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Giebelstadt
Giebelstadt: Warum es sich lohnt, zur Feuerwehr zu gehen
Die Freiwillige Feuerwehr von Giebelstadt verteilt Löschwasser an die Haushalte, um auf einen drohenden Personalnotstand aufmerksam zu machen.
Löschwasser gab's diesmal nicht aus dem Schlauch, sondern aus der Mineralwasserflasche. Mit ihrer Aktion macht die Feuerwehr Giebelstadt auf den drohenden Personalnotstand aufmerksam und wirbt um Mitstreiter. Im Bild (von links) der Vorsitzende des Feuerwehrvereins, Patrick Schulze, Anwohnerin Karin Schmidt, Kommandant Michael Kramosch und Kreisbrandmeister Jürgen Fuß. 
Foto: Gerhard Meißner | Löschwasser gab's diesmal nicht aus dem Schlauch, sondern aus der Mineralwasserflasche. Mit ihrer Aktion macht die Feuerwehr Giebelstadt auf den drohenden Personalnotstand aufmerksam und wirbt um Mitstreiter.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:17 Uhr

Dass die Feuerwehr zu spät zu einem Brand kommt, weil sie nicht mehr genügend Leute hat, mag sich der Kommandant der Giebelstadter Wehr, Michael Kramosch, nicht vorstellen. Und doch könnte es in nicht allzu ferner Zukunft so weit kommen, sagt er. Die Zeiten, als es für die Burschen im Dorf fast selbstverständlich war, zur Freiwilligen Feuerwehr zu gehen, sind nämlich vorbei. Und auch wenn die Feuerwehr längst keine reine Männersache mehr ist und Frauen im Landkreis Würzburg inzwischen zwölf Prozent der aktiven Mannschaft ausmachen - mit steigender Tendenz - wird der Nachwuchs knapp. In Giebelstadt will man dem nicht länger tatenlos zusehen und hat sich auf eine originelle Werbeidee besonnen.

Samstagmorgen um zehn Uhr. Nach bestandenem Corona-Schnelltest rücken vom Feuerwehrhaus in der Ortsmitte rund zwei Dutzend Feuerwehrleute in die Siedlungsgebiete aus. Das Löschwasser, das sie mit sich führen, kommt - ganz gegen die branchenübliche Gewohnheit - nicht aus dicken C-Schläuchen, sondern aus handlichen Mineralwasserflaschen, die der örtliche Rewe-Markt für die Aktion spendiert hat. Jetzt beginnt das Klinkenputzen. 1500 Flaschen, die die Helfer zuvor mit einem Info-Etikett beklebt haben, und ein zugehöriger Handzettel wollen persönlich verteilt werden. Kein Haushalt soll unberücksichtigt bleiben. Die Botschaft ist unmissverständlich: "Hilf uns zu helfen und komm zur Feuerwehr".

Michael Kramosch, seit 28 Jahren Kommandant, spricht mit Blick auf die Personalsituation von einer drohenden Notlage. Auf gerade einmal 30 Aktive kann er derzeit bauen, und das, obwohl Giebelstadt in den zurückliegenden Jahren enorm gewachsen ist. Knapp 3500 Menschen wohnen inzwischen in der Kerngemeinde, weitere 2200 in den sechs Ortsteilen. 

Die Feuerwehr als selbstverständlicher Teil des Dorflebens

Während die Feuerwehr in den Ortsteilen noch ein wichtiger und selbstverständlicher Teil des Dorflebens ist, verliert sie diesen Status in Giebelstadt zusehends. Das hänge wohl auch mit der großen Zahl an Neubürgern zusammen, mutmaßt Kramosch. Von außen betrachtet, mutet die Feuerwehr vielleicht manchmal zu sehr als eingeschworener Haufen an, der lieber unter sich bleiben will, meint Kreisbrandinspektor Heiko Drexel. "Manche denken sogar, wir machen das beruflich", sagt er.

Mit diesen falschen Vorurteilen will die Giebelstadter Feuerwehr aufräumen. "Ich bin mir sicher, dass da viele dabei sind, die gerne zur Feuerwehr gingen, aber einfach Hemmungen haben, von sich aus auf uns zuzukommen", sagt Michael Kramosch. Deshalb wolle man den Spieß nun umdrehen und aktiv auf die Mitbürger zugehen.

"Ich bin mir sicher, dass da viele dabei sind, die gerne zur Feuerwehr gingen, aber einfach Hemmungen haben, von sich aus auf uns zuzukommen."
Michael Kramosch, Feuerwehr Giebelstadt

Doch was soll die Giebelstadter motivieren, ihre Freizeit für den ehrenamtlichen Dienst bei der Feuerwehr zu opfern? "Die Freude daran, anderen Menschen zu helfen, die Begeisterung für Technik und das Gefühl, zu einer guten Truppe zu gehören", antwortet Heiko Drexel. Und gerade für die Neubürger sei die Feuerwehr wohl der einfachste Weg, Giebelstadt kennenzulernen und schnell in der Dorfgemeinschaft Fuß zu fassen, ergänzt Kommandant Kramosch. Außerdem weist er darauf hin, dass in der Giebelstadter Kinder- und Jugendfeuerwehr bereits Kinder ab neun Jahren mitmachen können, um spielerisch die Feuerwehr kennenzulernen und - so seine Hoffnung - später der aktiven Wehr erhalten zu bleiben. 

Doch nicht nur für das Gemeinwohl, sondern auch die eigene Sicherheit und das private oder berufliche Umfeld könne man bei der Feuerwehr einiges hinzulernen, sagt Kreisbrandmeister Jürgen Fuß. So gehört die Ausbildung in Erster Hilfe genauso zum Standardprogramm der Feuerwehrausbildung wie der Umgang mit Feuerlöschern. "Durch die Ausbildung lernt man, auch in privaten Notfallsituationen ruhig und überlegt zu handeln", so Fuß. 

Dabei spielt das Feuerlöschen bei den rund 130 Einsätzen, zu der die Giebelstadter Feuerwehr im vergangenen Jahr gerufen wurde, längst nicht mehr die wichtigste Rolle. Die Statistik führen die "Helfer vor Ort" an, die bei medizinischen Notlagen ausrücken, um mit ihrer Sanitätsausbildung Patienten bis zum Eintreffen von Notarzt und Rettungswagen zu versorgen. An zweiter Stelle liegen technische Hilfeleistungen, etwa nach Verkehrsunfällen. Vor besonderen Herausforderungen steht die Feuerwehr Giebelstadt auch angesichts zweier Seniorenpflegeheime und einer wachsenden Zahl von Gewerbebetrieben, sagt Michael Kramosch.

Immer mehr Frauen bei der Feuerwehr

Beim jüngsten Kreisfeuerwehrtag bezifferte Kreisbrandrat Michael Reitzenstein den durchschnittlichen Rückgang der aktiven Einsatzkräfte bei den Freiwilligen Feuerwehren auf rund fünf Prozent jährlich. In den 113 Feuerwehren im Landkreis Würzburg waren zum Jahresende 2019 4066 Einsatzkräfte aktiv, darunter 497 Frauen. Zum Vorjahr ging die Gesamtzahl um 241 zurück. Zugleich bereiteten sich 244 Feuerwehranwärterinnen und 705 Anwärter auf ihren aktiven Dienst vor. Auch an diesen Zahlen wird deutlich, dass die Geschlechtergerechtigkeit bei der Feuerwehr längst Einzug gehalten hat. Während die Zahl der männlichen Nachwuchskräfte nämlich im Jahresvergleich um 83 zurückging, stieg die Zahl der Anwärterinnen um 66.

 
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