Am Freitagnachmittag um 17.08 Uhr ging der Notruf in der Integrierten Leitstelle in Würzburg ein: Amoklage in der Würzburger Innenstadt war das Stichwort. Den Helfern, die wenige Minuten später am Einsatzort eintrafen, bot sich ein Bild des Grauens. Ein 24-jähriger Mann hatte mehrere Personen in einem Kaufhaus am Barbarossaplatz mit einem Messer niedergestochen, drei Menschen starben, sechs weitere wurden schwer verletzt.
"Es sind Bilder, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste haben um das Leben der Opfer gekämpft", sagt Paul Justice, Geschäftsführer des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Würzburg im Telefongespräch mit dieser Redaktion. Er war am Freitagabend mit im Einsatz am Barbarossaplatz und hob die gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und den Rettungskräften hervor.
Als erstes traf die Feuerwehr am Tatort an der Juliuspromenade ein und übernahm mit zwölf Einsatzkräften, einem Rüstwagen sowie einem Einsatzleit- und Löschfahrzeug die Erstversorgung der Verletzten, berichtet Uwe Kinstle, Einsatzleiter der Rettungsdienste, bei einer Pressekonferenz im Congress Centrum Würzburg am Samstagnachmittag. Innerhalb nur weniger Minuten waren insgesamt an die 150 Helferinnen und Helfer der Johanniter, Malteser und des Bayerischen Roten Kreuzes sowie 30 Rettungs- und Krankentransportwagen vor Ort, um die notfallmedizinische Versorgung und den Transport von sechs Schwerst- und zwei Leichtverletzten zu gewährleisten.
"Zudem sind blitzschnell viele dienstfreie Notärzte sowie ehrenamtlich besetzte Schnell-Einsatz-Gruppen der Hilfsorganisationen an der Einsatzstelle eingetroffen. Die Kapazitäten der Notaufnahmen in den beteiligten Krankenhäusern wurde entsprechend hochgefahren", so Kinstle weiter. Er ist sichtlich bewegt und erschüttert von der Grausamkeit des Tatgeschehens, auch nach mehreren Jahrzehnten in der Arbeit des Rettungsdienstes sei so etwas nur sehr schwer verdaubar.
Als Notarzt vor Ort
Auch für den Mediziner Christian Markus, der als einer von zehn Notärzten mit vor Ort war und versucht hat Leben zu retten, war es ein schwerer Abend. Er lobt den Einsatz von Kollegen, die privat in der Nähe waren und sofort zur Hilfe geeilt kamen. Die Verletzungen der drei Verstorbenen seien leider so gravierend gewesen, dass für sie keine Rettung mehr möglich war, beschreibt er.
"Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien. Unser Dank gilt der Polizei, der Feuerwehr und den Einsatzkräften aller Hilfsorganisationen. Unser Respekt den Bürgern, die beherzt eingriffen und sich dem Täter stellten. Alle sind bei diesem Einsatz an ihre persönlichen Grenzen gekommen", fasst Einsatzleiter Kinstle zusammen.
Betreuungsstelle für Augenzeugen im Habaneros
Um die Übersicht zu behalten, wurde in der frühen Phase des Einsatzes an der unteren Juliuspromenade ein Rettungsmittelhalteplatz für Reservekräfte des Rettungsdienstes eingerichtet. Knapp 50 Helfer waren dort mit ihren Fahrzeugen auf Abruf bereitgestellt worden. Im Restaurant "Habaneros" am Barbarossaplatz wurde unter der Leitung von Paul Justice eine Betreuungsstelle für Betroffene eingerichtet.
Justice berichtet, dass dort etwa 30 Augenzeugen, teils unter Schock stehende Bürger sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der umliegenden Geschäfte, von den ökumenischen Notfallseelsorgern, Einsatzkräften der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) sowie der Schnell-Einsatz-Gruppe Betreuung betreut wurden. Wie er bei der Pressekonferenz erzählt, "haben sich im Laufe des Abends mehrere Personen bei der Integrierten Leitstelle gemeldet, denen es psychisch nicht gut ging". Sie seien von den Einsatzkräften abgeholt und ebenfalls zur Betreuungsstelle ins "Habaneros" gebracht worden. Auch Hausbesuche von Notfallseelsorgern habe es gegeben.
Ulrich Wagenhäuser, Leiter der PSNV/Notfallseelsorge, hob hervor, wie wichtig es ist, den geschockten Menschen erst einmal das Gefühl zu geben, wieder in Sicherheit zu sein, in einem geschützten Raum. "Für unsere Arbeit ist es bedeutend, die Leute erst einmal reden zu lassen und sie dadurch zu entlasten. Es ist sehr wichtig, ihnen zu erklären, dass aufgrund dieses einschneidenden Ereignisses, ihre Seele reagiert und diverse Reaktionen vollkommen normal sind. Unsere Aufgabe ist es, da zu sein und Ruhe zu vermitteln", so Wagenhäuser.
Auch Hausbesuche von Seelsorgern
Zudem gab es in der Dienststelle der Malteser in der Mainaustraße im Würzburger Ortsteil Zellerau für die unter den tragischen Eindrücken des Einsatzes stehenden Einsatzkräfte eine seelsorgerische Anlaufstelle. "Denn auch sie stehen unter enormen Druck und müssen das Erlebte und Gesehene verarbeiten und besprechen", so Lorenz Böck, der die Betreuung organisierte. Oft sei es nicht hilfreich, die Belastung an die Familie weiterzutragen.
Notfall-Hotline eingerichtet
Wie Paul Justice mitteilte, wurde außerdem eine Notfall-Hotline (Tel. 0800 655 3000) für betroffene Personen eingerichtet, die es auch in den nächsten Tagen noch geben soll. "Am Hörer befindet sich professionelles Personal des Bezirks Unterfranken, welches bei Bedarf mobile Teams entsenden kann", erklärt Justice.
Auf Nachfrage berichtet Justice, dass die Einsatzpläne diesmal deutlich besser funktioniert hätten als beim Axt-Attentat vor fünf Jahren. "Danach haben wir unsere Notfall-Abläufe wissenschaftlich evaluieren lassen. So konnten wir einiges optimieren", sagt er. Beispielsweise funktioniere der "direkte Draht" zwischen Hilfsorganisationen und Polizei nun noch besser.
Auch die Ausstattung der Rettungswägen sei optimiert worden, als Beispiel nennt er Mittel der Blutstillung bei massivem Blutverlust. Kinstle zeigt sich ebenso froh, "dass diese Einsatzpläne in der Schublade waren, wir waren gut vorbereitet". "Auch", so sagt er und seine Stimme klingt traurig, "wenn ich gehofft habe, dass wir sie nie brauchen werden."
Dieser Artikel wurde nach einer Pressekonferenz der Hilfsorganisationen im Congress Centrum Würzburg am Samstag aktualisiert.