
Kein Wort des Bedauerns, kaum ein Wort zu der Anklage wegen versuchten Mordes: Ein Jahr nach dem (fast tödlichen) Schuss auf seinen Nachbarn beim Feuerwehrfest in Euerhausen (Lkr. Würzburg) sieht der 71-jährige Bruno G. fast stumm dem Urteil entgegen. Der stark hörgeschädigte Bruno G. starrt stumm auf den Bildschirm, auf dem ihm Schriftdolmetscher Thomas Wippel jedes Wort aufschreibt, das im Gerichtssaal fällt. Nur in Prozesspausen wird Bruno G. lebhaft und erzählt seinen zwei Anwälten von seinem Tagesablauf in Untersuchungshaft.
Angeklagter blieb weitgehend stumm
Ansonsten verfolgt er stumm, was über ihn und seine seit Jahren steigende Aggression gegen seine Umwelt zutage gefördert wird. Immerhin hat er zugegeben, dass er aus dem Leben scheiden wollte, als er in Untersuchungshaft seine Zelle im Würzburger Gefängnis in Brand gesetzt hatte. Auch dabei wurden neun Menschen verletzt, die teilweise jetzt Schadenersatz gegen ihn wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen geltend machen.
Bruno G. verliert kein Wort darüber, warum er gerade die Nachbarsfamilie in Wolkshausen bei Gaukönigshofen so aufs Korn nahm. Er soll mit Steinen geworfen, die Nachbarin auf offener Straße mit bloßen Händen niedergewürgt haben. Schon gar nicht, warum er im Juni 2018 eigens aufs Feuerwehrfest in den Nachbarort fuhr und sich dort in den Rücken des Nachbarn geschlichen haben soll. Oder wo er danach die Schusswaffe versteckt hat.
"Hohes Wiederholungsrisiko"
Der psychiatrische Gutachter Dr. Jörg Groß hält den Angeklagten in Freiheit für gefährlich. Es bestehe „ein hohes Wiederholungsrisiko“ für weitere Übergriffe gegen die Nachbarsfamilie, warnt der Gutachter jetzt. Groß spricht von „krankhaften Störungen“ bei dem Angeklagten, will eine „Schuldunfähigkeit nicht ausschließen“ und hält „eine Unterbringung für erforderlich“.
Folgt die 1. Kammer des Landgerichts Würzburg um den Vizepräsidenten Hans Brückner den Empfehlungen, dann kommt der Angeklagte für den Mordversuch nicht für begrenzte Zeit in den Knast, sondern in eine Klinik. An einem Schuldspruch zweifelt nach viermonatigem Prozess kaum noch jemand. Zu deutlich haben Zeugen den Schützen identifiziert. Zu gravierend sind auch die Folgen für das Opfer, das querschnittgelähmt bleibt.
Video zeigt: Nach dem Schuss seelenruhig davon geschlendert
Gänsehaut verursacht am vorläufig letzten Tag der Beweisaufnahme das Handy-Video eines Zeugen, das vor Gericht gezeigt wird. Es entstand kurz nach dem Schuss: Seelenruhig spaziert Bruno G. da nach dem Schuss davon, eine Faust (vermutlich mit der Waffe) in der rechten Hosentasche.
Vier Männer verfolgen ihn vorsichtig in sicherem Abstand. Die Aufforderung, die Hand aus der Hosentasche zu nehmen, ignoriert er. Als sei nichts geschehen, steigt er grüßend in seinen weißen Kleinwagen und fährt weg. Stunden später nimmt ihn zuhause die Polizei fest.
Man denkt unwillkürlich an die Schilderung der Frau des Opfers, die im Zeugenstand weinend erklärte: „Ich habe Angst, wenn er wieder rauskommt!“ Beim Feuerwehrfest hat sie ihn hinter ihrem Mann auftauchen sehen, die Waffe erkannt, den Schuss gehört. G. sei ihr auf der Flucht entgegengekommen: „Der hätte nur noch mal abdrücken müssen, dann hätte er mich auch noch gehabt,“ sagt sie. Aber „er schlenderte einfach weg“.
Am 26. Juli sind die Plädoyers vorgesehen, von Anklage, Nebenklage und Verteidigung. Ob an dem Tag auch schon das Urteil fällt, steht noch nicht fest.