Jedes Jahr ermöglicht die geriatrische Rehabilitation Tausenden betagter Menschen nach schweren Erkrankungen die Rückkehr in ihren gewohnten Alltag. Nicht nur die Patientinnen und Patienten profitieren davon, sondern auch das Sozialsystem, weil vielen so der Umzug in ein Pflegeheim erspart bleibt. Doch die Betreiber von Reha-Einrichtungen, unter ihnen die Arbeiterwohnfahrt (AWO) in Würzburg, beklagen die mangelnde Finanzierung und sehen die geriatrische Reha insgesamt infrage gestellt. Eine Kritik, die Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ernst nimmt. Am Freitag kam er nach Würzburg und besuchte die Geriatrische Reha-Klinik der AWO - gemeinsam mit der ehemaligen Sozialministerin Barbara Stamm (CSU), die als politische Wegbereiterin der geriatrischen Reha gilt.
Bereits 1996 war die Geriatrische Reha-Klinik in Würzburg, die heute 84 Betten und 190 Mitarbeitende hat, als eine von drei Modellkliniken in Bayern eröffnet worden. Seitdem ist die Zahl stationärer Reha-Plätze im Freistaat auf 2800 angewachsen. Doch das Problem der Unterfinanzierung plagt alle Betreiber gleichermaßen, sagt Chefärztin Dr. Kathrin Tatschner, die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Geriatrie.
Bürgerspital hat die stationäre geriatrische Reha bereits geschlossen
Annette Noffz, Stiftungsdirektorin des Würzburger Bürgerspitals, bestätigt dies. Das Bürgerspital hat zu Beginn der Corona-Pandemie seine stationäre geriatrische Reha mit 24 Plätzen geschlossen: "Wir würden gerne wieder aufmachen, aber es muss finanziert sein", sagt Noffz. Umso wichtiger sei der Erhalt der AWO-Klinik in Würzburg, sagt Chefärztin Tatschner. "Wenn wir auch noch schließen würden, hätten wir in der Region ein echtes Versorgungsproblem."
Rund 1000 Patientinnen und Patienten mit einem Durchschnittsalter von 82 Jahren werden in der AWO-Klinik pro Jahr nach schweren Erkrankungen stationär therapiert. 80 Prozent von ihnen können anschließend wieder in ihr häusliches Umfeld zurück.
Finanziert wird die Reha-Klinik über Tagessätze, die mit den Krankenkassen ausgehandelt werden. Aktuell liege dieser Tagessatz bei 235 Euro, sagt Klinikdirektor Andreas Zenker. Doch tatsächlich sei ein Tagessatz von 306 Euro nötig, um unter Einhaltung von Personalstandards und Tarifgehältern kostendeckend arbeiten zu können. Der AWO-Bezirksverband habe deshalb seit 1996 die Reha-Klinik mit 14,6 Millionen Euro aus Eigenmitteln querfinanziert, sagt Bezirksvorsitzender Stefan Wolfshörndl. Langfristig stelle sich deshalb die Frage, ob die Klinik weiterbetrieben werden kann.
Den volkswirtschaftlichen Nutzen der geriatrischen Reha hält Chefärztin Kathrin Tatschner für unbestritten, weil dadurch dauerhafte Pflegekosten vermieden würden. In der einseitigen Finanzierung über die Krankenkassen sieht Andreas Zenker einen "Systemfehler": Tatsächlich seien die Pflegekassen Nutznießer der Reha und müssten deshalb auch in die Finanzierung eingebunden werden.
Klaus Holetschek unterstützt die Forderung zwar, hält die Einflussmöglichkeiten der Politik allerdings für begrenzt: Kranken- und Pflegekassen würden der Selbstverwaltung unterliegen und deshalb eigenständig über die Verteilung und Erstattung von Kosten verhandeln, so der Minister in Würzburg: "Wir können zwar unseren politischen Willen kundtun, aber durchsetzen können wir nichts." Dass die Politik "zu viel an die Selbstverwaltung abgegeben" habe, meint deshalb auch Ex-Ministerin Barbara Stamm selbstkritisch und räumt Fehlentwicklungen ein: "Wir reden heute über Fehler, von denen wir bei der Einführung der Pflegeversicherung schon gewusst haben."
Als ersten Lösungsansatz schlägt die AWO einen Runden Tisch mit Vertretern von Reha-Einrichtungen, Kranken- und Pflegekassen vor. Barbara Stamm schlägt ein staatliches finanziertes Modellprojekt vor, um die ökonomischen Vorteile der Reha nachweisbar zu erörtern.
Es sei die richtige Zeit, um Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren, sagt Klaus Holetschek: "Wir haben durch die Corona-Krise eine Chance zu grundlegenden Veränderung, die wir nutzen müssen." Zugleich schränkte der Gesundheitsminister ein: Das Zeitfenster, das dafür zur Verfügung stehe, sei klein. "Und wir müssen dicke Bretter bohren."