern nie in die Türkei eingecheckt ist, sondern sich nur im Transitbereich des Istanbuler Flughafens befand."
Auch in einer Sprachnachricht an die Mutter habe der Mann klargemacht, dass er nicht wie vereinbart in der Türkei, sondern in ein anderes Land im Nahen Osten gereist sei. "Mal sprach er von Afghanistan, mal vom Iran", sagt Daniela Farre. Der seltene Kontakt, den sie anfänglich über WhatsApp zum Vater gehabt habe, sei Anfang Juli komplett abgebrochen.
Die 43-Jährige ist davon überzeugt, dass ihr Ex-Partner den Kindern eine Lüge über sie erzählt hat. Die Mutter hat der Redaktion eine Sprachnachricht vorgespielt. Der Verfasser will darin Farre zwingen, den Kindern zu erzählen, dass sie für längere Zeit in Spanien leben werde und ihr Sohn und die Tochter erstmal beim Papa bleiben sollten.
"Das habe ich natürlich nicht gemacht", sagt die Mutter. "Es tut weh zu denken, dass meine Kinder manipuliert worden sind und jetzt enttäuscht oder sogar wütend auf mich sind."
Mutter initiierte Spendenaktion über "Go Fund me"
Um die Kosten für Privatermittlungen zu decken, hat Farre im Juni über die Plattform "Go Fund me" eine Spendenaktion gestartet. Spendenziel: 35.000 Euro. Rund 12.200 sind "Go Fund me" zufolge bis jetzt zusammengekommen. Dafür sei sie unendlich dankbar, sagt die 43-Jährige aus Höchberg. "Aber es wird leider nicht reichen."

Das Geld werde für Ermittlungen vor Ort, Fahrzeuge oder Personenschutz gebraucht, erklärt Detektei-Inhaber Oliver Peth. Ein großer Teil gehe auch an den Anwalt, den Farre und Peth beauftragt haben. "Je nach Aufenthaltsland der Kinder können die Kosten insgesamt mehrere Zehntausend Euro betragen", sagt der Kriminalist, der nach eigenen Angaben eine Ausbildung bei der "Zentralstelle für die Ausbildung im Detektivgewerbe" gemacht hat.
Der Fall von Daniela Farre und ihren beiden Kindern habe ihn so berührt, dass er ihn "pro bono" übernehme, sagt Peth - also ohne Verdienst für sich als Ermittler abzurechnen. Daniela Farre sagt: Sollten für die Suche nach ihrem Sohn und ihrer Tochter nicht alle eingeworbenen Spenden benötigt werden, sei der Rest "für einen guten Zweck" vorgesehen. Über das Portal "Go fund me" hält sie die Spenderinnen und Spender auf dem Laufenden. Außerdem plane sie eine Tombola, um weitere Spenden zu sammeln, meint Farre: "Denn im Moment stagniert es leider."
Viel Anteilnahme in Höchberg: Die kleine Tochter sollte jetzt eingeschult werden
Die Mutter hat sich deutschlandweit mit ihrer Geschichte an Medien gewandt - in der Hoffnung, den Aufenthaltsort ihrer Kinder herausfinden. Tatsächlich habe es Hinweise gegeben, sagt die 43-Jährige, ohne Details zu nennen. Sie senkt ihren Blick: "Ich habe viel Anteilnahme von anderen Eltern erfahren, vor allem auch in Höchberg. Dafür bin ich sehr dankbar."

Ob ihr acht Jahre alter Sohn derzeit eine Schule besucht, weiß die 43-Jährige nicht. Ihre Tochter sollte in ein paar Tagen eingeschult werden, die Büchertasche steht schon seit Monaten bereit. Der Gedanke, dass die Sechsjährige hier jetzt nicht in die erste Klasse kommt, sei furchtbar. "Aus den Chatgruppen zum Schulanfang bin ich wieder ausgetreten, das tut zu weh."
Hoffnung und Zuversicht gebe sie aber nicht auf, meint Daniela Farre. Und Privatermittler Oliver Peth sagt: "Mein Ziel ist es, dass die Kinder an Weihnachten wieder bei ihrer Mama sein können."