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Würzburg
Gewöhnungsbedürftig: Indirektes Linksabbiegen für Radfahrer
In anderen Städten bereits praktiziert, hat jetzt auch Würzburg an einer Kreuzung diese Neuerung. Sie ermöglicht ein sichereres Abbiegen, viel Zeit dafür bleibt nicht.
Gewöhnungsbedürftig: Indirektes Linksabbiegen für Radfahrer       -  Grünes Licht für indirektes Linksabbiegen an der Kreuzung Friedrich Ebert-Ring/Am Studentenhaus. Für das sicherere Abbiegen der Radfahrer gibt's eine extra Aufstellspur.
Foto: Thomas Obermeier | Grünes Licht für indirektes Linksabbiegen an der Kreuzung Friedrich Ebert-Ring/Am Studentenhaus. Für das sicherere Abbiegen der Radfahrer gibt's eine extra Aufstellspur.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:14 Uhr

Revolutionäre Neuerung oder Schildbürgerstreich? Was nach einer längeren Vorbereitungszeit seit Dienstagmorgen endlich in Betrieb ist, hat schon im Vorfeld - vor allem in den sozialen Medien - für Wirbel gesorgt: Das sogenannte "indirekte Linksabbiegen" für Radfahrer an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Ring/Am Studentenhaus. Das ist in Würzburg bislang einzigartig, sieht der Straßenmarkierung nach kompliziert aus - und dürfte zumindest "gewöhnungsbedürftig" sein, wie Friedrich Schneider, Verkehrsexperte der Würzburger Polizei vermutet.         

 Was ist das Besondere am indirekten Linksabbiegen? Die Radfahrer fahren auf dem markierten Radstreifen aus der Jehuda-Amichai-Straße (entgegen der Fahrtrichtung dieser Einbahnstraße) geradeaus über die Kreuzung in Richtung der Straße Am Exerzierplatz. Diejenigen Radler, die an dieser Stelle nach links auf den Ebert-Ring einbiegen wollen, bleiben auf einem extra markierten Aufstellbereich neben dem Radstreifen stehen und warten, bis sie an der Ampel ein separates Grün-Signal bekommen und können so gefahrlos nach links abbiegen.         

Einsatz an "komplizierten Kreuzungen"

Klingt kompliziert, funktioniert aber bereits in vielen Städten wie in Düsseldorf, Gelsenkirchen, Hamburg, Berlin - oder Herford. Dort wird seit Sommer 2017 indirekt abgebogen und dort hat sich Friedrich Schneider von der Polizei informiert. Seine Erkenntnis: "Es funktioniert so weit." Im Vorfeld der Planung gab es einen Ortstermin und laut Auskunft der Stadt bestand "Einvernehmen mit der Polizei". Zudem habe der Radverkehrsbeirat, in dem unter anderem der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) vertreten sind, dem Novum zugestimmt.   

Gewöhnungsbedürftig: Indirektes Linksabbiegen für Radfahrer
Foto: Marina Weigand

Wie Thilo Wagenhöfer vom Würzburger ADFC-Vorstand gegenüber der Redaktion erklärt, sei für Radfahrer, die die Regelung nicht kennen, diese zunächst ungewohnt. "Aber nach der ersten Absolvierung des Abbiegevorgangs sollte es keine Schwierigkeit mehr bereiten."  Das ist die große Frage. "Man muss sehen, ob und wie es sich bewährt", kommentiert Hans-Jürgen Beck vom Radverkehrsbeirat die Neuerung. Diese werde nach Auskunft von Experten in vielen Großstädten wie etwa in Berlin seit Jahren praktiziert und kommt vor allem an "komplizierten Kreuzungen" wie jetzt eben am Ebert-Ring zum Einsatz.        

Der Redaktionstest: Kurzes Grün und enger Bogen 

Die Redaktion begutachtete vor Ort die Neuerung. Erster Eindruck: Die Radler dürfen sich beim Abbiegen nicht viel Zeit lassen, sie haben nur drei Sekunden lang "Grün". Redaktions-Praktikantin Kathrin Lang testete per Rad. Ihr Urteil: "Schön, dass die Radwege nach und nach ausgebaut werden. Das ist sicherer und stressfreier. Die neue Linksabbiegespur ist schön gemacht, leider muss man eine enge Kurve fahren, um über den vorgezeichneten Fahrradstreifen auf den Ebert-Ring zu kommen, sonst landet man auf dem Fußgängerüberweg. Steht nur ein einzelner Radfahrer an der Ampel, ist die zeitliche Taktung der Ampelschaltung wohl angemessen, bei mehreren Linksabbiegern könnte es gefährlich werden." 

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Nichts neues ist die Neuerung für Malte Meyn. "Ich weiß, wie's funktioniert." Der Student kennt das indirekte Linksabbiegen bereits aus anderen Städten - und probierte es gleich mal in Würzburg aus. Sein erstes Resümee: Bei mehreren Radlern sei die Aufstellspur möglicherweise etwas zu klein. "Und beim Linksabbiegen muss man einen sehr engen Bogen fahren, ist aber okay."     

Kurz vor der Freigabe: Erlaubtes Radeln entgegen Einbahnrichtung 

Malte Meyn und andere Radfahrer, die die Redaktion an der Kreuzung getroffen hat, finden vor allem eine weitere Neuerung "toll": Das Radeln entgegen der Fahrtrichtung in den Einbahnstraßen Peter- und Münzstraße auf der "Radachse Altstadt" Richtung Amichai-Straße und Ebert-Ring/Studentenhaus. Das praktizieren Radler dort zwar schon länger, doch jetzt wird es offiziell erlaubt. Zumindest bald. Wegen "Verzögerungen im Bauablauf in der Münzstraße", unter anderem fehlen noch Markierungen, müsse die "formale Öffnung" noch etwas warten, teilt das Rathaus auf Anfrage mit.     

Gewöhnungsbedürftig: Indirektes Linksabbiegen für Radfahrer       -  Warten auf Grün auf der neuen Spur fürs indirektes Linksabbiegen an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Ring/Am Studentenhaus.
Foto: Thomas Obermeier | Warten auf Grün auf der neuen Spur fürs indirektes Linksabbiegen an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Ring/Am Studentenhaus.

Der ADFC begrüßt die neue Regelung,  die seit vielen Jahren gefordert worden sei. Sicherheitsprobleme sieht Thilo Wagenhöfer nicht. Sollten sich trotzdem noch Probleme zeigen, könne "durch zusätzliche Markierungen, Schilder oder Wegnahme von Stellplätzen nachgebessert werden", so der ADFC-Vertreter. 

Radeln entgegen der Einbahnrichtung  gibt es in der Stadt schon häufiger, beispielsweise in der Semmel- oder Karmelitenstraße. "Und das funktioniert gut. Da gibt es keine Auffälligkeiten mit Unfällen", lautet die Bilanz vom Verkehrsexperten Schneider.   

 
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  • C. W.
    War ja absehbar, dass der Verein der Autofahrer wieder gegen die Radfahrer schießen muss. Ich geb einen aus, wenn endlich mal geschlossene Empörung über die schlechte Verkehrsführung und -sicherheit für Radfahrer in Würzburg herrschen würde. Oder wenn sich im gleichen Tenor über unfähige und gemeingefährliche Autofahrer erregt würde.
    Als Radfahrer wird man zu wenig wahrgenommen. Zu oft werden fähige Fahrradfahrer, die mit dem Tempo des Stadtverkehrs mithalten können, gefährlich überholt oder ausgebremst, weil das Hirn des gemeinen Autofahrers ein Fahrrad nicht als schnell einordnen kann. Und da sind wir beim Thema: Im Verkehr muss jeder aufmerksam und umsichtig sein. Der Radfahrer der kein Handzeichen gibt ist genauso problematisch, wie Fußgänger mit mangelnder Umgebungswahrnehmung und zu guterletzt Autofahrer mit mangelnder Um- und Vorsicht.
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  • R. Ö.
    Auf alle Fälle gehört die Kennzeichenpflicht für Fahrräder eingeführt, da wäre schon viel gewonnen und die Zwischenfälle mit Radfahrern würden rapide abnehmen!
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  • P. S.
    Viel wichtiger als eine indirekte Linksabbiegerspur wäre es, den Radfahrern mal wieder beizubringen beim Linksabbiegen auch Zeichen zu geben. Viele fahren einfach, oft noch ohne nach hinten zu schauen, links ab. Wenn der Autofahrer Pech hat und in dem Moment überholen will, erwischt er den Radfahrer, der das dann provoziert hat, also nicht Pech hat. Derartige Spuren sorgen leider dafür, dass Radfahrer noch häufiger das Zeichen geben "vergessen" - das gilt im Übrigen auch und im Besonderen auf Radwegen!!
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  • R. Ö.
    Da wird sicherlich öfter ein Radler platt gemacht, denn die fahren jetzt ja schon wie die Beklopften!
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  • A. F.
    Nach meinen Erfahrungen mit einem Großteil der Radfahrer hier in Würzburg, sowohl als Radfahrer selbst als auch als Autofahrer, behaupte ich mal:

    Die Markierung ist "für die Katz", da sich die wenigsten sich daran halten werden, die fahren eh über Rot.
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  • H. S.
    Das ganze Getue und Linienmalen bräuchte es nicht, wenn sich die Radfahrer wie Verkehrsteilnehmer verhielten und normal auf der Straße fahren würden. Es ging früher und es würde auch heute noch gehen. Voraussetzung ist natürlich ein Umdenken, ein Rückbesinnen, ein Beachten von Regeln. Aber eine zugegeben Minderheit nimmt sich Freiheiten heraus, verstößt bewusst gegen Regeln, lässt keine für sich gelten (Einbahnstr., Ampeln, Abbiegen, Halten, Nichtbenutzen von Radwegen, Fahren auf Fußwegen, ohne Licht, usw ). Gleichzeitig aber sollen alle anderen Rücksicht nehmen? Die Freiheit des einen hört dort auf, wo die des anderen damit eingeschränkt wird.
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  • S. K.
    seit wann halten Radfahrer an roten Ampeln??

    nausgschmissenes Geld ...
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • F. H.
    Die Radlerspuren welche in den letzten
    Wochen in Würzburg aufgemalt wurden
    sind stellenweise nicht nachvollziehbar.
    Zwischen zwei PKW/LKW Fahrspuren
    eine Fahrradspur - hier Sieboldstraße,
    Friedrich Ebert Ring - und die Fahrspur
    für KFZ auf ca. 2,8 Meter begrenzt
    ist für Omnibusse und LKW-Züge
    ein sehr schweres Hinderniss.
    Des weiteren in der Gneisenaustraße
    beiderseitig Radwege und in der
    Werner von Siemens Straße den
    Radweg auf die Straße zu verlegen
    ist nicht nachvollziehbar.
    Hier ist der Unfallschwerpunkt
    auf jeden Fall erhöht.
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  • W. K.
    Zitat MP: "Radeln entgegen der Einbahnrichtung gibt es in der Stadt schon häufiger,..."

    Ja, das habe ich erst am Sonntag gegen 19 Uhr in der Domerpfarrgasse neben der Sparkassenbaustelle erlebt, als mit ein dunkelgekleideter Radfahrer ohne Beleuchtung entgegen kam.
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  • U. S.
    @lausbua, das Schlimmste daran ist, dass man statt das fahren gegen die EBS zu ahnden und entsprechend mit (hohen wirklich spürbaren) Strafen zu belegen in den meisten Orten diese gefährlich Unsitte legalisiert hat indem man es per Schild erlaubte. So wird aus dem Verstoss gegen die StvO eine legale aber nicht minder gefährliche Aktion - nur hat nun bei einem Unfall oder einer Sachbeschädigung der Autofahrer den schwarzen Peter sprich die Strafe am Hals.
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  • S. B.
    Schön, dass sich die Mainpost so ausführlich dem Thema Radverkehr widmet.

    Wie im Artikel schon geschrieben, ist das indirekte Linksabbiegen in vielen anderen Städten schon länger üblich. Ich kenne das bereits aus meiner Studienzeit in Dortmund und München und die ist jetzt auch schon gute 10 Jahre her. Funktioniert völlig problemlos.

    Wer das für revolutionär oder gar einen Schildbürgerstreich hält, sollte sich dringend mal aus dem Mikrokosmus Würzburg heraus bewegen.
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