Selten zuvor floss so viel Theaterblut, selten zuvor fegten die Reiter so verwegen über die Geyer-Bühne, selten erhellten so viele Explosionen die Szenerie. Und doch hat jenseits allen Spektakels noch keine Inszenierung der Giebelstadter Geyer-Festspiele ihre Protagonisten so fein und facettenreich charakterisiert. Der Bauernkrieg von 1525 tobt wieder vor der Ruine des Geyer-Schlosses.
Es ist der dritte Teil des Vierteilers, zu dem Regisseur Renier Baaken die Geyer-Geschichte ausgebaut hat. Lange Recherchen über die historischen Hintergründe waren dem voraus gegangen. Das Ergebnis ist ein Florian-Geyer, wie ihn das Giebelstadter Publikum noch nicht erlebt hat. Nicht als den draufgängerischen Heerführer und Volkshelden, als den ihn Nikolaus Fey in den 1920er Jahren, von nationalistischem Geist durchdrungen, skizzierte, sondern als besonnenen Diplomaten, dem Gewalt erst dann als äußerstes Mittel geboten scheint, wenn Verhandlungen versagen.
Beutegier und Disziplinlosigkeit
Das führt Geyer in Konflikt zum radikalisierten Bauernhaufen, der die Unterdrückung durch Adel und Klerus am liebsten dadurch sühnen möchte, dass er Gleiches mit Gleichem vergilt, seinerseits Burgen plündert, Nonnen vergewaltigt und Klöster brandschatzt. Wie der Volksaufstand unter Disziplinlosigkeit und strategischem Unvermögen zu zerbrechen beginnt, steht im Mittelpunkt der Episode mit dem Titel „Der Herr des Zorns“, die am Freitag Premiere feierte.
Die neuen Aspekte, die Baaken in die Geschichte eingefügt hat, nehmen der Handlung ein wenig von ihrer dramaturgischen Dichte. Eine Schwäche, die von den souverän agierenden Hauptdarstellern und einem Strauß an Stunt-Szenen und pyrotechnischen Effekten mehr als ausgeglichen wird. Christian Grimm spielt die Rolle des Geyer ebenso überzeugend, wie sein Widersacher Wilhelm von Grumbach von Stefan Ebert verkörpert wird.
Götz von Berlichingens doppeltes Spiel
Auch Götz von Berlichingen (Leo Reuß) gibt neue und historisch durchaus belegte Charakterzüge preis, wenn er die Seiten wechselt und den Bauern seine Unterstützung anbietet. Nicht aus Überzeugung, sondern um am Ende, egal wie der Bauernkrieg ausgeht, auf der Seite der Sieger zu stehen. Angesichts solch komplexer Zusammenhänge macht sich einmal mehr der Erzähler bezahlt, in dessen Rolle Oliver Steiner das Publikum durch das Stück führt.
Trotzdem ist die wahre Historie nur das Fundament, auf dem Baaken seine Inszenierung aufgebaut hat. „Wir wollen keine Nachhilfestunde in fränkischer Geschichte geben, sondern unterhaltsames Sommertheater“, charakterisiert der Autor sein Werk. So lebt das Stück zu einem guten Teil von perfekt choreografierten Schwertkämpfen und hasardischen Reitszenen. Spätestens wenn Gerhard Leber in der Rolle des Truchsess von Waldburg mit seiner 1000 Kilogramm schweren Kaltblut-Stute Tiffany samt Gefolge im gestreckten Galopp über die Bühne jagt, wird klar, wie viel Können hinter dem Spektakel steckt.
Blutig um die Männlichkeit gebracht
Zu den unsichtbaren Hauptdarstellern gehört Feuerwerker Matthias Keller. Neben Dutzenden kleinerer Explosionen lässt er diesmal effektvoll einen Ziehbrunnen und den Eckturm der Ruine in die Luft fliegen. Aus anderen Gründen stockt den Zuschauern der Atem, wenn die Bauersfrauen, angeführt von der Schwarzen Hofmännin (Melanie Pfeffer) ihre blutigen Trophäen präsentieren. Den Wachen des Ludwig von Helfenstein hatten sie zuvor die Männlichkeit genommen. Dem Helfenstein selbst (Rüdiger Scheer) sollte es in der Spießgasse an den Kragen gehen.
Bösewichte von ihrer netten Seite
Alles in allem also nichts für zarte Gemüter. Auch nicht, als der Truchsess von Waldburg die Kanone auf die Bauern richten lässt und der dritte Teil der Geyer-Geschichte mit einem lauten Donner zu Ende geht. 80 Laienspieler und zwei Dutzend Helfer hinter und neben der Bühne versammeln sich auf der Bühne und genießen den langen Schlussapplaus. Den Zuschauern in den nahezu voll besetzten Rängen hat es gefallen. Viele von ihnen nehmen die Einladung wahr, mit den Darstellern anschließend noch bei einem Dämmerschoppen zusammen zu sitzen. Wie schön, dass sich auch die bösesten Bösewichte jetzt von ihrer wahren, ihrer netten Seite zeigen.
Festspiel-Vorsitzender Rüdiger Scheer ist froh über die gelungene Premiere und voll des Lobes für den Zusammenhalt in seiner Compagnie. Für Regieassistentin Sabine Schnurrer und die langjährige Souffleuse Monika Spruck gibt’s einen Blumenstrauß, für Regisseur Renier Baaken das obligatorische Paket Bocksbeutel. „Schon wieder Silvaner“, meint der spitzbübisch und wird dafür mit dem letzten Applaus des Abends belohnt.
Die weiteren Aufführungen sind am 20., 21., 27. und 28. Juli jeweils um 20.30 Uhr. Karten bei Schreibwaren Krenkel in Giebelstadt, den bekannten Vorverkaufsstellen oder unter www.florian-geyer-spiele.de.