Cannabis in Blumenkübeln, Kokain aus einem Eimer: Mit einer großangelegten Razzia hatte die Polizei im März die offene Drogenszene in der Würzburger Oberthürstraße ausgehoben. Acht Personen waren festgenommen worden. Den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen wurde nun der Prozess gemacht. Einer von ihnen zeigte sich am Montag geständig. Seine Motivation: Eine Unterbringung in einer Entzugsanstalt, um seine Drogensucht unter Kontrolle zu bringen.
Drei Hauptverantwortliche müssen beziehungsweise mussten sich in dem Zusammenhang vor Gericht verantworten. Weil ihre Darstellungen voneinander abweichen, werden die Prozesse getrennt voneinander geführt. "Die Angeklagten schlossen sich mindestens seit November 2022 zusammen, um fortan arbeitsteilig Betäubungsmittel an unterschiedliche Abnehmer zu verkaufen", sagte die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage.
In vielen Dutzend Fällen hätten die Angeklagten als Bande Drogen verkauft – auch an verdeckte Ermittler. Den 39-Jährigen sah die Staatsanwaltschaft durch Videos und Beobachtungen der Ermittler überführt. Die Verhandlung sollte das Ausmaß der Drogengeschäfte und seinen Anteil aufklären.
Würzburger Dealer hatte Cannabis gegen Wahnvorstellungen geraucht
Zuvor hatte der 39-jährige Nigerianer Angaben zu seiner Vergangenheit gemacht. Als Siebenjähriger sei er in die Obhut eines Onkels gekommen und von diesem sexuell missbraucht worden. Nach einem Terroranschlag sei er nach Italien geflüchtet. Auf dem Weg sei er von Schleusern misshandelt worden. Laut einem Gutachter bestätigen Narben auf dem Körper des Mannes dies.
Wegen einer Beziehung sei er nach Deutschland gekommen, sagte der Angeklagte. Hier habe er unter Wahnvorstellungen gelitten. Mehrere Gramm Cannabis habe er täglich geraucht, um Stimmen in seinem Kopf verstummen zu lassen. "Wenn ich geraucht habe, sind die Stimmen weg gewesen", ließ er über eine Dolmetscherin mitteilen. Er habe nicht als Teil einer Bande gedealt, sondern nur, um sich den eigenen Cannabis-Konsum zu finanzieren. Nun hoffe er auf ein mildes Urteil.
Laut bis dahin vorliegender Beweise konnten dem Mann nach der Razzia 48 Gramm Marihuana zugeordnet werden. Er habe die Menge einen Tag davor gekauft, sagte der Angeklagte. Die Hälfte sei zum Eigenbedarf gedacht gewesen, die andere Hälfte, um diesen zu refinanzieren. Sechs solcher Geschäfte räumte der Mann ein.
Aussage der Würzburger Kriminalpolizei sorgt für Überraschung im Prozess
Für Überraschung sorgte die Aussage einer Kriminalpolizistin. Ihr zufolge waren DNA-Spuren des Angeklagten an sechs Drogenverstecken festgestellt worden. Der entsprechende Aktenvermerk war im Vorfeld offenbar untergangen. Plötzlich standen somit deutlich größere Cannabis-Mengen und Kokain im Raum. "Sie wollen auf Therapie gehen. Mit ihrer bisherigen Einlassung fallen Sie auf die Schnauze", herrschte der Vorsitzende Richter Thomas Trapp den Angeklagten an.
"Ich habe das Marihuana gekauft und weiterverkauft, um davon Kokain zum Rauchen kaufen zu können", räumte der Angeklagte dann ein. Zweimal im Monat habe er etwa 150 Gramm Cannabis gekauft und weiterverkauft. Anstelle von 50 Gramm standen nach Berechnungen des Gerichts nun 650 Gramm Cannabis im Raum.
Richter: Eine offene Drogenszene in einer Stadt wie Würzburg geht überhaupt nicht
Die Sache mit dem Kokain sei dem Mann anzulasten, argumentierte die Staatsanwaltschaft. Sein letztliches Geständnis und der Wunsch nach einer Therapie seien positiv zu werten. Sie forderte eine Strafe von drei Jahren und zwei Monaten sowie eine Unterbringung in einer Entzugsklinik. Die Verteidigung forderte eine Strafe von zwei Jahren und vier Monaten.
"Eine offene Drogenszene in einer Stadt wie Würzburg geht überhaupt nicht", sagte Richter Trapp. Insbesondere im Umfeld des durch den Messerangriff vorbelasteten Barbarossaplatzes sei dies nicht hinnehmbar. Bandenmäßiger Drogenhandel sei dem Mann nicht nachweisbar. Sein Wunsch nach einer Therapie sei glaubwürdig. Er verhängte eine Strafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie die Unterbringung in einer Entzugsklinik. Das letzte Wort hatte der Angeklagte. Er beließ es bei einem einfachen "Danke".