Die Entrüstung ist groß. Wieder einmal hat der Vatikan ein "Nein" ausgesprochen zu einer pastoralen Praxis, die seit einiger Zeit in Deutschland möglich ist: die Segnung homosexueller Paare. Es hat lange gedauert, bis eine Segensfeier für homosexuelle Paare in der deutschen katholischen Kirche, zunächst toleriert, dann aber von immer mehr Seelsorgerinnen und Seelsorgern und schließlich auch Bischöfen, gutgeheißen wurde.
Das zeigt auch die Resonanz auf die Unterschriftenaktion des Würzburger Hochschulpfarrers Burkhart Hose und seines Paderborner Kollegen Bernd Mönkebüscher, in der zum pastoralen Ungehorsam aufgerufen wird. Die bisher 1500 Unterzeichner, die meisten unter ihnen pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bekennen damit, auch in Zukunft homosexuellen Paaren den Segen nicht zu verweigern.
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Das ist ein starkes Zeichen. Den beiden Frauen, den beiden Männern, die ein verbindliches Ja zueinander gesagt haben, wird mit dem Segen etwas Gutes zugesagt. Der Verbindung, auf die sie sich eingelassen haben, wird damit ein eigenes Gewicht verliehen, indem sie unter den Segen Gottes gestellt wird. Sie wird damit als etwas Schönes, Gottgefälliges gepriesen.
Es müsste eine Neubewertung der Sexualität stattfinden
Dazu kommt: Auch wenn es sich bei der Segnung homosexueller Paare nicht um ein Sakrament handelt, wie das für eine kirchliche Trauung eines heterosexuellen Paares zutrifft, geht es dabei nicht nur um eine schlichte Segnung, wie wir sie von der Segnung einer Wohnung, von Autos oder Rosenkränzen kennen. Es geht um mehr. Eine verbindliche Beziehung schwuler Männer bzw. lesbischer Frauen wird im Rahmen einer Segensfeier vor der Öffentlichkeit kirchlicherseits gutgeheißen.
Genau das aber macht es dem Vatikan schwer, eine solche Segnung zuzulassen, gilt doch in der katholischen Kirche offiziell nach wie vor, dass die sexuelle Lust ausschließlich in der heterosexuellen Ehe genossen werden darf. Von allen anderen wird erwartet, dass sie sexuell enthaltsam leben. Das aber heißt, um eine Segnung homosexueller Paare seitens des Lehramtes gutheißen zu können, müsste zunächst eine Neubewertung der Sexualität und dann auch der Homosexualität stattfinden.
Diese Neubewertung gerade auch hinsichtlich der Homosexualität ist längst überfällig. Solange das nicht geschieht, besteht die Gefahr, dass eine Segnung homosexueller Paare etwas suggeriert, was sie nicht einhält, nämlich eine Gutheißung homosexueller Liebe durch die Kirche. Ich bin für die Segnung homosexueller Paare. Auch glaube ich, dass von einer solchen Segnung etwas Bestärkendes für ihre Beziehung ausgehen kann. Das ist schon viel. Aber es ist nicht genug. Es ist und bleibt eine pastorale Notlösung, solange die Segnung nicht mit einem Perspektivwechsel hinsichtlich der Bewertung der Homosexualität und homosexueller Liebe einhergeht.
Konkret heißt das: Die katholische Kirche sollte die homosexuelle Orientierung nicht länger als objektiv ungeordnet bezeichnen und damit sagen, dass sie nicht der Naturordnung entspricht. Solange sie das nicht unterlässt, erklärt sie die mögliche Vielfalt, die Gott uns geschenkt hat, als Mangel und rechtfertigt damit ihr Verbot praktisch gelebter homosexueller Liebe. Sieht sie dagegen in unserer Sexualität, unabhängig davon, ob jemand heterosexuell oder homosexuell ist, ein Potenzial, das elementar zu unserem Menschsein gehört, kann sie auch homosexuellen Menschen zugestehen, dass ihre Liebe, auch wo sie sexuell zum Ausdruck gebracht wird, zu einer Bereicherung ihres Lebens beitragen kann. Ihre Liebe zum Segen für sie werden kann.
Die Kirche ist mit dem Perspektivwechsel überfordert
Einen solchen Perspektivwechsel zu vollziehen, überfordert offensichtlich die Kirche. Ich wünschte ihr hier ein so unverkrampftes Verhältnis zur Tradition, wie ich es bei dem großen Theologen Karl Rahner entdecke, der einmal meinte: "Dogmen sind wie Straßenlaternen. Sie beleuchten den Weg der Gläubigen. Aber nur Betrunkene halten sich an ihnen fest."
Ja, es gibt dieses und jenes Schriftwort, diese und jene theologische und lehramtliche Aussage zur Homosexualität. Sie können und müssen nicht einfach übergangen werden. Sie dürfen sich aber nicht so sehr breitmachen, dass dabei die frohe Botschaft, die am Anfang steht, nicht mehr zu erkennen ist. Dass jene Botschaft, die einst, wie es Bruder David Steindl-Rast einmal formulierte, lebendig wie eine Fontäne klaren Wassers emporsprang, dabei ganz versiegt. Diese Botschaft aber lautet: Gott ist die Liebe.
Da beginnt etwas ins Wanken zu geraten
Diese frohe Botschaft, was die Bewertung von Homosexualität und homosexueller Liebe betrifft, bricht sich augenblicklich Bahn in der Forderung nach der Segnung verbindlicher homosexueller Beziehungen. Da beginnt etwas ins Wanken zu geraten, auch wenn sich die Tradition dagegen aufbäumt. Der Vatikan dagegen Stellung bezieht.
Wird sich die frohe Botschaft, die homosexuellen Menschen die Liebe und den Respekt in ihren verbindlichen Beziehungen nicht abspricht, in der katholischen Kirche durchsetzen? Eine Segnung homosexueller Paare irgendwann etwas ganz Selbstverständliches sein? Wird die frohe Botschaft wie eine Fontäne emporspringen und sich am Ende stärker erweisen als das Bollwerk der vatikanischen Behörde? Wer weiß es?
Die Form der Liebe ist egal: Entscheidend ist, dass es Liebe ist
Eines bin ich mir sicher: Bitten zwei homosexuelle Menschen um Gottes Segen für ihre Beziehung, wird er ihnen diesen Segen nicht verweigern und bei seinem Segen auch ihre Liebe füreinander miteinbeziehen, weil er ein Gott der unbedingten Liebe ist. Dabei ist es egal, ob diese Liebe heterosexuell oder homosexuell ist. Entscheidend ist, dass es Liebe ist.
Wunibald Müller, geboren 1950 in Buchen (Odenwald), hat in Würzburg, Freiburg und Jerusalem katholische Theologie und Psychologie studiert. Von 1991 bis 2016 war er Leiter des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen), das Priestern und Ordensleuten in geistlichen wie menschlichen Lebensnöten hilft. Er ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschienen sind "Verbrechen und kein Ende? Notwendige Konsequenzen aus der Missbrauchskrise" (Echter Verlag) und jüngst "Kann denn Liebe Sünde sein?" (St. Benno Verlag).
Mögen die Gläubigen sich Ihre Worte zu Herzen nehmen! Selbst eine Kirchenspaltung wäre dieser unsäglichen römischen Verordnung vorzuziehen.
Die Kirche besteht aus Millionen Menschen. Und die können schon was bewegen.
Das geht eher langsam....aber es tut sich was, wenn die Gesellschaft und die Mitglieder aufbewahren.
Denken Sie doch mal an die Kirche in Ihrer Kindheit.
Den „Eunuchen für das Himmelreich“ und „Schlafzimmerkontrolleuren“ sei ihr "Schrumpfchristentum“ (jeweils zitiert nach der Theologin Uta Ranke-Heinemann) und ihr gesamter Sexualneurotizismus ohne weitere Diskussion zugestanden.
Wenn sie nur aufhören könnten, von der Kanzel herab, mündige Bürger damit zu belästigen.
Die obersten Moralapostel zelebrieren ihre angemaßte besondere Gottesnähe, ihre Unfehlbarkeit und ihre eigene Großartigkeit. Dabei möchten sie ihr eigenes moralisches Total- und Systemversagen vergessen lassen. Das geht nicht zusammen. Das ist nicht nur Schein-Heilig. Das ist nicht nur Doppelmoral. Das ist zum Lachen.
Was für ein gigantischer Selbstbetrug! Was für eine gigantische Unredlichkeit gegenüber den Gläubigen! Was für ein gigantischer Schaden, den diese katholische Spielschar mit ihren merkwürdigen Gewändern und Inszenierungen zu verantworten hat!