Das Handy ist aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Für Schüler in Bayern gab es aber bislang einen Ort, an dem sie ihr Smartphone nicht nutzen durften: in der Schule. Laut bayerischem Erziehungs- und Unterrichtsgesetz sind die Geräte auf dem Schulgelände auszuschalten beziehungsweise nicht zu privaten Zwecken zu verwenden.
Da diese Regelung schon seit einiger Zeit für Diskussionen und Aufregung sorgt, hat das bayerische Kultusministerium einen Versuch gestartet: Seit September vergangenen Jahres erproben 135 Schulen in Bayern, darunter 16 in Unterfranken, wie eine Lockerung des Verbots aussehen könnte. Aus der Stadt und dem Landkreis Würzburg sind vier Schulen beim Versuch dabei: das Deutschhaus- und das Friedrich-Koenig-Gymnasium in Würzburg, das Gymnasium Veitshöchheim sowie die Realschule am Maindreieck in Ochsenfurt.
„Das Handyverbot war im Lehrerkollegium schon immer Anlass für ein Grummeln“, sagt Michael Schmitt, Schulleiter des Deutschhaus-Gymnasiums in Würzburg. Dort galt bereits vor dem Start des Versuchs folgende Regelung: Auf einem bestimmten Pausenhof ist es den Schülern aller Jahrgangsstufen erlaubt, mit dem Handy zu telefonieren – etwa, um zuhause anzurufen, weil man seinen Turnbeutel vergessen hat. Ob das Smartphone tatsächlich nur zum Telefonieren genutzt wird, könne man nicht umfassend kontrollieren, räumt Schmitt ein. Ob Schüler, Eltern und Lehrer mit der Regelung zufrieden sind, soll eine erste Umfrage per Online-Fragebogen zeigen: Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) erstellt anhand von insgesamt drei über den Projektzeitraum verteilten Umfragen individuelle Meinungsbilder an den Schulen.
Handynutzung versus Aufsichtspflicht
Wie das Ergebnis der zweijährigen Versuchsphase aussehen wird, ist offen: „Es kann keine völlige Freigabe der Handys geben, eine Liberalisierung wäre aber gut“, so Schmitt. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, wenn ältere Schüler ihr Smartphones auch privat nutzen dürften, eventuell nur zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Räumlichkeiten – und stets mit dem Hinweis auf rechtliche Grenzen. Letzteres ist Schmitt besonders wichtig: Wie lässt sich die Handynutzung mit der Aufsichtspflicht der Lehrer vereinbaren? Ist der Datenschutz gewährt – etwa, wenn ein Schüler Fotos von Lehrern oder anderen Schülern verbreitet? „Bei gravierenden Verstößen müssen die Lehrkräfte aus der rechtlichen Verantwortung raus sein“, sagt Schmitt.
Dass die Schüler ein Bewusstsein für den Umgang mit dem Handy bekommen, dafür sollen auch vielfältige Angebote für alle Jahrgangsstufen im Bereich Medienerziehung sorgen: Projekttage zu Facebook und Co. etwa, oder die Aufklärung über Sexting, der Verbreitung freizügiger Fotos von sich oder anderen über Messenger-Programme wie What’s App. Aussagen wie „Ich habe das Bild doch nur an einen einzigen Freund geschickt“ machten deutlich, wie wenig Schüler eventuelle Folgen der Verbreitung von Bildern per Handy oft einschätzen könnten.
Am Friedrich-Koenig-Gymnasium (FKG)in Würzburg dürfen die Schüler der Oberstufe ihre Handys in Freistunden auch privat nutzen - in der Aula und in einem Arbeitsraum -, nicht aber in den Pausen, erklärt Schulleiter Marco Korn. „Die Großen haben hier eine Vorbildfunktion für die Kleinen.“ Ein Ziel sei außerdem, dass die Schüler in den Pausen rausgingen, sich unterhielten oder auf die nächste Stunde vorbereiteten. „Wer sich nicht daran hält, muss das Handy bis zum Ende des Schultags im Sekretariat abgeben“, so Korn.
Das Thema Handynutzung wird laut Korn am FKG schon länger diskutiert. Der Schulleiter hält es für wichtig, Kindern eine gewisse Medienethik beizubringen: „Man sollte nicht dauernd sein Handy zücken und sein Gegenüber sitzen lassen. Das Gerät ganz aus der Schule zu verbannen, geht aber auch nicht.“ Das bisherige Konzept finde große Akzeptanz, sagt Korn, die Eltern seien froh, wenn es Regelungen gebe. „Das Handy ist ein Arbeitsgerät und dient der Kommunikation – es muss aber auch Phasen geben, in denen es keine Rolle spielt“, so Korn. Das Konzept kann nur funktionieren, wenn die Eltern es aktiv mittragen, ist er überzeugt. Auf das Zuhause der Kinder übertragen, könne das zum Beispiel heißen: Am Esstisch hat das Handy keinen Platz.
„Der Schulversuch zur privaten Handynutzung ist Teil eines viel größeren Konzepts – es geht um Medienkompetenz“, ist Dieter Brückner, Schulleiter des Gymnasiums Veitshöchheim überzeugt. Die Schüler sollen durch spezielle Angebote lernen, verantwortungsvoll mit den neuen Medien umzugehen. Dafür benötigen sie umfangreiches Wissen, das von der Handhabung der technischen Geräte bis hin zum Verhalten in sozialen Medien oder dem Erkennen extremistischer Internet-Inhalte reicht. „Man kann und muss den Schülern sukzessive Eigenverantwortung übergeben“, so Brückner.
Bislang dürfen die Oberschüler im Aufenthaltsraum der Oberstufe und in der Bibliothek ihre privaten Smartphones in den Zwischenstunden und in der Mittagspause zu schulischen Zwecken nutzen. Ob diese Regel eingehalten wird, werde stichprobenartig geprüft. „Wir geben den Schülern da einen Vertrauensvorschuss“, sagt Brückner.
Ein Handyverbot hält der Schulleiter für nicht zeitgemäß: „Handys und Tablets gehören zum Alltag.“ Auf der anderen Seite aber stehe der Bildungs- und Erziehungsauftrag, „es muss Räume geben, wo das Handy ausgeschaltet bleibt“. Das Ergebnis des zweijährigen Versuchs könne nicht "Feuer frei" für eine uneingeschränkte Nutzung heißen, so Brückners Fazit.
Schrittzähler-Wettbewerb per App
An der Realschule am Maindreieck in Ochsenfurt ist die private Nutzung von Smartphones bisher allen Schülern in der Aula bis 7.55 Uhr sowie in der Mittagspause erlaubt. „Unser Anliegen war es, die Schüler auch vor Schulbeginn ins Schulhaus zu bringen“, erklärt der stellvertretende Schulleiter Stefan Greb. Vor dem Schulgebäude seien viele Autos und Busse unterwegs – wenn sich die Schüler dort mit ihrem Handy beschäftigten, könne dies gefährlich sein.
Um in den Pausen Anreize zur Bewegung schaffen, wird neben der klassischen „bewegten Pause“, in der die Schüler Bälle und Spielgeräte ausleihen können, angedacht, wie man das Handy einbauen kann: etwa für einen Schrittzähler-Wettbewerb per App. Zusammen mit der Schulentwicklungsgruppe erarbeitet Greb ein Konzept, wie künftig die private Handynutzung an der Realschule aussehen kann.
Für manche Situationen gibt es schon jetzt besondere Regeln: Während des einwöchigen Skikurses der siebten Jahrgangsstufe etwa habe es ein komplettes Handyverbot gegeben. „Wir wollten das soziale Miteinander der Schüler stärken“, erklärt Greb. Am Tag wurde Sport getrieben, am Abend miteinander geredet und gespielt – Langeweile sei nicht aufgekommen. „Man muss jungen Menschen nicht nur zeigen, wie man das Smartphone sinnvoll nutzt, sondern auch, wann man es besser beiseite legt“, so Greb.