zurück
Giebelstadt
Festspiele: Die unbekannten Seiten des Florian Geyer
Die Bauern stürmen gen Weinsberg. Die Gier nach Beute hat sie in Konflikt mit ihrem Anführer Florian Geyer gebracht. Foto: Gerhard Meißner
| Die Bauern stürmen gen Weinsberg. Die Gier nach Beute hat sie in Konflikt mit ihrem Anführer Florian Geyer gebracht. Foto: Gerhard Meißner
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:00 Uhr

Selten zuvor floss so viel Theaterblut, selten zuvor fegten die Reiter so verwegen über die Geyer-Bühne, selten erhellten so viele Explosionen die Szenerie. Und doch hat jenseits allen Spektakels noch keine Inszenierung der Giebelstadter Geyer-Festspiele ihre Protagonisten so fein und facettenreich charakterisiert. Der Bauernkrieg von 1525 tobt wieder vor der Ruine des Geyer-Schlosses.

Mit einem beherzten Sprung kann sich der Bauer vor der Explosion des Brunnens in Sicherheit bringen. Foto: Gerhard Meißner
| Mit einem beherzten Sprung kann sich der Bauer vor der Explosion des Brunnens in Sicherheit bringen. Foto: Gerhard Meißner

Es ist der dritte Teil des Vierteilers, zu dem Regisseur Renier Baaken die Geyer-Geschichte ausgebaut hat. Lange Recherchen über die historischen Hintergründe waren dem voraus gegangen. Das Ergebnis ist ein Florian-Geyer, wie ihn das Giebelstadter Publikum noch nicht erlebt hat. Nicht als den draufgängerischen Heerführer und Volkshelden, als den ihn Nikolaus Fey in den 1920er Jahren, von nationalistischem Geist durchdrungen, skizzierte, sondern als besonnenen Diplomaten, dem Gewalt erst dann als äußerstes Mittel geboten scheint, wenn Verhandlungen versagen.

Als Georg Metzlers Tochter Barbara (Sabine Schnurrer) ermordet wird, schwört der Vater blutige Rache.  Foto: Gerhard Meißner
| Als Georg Metzlers Tochter Barbara (Sabine Schnurrer) ermordet wird, schwört der Vater blutige Rache.  Foto: Gerhard Meißner

Beutegier und Disziplinlosigkeit 

Das führt Geyer in Konflikt zum radikalisierten Bauernhaufen, der die Unterdrückung durch Adel und Klerus am liebsten dadurch sühnen möchte, dass er Gleiches mit Gleichem vergilt, seinerseits Burgen plündert, Nonnen vergewaltigt und Klöster brandschatzt. Wie der Volksaufstand unter Disziplinlosigkeit und strategischem Unvermögen zu zerbrechen beginnt, steht im Mittelpunkt der Episode mit dem Titel „Der Herr des Zorns“, die am Freitag Premiere feierte.

Florian Geyer (Christian Grimm, l.) verzweifelt an der fehlenden Disziplin der Bauern unter der Führung  von Georg Metzler (Michael Hasslauer), Jäcklein Rohrbach (Michael Grimm) und der Schwarzen Hofmännin (Melanie Pfeffer). Foto: Gerhard Meißner
| Florian Geyer (Christian Grimm, l.) verzweifelt an der fehlenden Disziplin der Bauern unter der Führung  von Georg Metzler (Michael Hasslauer), Jäcklein Rohrbach (Michael Grimm) und der Schwarzen Hofmännin ...

Die neuen Aspekte, die Baaken in die Geschichte eingefügt hat, nehmen der Handlung ein wenig von ihrer dramaturgischen Dichte. Eine Schwäche, die von den souverän agierenden Hauptdarstellern und einem Strauß an Stunt-Szenen und pyrotechnischen Effekten mehr als ausgeglichen wird. Christian Grimm spielt die Rolle des Geyer ebenso überzeugend, wie sein Widersacher Wilhelm von Grumbach von Stefan Ebert verkörpert wird.

Mit rund 1000 Kilogramm Gewicht und Gerhard Leber im Sattel galoppiert Kaltblut-Dame Tiffany über die Geyer-Bühne. 13 Pferde und eine Ziege wirken in dem Stück mit. Foto: Gerhard Meißner
| Mit rund 1000 Kilogramm Gewicht und Gerhard Leber im Sattel galoppiert Kaltblut-Dame Tiffany über die Geyer-Bühne. 13 Pferde und eine Ziege wirken in dem Stück mit. Foto: Gerhard Meißner

Götz von Berlichingens doppeltes Spiel

Auch Götz von Berlichingen (Leo Reuß) gibt neue und historisch durchaus belegte Charakterzüge preis, wenn er die Seiten wechselt und den Bauern seine Unterstützung anbietet. Nicht aus Überzeugung, sondern um am Ende, egal wie der Bauernkrieg ausgeht, auf der Seite der Sieger zu stehen. Angesichts solch komplexer Zusammenhänge macht sich einmal mehr der Erzähler bezahlt, in dessen Rolle Oliver Steiner das Publikum durch das Stück führt.

„Wir wollen keine Nachhilfestunde in fränkischer Geschichte geben, sondern unterhaltsames Sommertheater.“
Renier Baaken, Regisseur und Autor

Trotzdem ist die wahre Historie nur das Fundament, auf dem Baaken seine Inszenierung aufgebaut hat. „Wir wollen keine Nachhilfestunde in fränkischer Geschichte geben, sondern unterhaltsames Sommertheater“, charakterisiert der Autor sein Werk. So lebt das Stück zu einem guten Teil von perfekt choreografierten Schwertkämpfen und hasardischen Reitszenen. Spätestens wenn Gerhard Leber in der Rolle des Truchsess von Waldburg mit seiner 1000 Kilogramm schweren Kaltblut-Stute Tiffany samt Gefolge im gestreckten Galopp über die Bühne jagt, wird klar, wie viel Können hinter dem Spektakel steckt.

Anzeige für den Anbieter Facebook Video über den Consent-Anbieter verweigert

Blutig um die Männlichkeit gebracht

Zu den unsichtbaren Hauptdarstellern gehört Feuerwerker Matthias Keller. Neben Dutzenden kleinerer Explosionen lässt er diesmal effektvoll einen Ziehbrunnen und den Eckturm der Ruine in die Luft fliegen. Aus anderen Gründen stockt den Zuschauern der Atem, wenn die Bauersfrauen, angeführt von der Schwarzen Hofmännin (Melanie Pfeffer) ihre blutigen Trophäen präsentieren. Den Wachen des Ludwig von Helfenstein hatten sie zuvor die Männlichkeit genommen. Dem Helfenstein selbst (Rüdiger Scheer) sollte es in der Spießgasse an den Kragen gehen.

Fotoserie

Bösewichte von ihrer netten Seite

Alles in allem also nichts für zarte Gemüter. Auch nicht, als der Truchsess von Waldburg die Kanone auf die Bauern richten lässt und der dritte Teil der Geyer-Geschichte mit einem lauten Donner zu Ende geht. 80 Laienspieler und zwei Dutzend Helfer hinter und neben der Bühne versammeln sich auf der Bühne und genießen den langen Schlussapplaus. Den Zuschauern in den nahezu voll besetzten Rängen hat es gefallen. Viele von ihnen nehmen die Einladung wahr, mit den Darstellern anschließend noch bei einem Dämmerschoppen zusammen zu sitzen. Wie schön, dass sich auch die bösesten Bösewichte jetzt von ihrer wahren, ihrer netten Seite zeigen.

Als Stunt-Choreografin und kampflustige Berta von Bruneck ist Ria Beinhölzl für die perfekte Kampfszenen verantwortlich. Foto: Gerhard Meißner
| Als Stunt-Choreografin und kampflustige Berta von Bruneck ist Ria Beinhölzl für die perfekte Kampfszenen verantwortlich. Foto: Gerhard Meißner

Festspiel-Vorsitzender Rüdiger Scheer ist froh über die gelungene Premiere und voll des Lobes für den Zusammenhalt in seiner Compagnie. Für Regieassistentin Sabine Schnurrer und die langjährige Souffleuse Monika Spruck gibt’s einen Blumenstrauß, für Regisseur Renier Baaken das obligatorische Paket Bocksbeutel. „Schon wieder Silvaner“, meint der spitzbübisch und wird dafür mit dem letzten Applaus des Abends belohnt.

Die weiteren Aufführungen sind am 20., 21., 27. und 28. Juli jeweils um 20.30 Uhr. Karten bei Schreibwaren Krenkel in Giebelstadt, den bekannten Vorverkaufsstellen oder unter www.florian-geyer-spiele.de.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Giebelstadt
Gerhard Meißner
Diplomaten
Kunst- und Kulturfestivals
Nikolaus Fey
Renier Baaken
Wilhelm
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top