Schon Ende Oktober soll die Expertenkommission Vorschläge machen, wie die hohen Gaspreise in Deutschland abgefedert werden könnten: Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gerade eingesetzt, soll das 21-köpfige Gremium aus Vertretern von Energiebranche, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Wissenschaft die Belastung für Unternehmen und Haushalte analysieren und Handlungsoptionen für die Bundesregierung entwickeln. Aus Würzburg wurde der 48-jährige Jurist Thorsten Müller in die Kommission berufen, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht.
Thorsten Müller: Die Berufung eines Juristen ist sinnvoll, da es nicht nur um Wirtschafts- oder Verteilungsfragen, sondern auch um Rechtsfragen geht. Am Ende müssen die Vorschläge der Kommission rechtlich umsetzbar sein. Dass die Stiftung Umweltenergierecht als gute Adresse angesehen wurde, um diesen Beitrag beizusteuern, freut uns sehr. Vielleicht wurde uns diese Rolle zugetraut, weil die Bundesregierungen über die Jahre immer wieder auf unsere Expertise zurückgegriffen haben.
Müller: Klar, das reale Problem drängt: Wir müssen sowohl Gas sparen und gleichzeitig viele Betroffene von den für sie viel zu hohen Gaspreisen entlasten. Das sind nicht nur Privatverbraucher, sondern auch Handwerker und Gewerbetreibende. Aufgrund der Breitenwirkung muss die Politik schnell handeln. Es wird ohnehin noch dauern, bis Maßnahmen gesetzlich umgesetzt sind und bei den Verbrauchern ankommen.
Müller: Grundsätzlich ja. Nur wenn ein Eingriff in Grundrechte erfolgt, muss der Staat einen Rechtfertigungsgrund haben. In dieser Sondersituation mit Knappheit und explodierenden Preisen dürften weitreichende Eingriffe zulässig sein. Andernfalls drohen massive Verwerfungen. Deshalb kann der Gesetzgeber eingreifen und hat wahrscheinlich einen relativ großen Spielraum. Könnten Unternehmen dadurch ihre Preise nicht mehr weitergeben, könnte eine staatliche Kompensationspflicht entstehen.
Müller: Richtig, wenn auch kein verfassungsrechtlicher. Profitieren sollen die Unternehmen, die langfristige Verträge beim Einkauf und beim Weitervertrieb von russischem Gas haben. Da ihnen der Import weggebrochen ist, müssen sie sich neu am Markt mit Gas eindecken. Viel teurer, als sie es bereits weiterverkauft haben. Diese Schieflage von Unternehmen aufzufangen, ist die Funktion der Gasumlage.
Müller: Wir haben das bisher nicht im Detail geprüft. Aber das Problem könnte darin liegen, dass die Einnahmen der Umlage dann dem Staat zugerechnet würden, was verfassungsrechtlich nur innerhalb enger Grenzen zulässig wäre. Es könnte sich dann um eine Sonderabgabe handeln, mit bestimmten Auflagen für die Verwendung.
Müller: Ja, die eigentliche Herausforderung ist keine rechtliche, sondern eine tatsächliche: Welche Effekte und Nebenwirkungen werden durch Eingriffe hervorgerufen? Der hohe Gaspreis hat eine Lenkungswirkung, die im Hinblick auf die notwendigen Einsparungen sinnvoll ist. Es gilt einen Weg zu finden, der die Verbraucher zum Gas-Sparen motiviert und sie gleichzeitig nicht überfordert. Wenn man allerdings die Gasumlage mehr als kompensiert, indem man die Mehrwertsteuer senkt – dann verpufft die Lenkungswirkung der Umlage ohnehin. Rechte Tasche, linke Tasche – man könnte auf beides, Umlage und Steuersenkung, verzichten.
Müller: Richtig. Deshalb steckt die größte Herausforderung, aber auch Lenkungswirkung zum Gas-Sparen im Marktpreis. Dessen Verteuerung wird viel höher ausfallen als eine mögliche Gasumlage. Das ist der eigentliche Hebel, der klar macht: Gas ist knapp, wir müssen sparen.
Müller: Deutschland und weite Teile Europas haben extrem davon profitiert, dass wir sehr günstiges Gas aus Russland bezogen haben. Das war Teil der Wirtschaftsordnung und Dekarbonisierungsstrategie der letzten Bundesregierungen. Dieses günstige Gas steht uns nicht mehr zu Verfügung, und allein dadurch steigen die Kosten.
Müller: Die Idee ist, die Kosten zu begrenzen, ohne die Einsparwirkungen der hohen Preise zu unterlaufen. Deshalb deckelt man nicht den Preis für den gesamten Verbrauch, sondern nur für einen bestimmten Anteil, der nur mit ungewünschten Härten einzusparen wäre. Für diesen wird ein sozial verträglicher Preis festgelegt und für die Gasversorger ein Ausgleich geschaffen. Für den Teil, den man einsparen kann und soll, bleibt der hohe Marktpreis bestehen und damit das Signal "es ist knapp, spar mich ein".
Müller: Das ist zu diskutieren. Möglicherweise wird es auf eine pauschale Festlegung von Mengen – zum Beispiel ein durchschnittlicher Haushaltsverbrauch – hinauslaufen, weil eine Ermittlung für jeden Haushalt kaum kurzfristig zu leisten ist. Ob eine solche Regelung treffsicher und gerecht ist, entscheidet sich auch daran, was hier zugrunde gelegt wird: der Ein-Personen-Haushalt oder die fünfköpfige Familie. Diesen Ansatz könnte man auch mit weiteren kombinieren, etwa mit Zuschüssen ab dem zweiten Mitbewohner oder zusätzlichen Einsparanreizen.
Müller: Das Recht kennt "geschützte Kunden". Dazu zählen die Verbraucher, die aus sozialen Gründen auf eine Gasversorgung angewiesen sind, neben Privathaushalten etwa auch Krankenhäuser oder Pflegeheime. Diese werden bei einem Engpass zuletzt abgeregelt. Das heißt aber nicht, dass hier nicht auch Einsparungen erforderlich wären. Man sollte es möglichst gar nicht erst zu der Entscheidung kommen lassen, wer das zu knappe Gas bekommt und wer nicht. Daher werden jetzt Maßnahmen zum Einsparen ergriffen, etwa mit einem Verbot, Swimmingpools zu beheizen oder den Heizvorgaben für öffentliche Gebäude. Erst wenn ein Notstand unmittelbar bevorsteht, muss priorisiert werden. Und dann scheint mir die vereinbarte Reihenfolge sinnvoll, zunächst die Industrie und erst dann die Privathaushalte einzuschränken.
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Was mich leider wieder bestätigt : " Wenn man wieder mal nicht weiter weiß , bilde einen Arbeitskreis " .
In den Rachen von Putin werfen?
Wir haben jedes Jahr über 25 Milliarden Euro an Russland für Erdöl, Erdgas und Kohle überwiesen. Um die 50% Erneuerbaren Energien durch Erdöl, Erdgas und Kohle zu ersetzen, wäre mindestens nochmal die gleiche Summe 25 Milliarden Euro JÄHRLICH notwendig. Macht nach Adam Riese in 25 Jahren Erneuerbaren Energien über 600 Milliarden Euro.
Und dann wäre das Erdöl, Erdgas und Kohle WEG und das Geld wäre WEG und dafür hätten wir eine noch GRÖSSERE Abhängigkeit von Erdöl, Erdgas und Kohle. Schlechte Idee
Da ist der Weg der Erneuerbaren Energien - den jedes Land mehr oder weniger schnell geht - wesentlich intelligenter mit mittlerweile Herstellungskosten von unter 10 ct/kWh
EU hat keine Sanktionen gegen Gaslieferungen gemacht. Russland hat Gas abgestellt.
Sie sind wirklich ein lustiges Kerlchen.
Wir verkaufen unsere Selbstachtung und Gewissen, trennen uns von NATO und EU - werden eine Vasallenstaat von Russland und stimmen zukünftig mit China ab, damit wir billiges Gas bekommen?
Dafür ist nicht mal die Linke oder die AfD zu haben.
"Wirtschaftsexperte Thomas Puls glaubt aber, dass diese Entwicklung [Kraftstoffe exportieren] nicht von langer Dauer ist. "Im Mai gab es schon einen deutlichen Rückgang. Und die indische Regierung hat Anfang Juni Exportsteuern erhoben, weil sie versuchen möchte den Kraftstoffpreis in Indien geringer zu halten. Deshalb denke ich, dass sich dieser Faktor weitgehend erledigen wird", erklärt Puls."
Sind Sie auch diese Meinung?
Sollten wir und Indien auf Dauer auf so ein Geschäftsmodell [fossile Energien] setzen? Bei Uniper hat es schon mal nicht geklappt.
PS: trotz hoher Kohlevorräte hat Indien bereits etwa 3x soviel Erneuerbaren Energien installiert wie Deutschland