
40 000 Briefe hat die WVV in den vergangenen Tagen an ihre Gaskundinnen und -kunden verschickt. Der Inhalt dürfte wohl keinen der Empfänger fröhlich gestimmt haben. Von einer "nie dagewesenen Ausnahmesituation auf dem Energiemarkt" ist da die Rede, es folgen Kostenschätzungen für die Gasjahresrechnung: die für das laufende Jahr, die für das kommende Jahr und dann eine Schätzung, wie viel bares Geld einzusparen ist, wenn man die gute Stube ein Grad weniger heizt. Auf Schätzungen, die bis zu 50 Prozent über der aktuellen Jahresrechnung liegen, kommen manche Kundinnen und Kunden in den Berechnungen der WVV.
"Wir erleben gerade viel Verunsicherung bei unseren Kunden", eröffnet WVV-Geschäftsführer Thomas Schäfer die Pressekonferenz von WVV, Stadt Würzburg und der Stadtwerke-Tochter Mainfranken Netze GmbH (MFN). Klar sei, dass die WVV an den Erhöhungen zum 1. November wird festhalten müssen – unabhängig davon, welche politischen Maßnahmen bis dahin entschieden sein werden. Stündlich ändere sich die Nachrichtenlage, doch bleibe die Sorge der Bürger, so Schäfer: "Viele fragen sich: Werden wir überhaupt genug Gas haben? Oder werden wir frieren?"
Es muss zwischen geschützten und nicht geschützten Kunden unterschieden werden
Ein kleines bisschen Entwarnung, zumindest für Privathaushalte und Betriebe kleinerer und mittlerer Größenordnung, kann Jürgen Söbbing, Geschäftsführer der MFN – der Netzgesellschaft für Strom-, Gas-, Wasser- und Fernwärme – geben. "Das Gesetz unterscheidet hier zwischen 'geschützten Kunden' und 'nicht geschützten Kunden'. Das ist meiner Meinung nach eine ganz wichtige Definition in dieser Diskussion."
Geschütze Kunden, das sind Haushalte, Betriebe, die weniger als 1500 Megawattstunden Gas im Jahr benötigen, und Gaskunden, die grundlegende soziale Dienste erbringen, etwa Gesundheitsversorger und soziale Einrichtungen und Fernwärmeerzeuger, die eben diese geschützten Kunden versorgen. Alle anderen Gaskunden fallen in die Rubrik der nicht geschützten Kunden, in der Regel große Industriebetriebe mit hohem Verbrauch.
Das passiert, wenn die Notfallstufe ausgerufen wird
Geschützte Kunden werden bei einer Gasmangellage zuletzt abgeregelt. Anders ist es für die nicht geschützten Kunden. Söbbing: "Wenn es zu einer Gasmangellage kommt, die Notfallstufe also ausgerufen wird, sind es zunächst diese nicht geschützten Kunden, die dann ihre Leistungen zurücknehmen müssen."
Im Netz der MFN verbrauchen diese Kunden aktuell 8-10 Prozent der Gasmenge, verteilt auf insgesamt 58 Gasabnehmer. "Sowohl Bundesnetzagentur als auch die MFN haben bereits vor Monaten mit diesen Gaskunden Kontakt aufgenommen, um zu checken, wo bei diesen Kunden Einsparpotential jeweils vorhanden ist", so Söbbing.
Kommt die Notfallstufe, kann über eine eigens gebaute Datenbank der Bundesnetzagentur schnell reagiert werden. Konkret könnte das etwa bedeuten, dass auf besagte nicht geschützte Gaskunden Einsparungsverfügungen zukommen. Aber selbst in dem Fall steht die Region noch einigermaßen gut da: "In Deutschland machen die 250 größten Gasabnehmer 30 Prozent der gesamten Gasbedarfs aus. Es gibt also im Fall der Fälle große Einsparmöglichkeiten bei wenigen sehr großen Gaskunden – ohne diese komplett abzuschalten." Kleinere nicht geschützte Kunden wären dann nicht sofort betroffen. Die MFN zieht daraus folgende Erkenntnis: "Das Ausrufen der Notfallstufe wird – nach aktuellem Stand – nicht direkt zu einem Handlungsbedarf für Würzburg führen", so Söbbing.
Wird es überhaupt zur Notfallstufe kommen?
Aber wird es soweit überhaupt kommen? "Aus technischer Sicht gibt es aktuell hier in Würzburg keinen Engpass. Wir bekommen das Gas, das wir benötigen. Aber: Wir kommen gerade auch erst aus dem Sommer", so Söbbing. "Bleibt die Frage, ob wir so durch den Winter kommen."
Mögliche Szenarien gäbe es viele. Damit es zu keinem Engpass kommt, müssten gewisse Rahmenbedingungen stimmen, so habe es die Bundesnetzagentur berechnet: "Wir brauchen etwa einen normal kalten Winter und keine Extremkälte. Wir brauchen eine bundesweite Speicherbefüllung von 95 Prozent zum 1. November. Aktuell sieht es danach aus, dass das klappen sollte. Aber auch die geschützten Kunden müssen einsparen, auf europäischer Ebene werden 15 Prozent angestrebt. Und wenn das alles passt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass geschützte Kunden kein Gas bekommen werden, aus unserer Sicht sehr gering."
Wen juckt es da schon, dass dann vielleicht im Februar überhaupt kein Gas mehr lieferbar ist? Seit wann denken wir langfristig?