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GLOSSE
Glosse: Weshalb Würzburger Stadträte künftig im Radlersaal tagen
In der Rubrik Würzburger Wahrheiten erklären wir, wer ein Rad ab hat und was sonst noch auf uns zurollt. Und was unterscheidet die Busgänger- von der Bußgängerzone?
Die revolutionärste Neuerung seit der der Erfindung des Rads: das Indirekte Linksabbiegen für Radler am Exerzierplatz.
Foto: Thomas Obermeier | Die revolutionärste Neuerung seit der der Erfindung des Rads: das Indirekte Linksabbiegen für Radler am Exerzierplatz.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:59 Uhr

Was diese Woche abgeht? Wir haben Europäische Mobilitätswoche, unter anderem mit einem "Autofreien Tag".  An der Aktionswoche beteiligt sich auch die Stadt Würzburg - und schafft witzigerweise ein Stück Fußgängerzone ab. Die untere Theaterstraße ist ab heute keine mehr, was aber in Wahrheit nicht an der Mobilitätswoche liegt, sondern an der Sperrung der Haugerpfarrgasse. Deren Autoverkehr fließt nun durch die ehemalige Fußgängerzone. Das dürfte bei Passanten große Trauer auslösen.

Denn nirgendwo sonst in der Stadt konnte man so sprungbereit auf der Straße flanieren und dabei seine Reflexe trainieren - um nicht von einem der 500 Busse überfahren zu werden, die trotz Fußgängerzone da täglich rollten. Folglich war die untere Theaterstraße Würzburgs schönste Busgängerzone. Nicht zu verwechseln mit einer Bußgängerzone wie am Kreuzweg zum Käppele.

Glosse: Weshalb Würzburger Stadträte künftig im Radlersaal tagen

Dagegen fahren, wie Stadträtin Barbara Lehrieder im Stadtrat monierte, häufig ortsunkundige Autofahrer in die Fußgängerzone Hofstraße und gefährden dort  Passanten. Das Problem könnte richtig groß sein: Denn verirrt sich dorthin der Fahrer eines SUV (gängige Abkürzung für Saugroßes Unsinniges Vehikel), wäre die kleinste  Fußgängerzone der Welt komplett dicht. Und die japanischen Touristen, die zur Residenz  wollen, würden sich bis zum Dom stauen.  

Aber um Fußgänger geht's zur Zeit auch nicht. Würzburg ist jetzt mit dem Titel "fahrradfreundlich" dekoriert. Das kommt überraschend, nachdem Radler die Stadt in der jüngsten Umfrage zum Radverkehr bayernweit auf den letzten Platz gewählt haben. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen hatten sich daran anscheinend nicht beteiligt, denn sie kamen zu einem ganz anderen Urteil, nachdem sie letzte Woche durch die Stadt geradelt waren.

Immer schön fahrradfreundlich!

Dabei hat sie die geballte Fahradfreundlichkeit wahrlich vom Sattel gehauen: Das indirekte Linksabbiegen für Radler am Exerzierplatz, das jeder nach Besuch eines VHS-Kurses sofort kapiert,  der riesige Haltebügel für Radler nahe der Löwenbrücke, an dem sich der Stadtbaurat so gerne festhält und dann noch - Hammer! - die Büttnerstraße als erste Fahrradstraße der Stadt, bei der sie das kleine Zusatzschild "Kfz frei" wahrscheinlich übersehen  haben.             

Dennoch hat Würzburg die Fahrradprüfung bestanden, was dem Bündnis "Verkehrswende jetzt" aber nicht reicht. Es will einen Bürgerentscheid. Was wir entscheiden sollen, wollen die "Verkehrswende jetzt"-Leute erst heute verraten, aber es dürfte - wie alles derzeit - was mit Radfahren zu haben.

Mögliche Forderungen: Den Radfahrern gehört die Straße, während Autofahrer spezielle Autowege oder Autostreifen am Fahrbahnrand benutzen müssen. Die Gastwirte schenken nur noch Radler aus und der Stadtrat tagt künftig im Heidingsfelder Radlerssaal. Im Gegenzug dürfen sich die Autofahrer bei künftigen Mobilitätswochen auf einen "Fahrradfreien Tag" freuen. Echt wahr!    

Das ist kein offizielles Hinweisschild, sondern ein verschmitzter Hinweis der grünen Jugend auf fehlende Radege.
Foto: Tim Eisenberger | Das ist kein offizielles Hinweisschild, sondern ein verschmitzter Hinweis der grünen Jugend auf fehlende Radege.
 
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  • christian.klippel@sw-anzeiger.de
    Würzburg ist so ungeeignet für ein sicheres Nebeneinander von Rad und Auto wie kaum eine andere Stadt in Deutschland. Alles zu eng. Ich bin selbst Rad- und Radfahrer und merke jedes mal, dass es nicht einfach ist, in Würzburg Radwege und Radstreifen anzulegen. Beispiel Zeller Straße: Der Radstreifen wird von Autos, die an der Ampel zur Dreikronenstraße warten zugestellt. Wären sie links neben dem Radstreifen, stünden sie im Gegenverkehr und nichts ginge mehr. Eine Situation, für die mir keine Lösung einfällt. Aber Aktionismus ist leider auch nicht der richtige Ansatz. Ich vermute, dass eine Verkehrswende tatsächlich nur durch radikales Ausschließen des Autoverkehrs möglich wäre. Dann müsste man sich um Radachsen aus mehreren Himmelsrichtungen kümmern. Weil nach Würzburg hinein und aus Würzburg wieder raus, das ist auch nicht einfach. Verflixt......
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  • christian.klippel@sw-anzeiger.de
    Ich meinte natürlich: Ich bin selbst Auto- und Radfahrer......
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  • hajue@beckbollwitte.de
    Wer behauptet, dass Würzburg jetzt de facto fahrradfreundlich sei, hat das Ergebnis nicht verstanden. Ich war bei der Bereisung am Do. dabei und letztendlich ging es darum, ob Würzburg als dauerhaftes Mitglied in der AGFK aufgenommen wird. Nicht mehr - aber auch nicht weniger, denn die Aufnahme ist ja mit klaren Verpflichtungen versehen. Man hat v.a. die Verpflichtung, etwas für den Radverkehr zu tun. Und die Kommission hat sehr deutlich gemacht, dass der Weg zur Fahrradfreundlichkeit ein sehr langer und mühsamer Weg sein wird, der sehr viel Anstrengung erfordert und noch lange nicht zu Ende ist. Die Bewertungskommission hat der Stadt eine ganze Reihe von Aufgaben gegeben, welche die Stadt in den nächsten Jahren abarbeiten muss, z.B. den Radverkehrsanteil auf zukünftig 30-35% zu steigern, die Qualität der Radverkehrsanlagen zu steigern, bestehende Radwege zu verbessern, Hindernisse für den Radverkehr wie z.B. Umlaufsperren abzubauen, die Wegweisung zu verbessern und so weiter.
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