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Würzburg
Würzburger Experte für Energierecht sagt, was auf die Gas-Kunden nun zukommen könnte
Kommt die Gasumlage? Teuer wird das Heizen auf jeden Fall. In die Kommission, die nun Vorschläge zur Abmilderung machen soll, wurde auch Jurist Thorsten Müller berufen.
Thorsten Müller ist wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, die vor elf Jahren aus der Universität Würzburg ausgegründet wurde. Der 48-jährige Jurist berät auch die Politik.
Foto: Silvia Gralla | Thorsten Müller ist wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, die vor elf Jahren aus der Universität Würzburg ausgegründet wurde. Der 48-jährige Jurist berät auch die Politik.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:17 Uhr

Schon Ende Oktober soll die Expertenkommission Vorschläge machen, wie die hohen Gaspreise in Deutschland abgefedert werden könnten: Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gerade eingesetzt, soll das 21-köpfige Gremium aus Vertretern von Energiebranche, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Wissenschaft die Belastung für Unternehmen und Haushalte analysieren und Handlungsoptionen für die Bundesregierung entwickeln. Aus Würzburg wurde der 48-jährige Jurist Thorsten Müller in die Kommission berufen, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht

Herr Müller, wie kommt die Bundesregierung auf Sie als Kommissionsmitglied?

Thorsten Müller: Die Berufung eines Juristen ist sinnvoll, da es nicht nur um Wirtschafts- oder Verteilungsfragen, sondern auch um Rechtsfragen geht. Am Ende müssen die Vorschläge der Kommission rechtlich umsetzbar sein. Dass die Stiftung Umweltenergierecht als gute Adresse angesehen wurde, um diesen Beitrag beizusteuern, freut uns sehr. Vielleicht wurde uns diese Rolle zugetraut, weil die Bundesregierungen über die Jahre immer wieder auf unsere Expertise zurückgegriffen haben.

Der Kommission bleibt bis Ende Oktober wenig Zeit, es muss schnell gehen.

Müller: Klar, das reale Problem drängt: Wir müssen sowohl Gas sparen und gleichzeitig viele Betroffene von den für sie viel zu hohen Gaspreisen entlasten. Das sind nicht nur Privatverbraucher, sondern auch Handwerker und Gewerbetreibende. Aufgrund der Breitenwirkung muss die Politik schnell handeln. Es wird ohnehin noch dauern, bis Maßnahmen gesetzlich umgesetzt sind und bei den Verbrauchern ankommen.

Man staunt, dass so starke Eingriffe in der Marktwirtschaft möglich sind. Darf der Staat Gaspreise verordnen?

Müller: Grundsätzlich ja. Nur wenn ein Eingriff in Grundrechte erfolgt, muss der Staat einen Rechtfertigungsgrund haben. In dieser Sondersituation mit Knappheit und explodierenden Preisen dürften weitreichende Eingriffe zulässig sein. Andernfalls drohen massive Verwerfungen. Deshalb kann der Gesetzgeber eingreifen und hat wahrscheinlich einen relativ großen Spielraum. Könnten Unternehmen dadurch ihre Preise nicht mehr weitergeben, könnte eine staatliche Kompensationspflicht entstehen.

Das war der Gedanke der Gasumlage.

Müller: Richtig, wenn auch kein verfassungsrechtlicher. Profitieren sollen die Unternehmen, die langfristige Verträge beim Einkauf und beim Weitervertrieb von russischem Gas haben. Da ihnen der Import weggebrochen ist, müssen sie sich neu am Markt mit Gas eindecken. Viel teurer, als sie es bereits weiterverkauft haben. Diese Schieflage von Unternehmen aufzufangen, ist die Funktion der Gasumlage.

Wenn sie nach der Uniper-Verstaatlichung überhaupt noch kommt. Könnte es einen rechtlichen Haken geben?

Müller: Wir haben das bisher nicht im Detail geprüft. Aber das Problem könnte darin liegen, dass die Einnahmen der Umlage dann dem Staat zugerechnet würden, was verfassungsrechtlich nur innerhalb enger Grenzen zulässig wäre. Es könnte sich dann um eine Sonderabgabe handeln, mit bestimmten Auflagen für die Verwendung.

Thorsten Müller und seine Stiftung begleiten die Energiewende in Deutschland aus rechtlicher Sicht.
Foto: Silvia Gralla | Thorsten Müller und seine Stiftung begleiten die Energiewende in Deutschland aus rechtlicher Sicht.
Wie sinnvoll ist es aus ökologischer Sicht eigentlich, den Gaspreis zu drücken? Spiegeln sich darin nicht die echten Kosten einer knappen Ressource?

Müller: Ja, die eigentliche Herausforderung ist keine rechtliche, sondern eine tatsächliche: Welche Effekte und Nebenwirkungen werden durch Eingriffe hervorgerufen? Der hohe Gaspreis hat eine Lenkungswirkung, die im Hinblick auf die notwendigen Einsparungen sinnvoll ist. Es gilt einen Weg zu finden, der die Verbraucher zum Gas-Sparen motiviert und sie gleichzeitig nicht überfordert. Wenn man allerdings die Gasumlage mehr als kompensiert, indem man die Mehrwertsteuer senkt – dann verpufft die Lenkungswirkung der Umlage ohnehin. Rechte Tasche, linke Tasche – man könnte auf beides, Umlage und Steuersenkung, verzichten.

Aber Gas wird auch ohne Umlage erheblich teurer.

Müller: Richtig. Deshalb steckt die größte Herausforderung, aber auch Lenkungswirkung zum Gas-Sparen im Marktpreis. Dessen Verteuerung wird viel höher ausfallen als eine mögliche Gasumlage. Das ist der eigentliche Hebel, der klar macht: Gas ist knapp, wir müssen sparen.

Haben wir zu lange in der trügerischen Sicherheit gelebt, dass Energie stets ausreichend vorhanden und bezahlbar ist?

Müller: Deutschland und weite Teile Europas haben extrem davon profitiert, dass wir sehr günstiges Gas aus Russland bezogen haben. Das war Teil der Wirtschaftsordnung und Dekarbonisierungsstrategie der letzten Bundesregierungen. Dieses günstige Gas steht uns nicht mehr zu Verfügung, und allein dadurch steigen die Kosten.

Deshalb soll es einen Preisdeckel für Gas geben. Wie könnte er funktionieren?

Müller: Die Idee ist, die Kosten zu begrenzen, ohne die Einsparwirkungen der hohen Preise zu unterlaufen. Deshalb deckelt man nicht den Preis für den gesamten Verbrauch, sondern nur für einen bestimmten Anteil, der nur mit ungewünschten Härten einzusparen wäre. Für diesen wird ein sozial verträglicher Preis festgelegt und für die Gasversorger ein Ausgleich geschaffen. Für den Teil, den man einsparen kann und soll, bleibt der hohe Marktpreis bestehen und damit das Signal "es ist knapp, spar mich ein".

Aber wie wird bestimmt, wieviel Gas ich kostengünstig verbrauchen darf?

Müller: Das ist zu diskutieren. Möglicherweise wird es auf eine pauschale Festlegung von Mengen – zum Beispiel ein durchschnittlicher Haushaltsverbrauch – hinauslaufen, weil eine Ermittlung für jeden Haushalt kaum kurzfristig zu leisten ist. Ob eine solche Regelung treffsicher und gerecht ist, entscheidet sich auch daran, was hier zugrunde gelegt wird: der Ein-Personen-Haushalt oder die fünfköpfige Familie. Diesen Ansatz könnte man auch mit weiteren kombinieren, etwa mit Zuschüssen ab dem zweiten Mitbewohner oder zusätzlichen Einsparanreizen.

Falls es im Winter doch zu einer Rationierung von Gas kommen sollte: Kann sie auch Privathaushalte treffen?

Müller: Das Recht kennt "geschützte Kunden". Dazu zählen die Verbraucher, die aus sozialen Gründen auf eine Gasversorgung angewiesen sind, neben Privathaushalten etwa auch Krankenhäuser oder Pflegeheime. Diese werden bei einem Engpass zuletzt abgeregelt. Das heißt aber nicht, dass hier nicht auch Einsparungen erforderlich wären. Man sollte es möglichst gar nicht erst zu der Entscheidung kommen lassen, wer das zu knappe Gas bekommt und wer nicht. Daher werden jetzt Maßnahmen zum Einsparen ergriffen, etwa mit einem Verbot, Swimmingpools zu beheizen oder den Heizvorgaben für öffentliche Gebäude. Erst wenn ein Notstand unmittelbar bevorsteht, muss priorisiert werden. Und dann scheint mir die vereinbarte Reihenfolge sinnvoll, zunächst die Industrie und erst dann die Privathaushalte einzuschränken.

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  • familie.diener@gmx.net
    Wir haben für vieles heutzutage Experten , welche aber in der Praxis nicht unsere Probleme lösen . Es werden viele Probleme und was alles zu beachten ist angesprochen , aber sinnvolle Lösungsansätze habe ich leider keinen gelesen .
    Was mich leider wieder bestätigt : " Wenn man wieder mal nicht weiter weiß , bilde einen Arbeitskreis " .
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  • Albatros
    Wahnsinn wie viele Experten dieses Land hat!
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  • thomashemmerich@web.de
    Genau das habe ich mir auch Gedacht. Egal zu welchem Thema, überall geben irgendwelche Experten ihren Senf dazu und trotzdem geht's mit unserem Land immer weiter abwärts.
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  • Meinungsvertreter
    Sie machen sich also lieber Untertan von Fossilen und damit abhängig von Putin. Interessant.
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  • Dieter@zellhoefer.de
    Schön wäre es, wenn die MP mit dem "Experten für Energierecht" mal das Vorgehen der Grundversorger erörtert, welche trotz Grundversorgungspflicht den Verbraucher in einen "Ersatzversorgungstarif" drängt. Das ist nämlich eine rechtliche Grauzone. Der Grundversorger hat nämlich seine Cash-Cow (Grundversorgungstarif) verloren...
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  • Meinungsvertreter
    Haben Sie eigentlich verstanden, was die Gas- und Strompreise gerade machen, warum der Staat darauf reagiert und dass das mit Planwirtschaft nicht wirklich etwas zu tun hat? Ansonsten auch hier wieder die Bitte an Sie nach konstruktiven Gegenvorschlägen, die wohl wie immer nicht kommen.
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  • Meinungsvertreter
    Der Scherbenhaufen ist entstanden, weil die unionsgeführten Regierungen in den letzten Jahrzehnten den Ausbau der Erneuerbaren verhindert haben und stattdessen hunderte Milliarden in Fossile subventioniert haben - bis heute. Ist halt dumm, wenn man nur auf ein Pferd setzt und das nicht mehr ins Ziel kommt.
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  • dietmar@eberth-privat.de
    "Man stelle sich nur mal vor, was man mit den hunderten Milliarden Euro, die wir mit der Subventionierung sinnloser Zufallsstromerzeuger verbrannt haben, alles hätte anstellen können."

    In den Rachen von Putin werfen?

    Wir haben jedes Jahr über 25 Milliarden Euro an Russland für Erdöl, Erdgas und Kohle überwiesen. Um die 50% Erneuerbaren Energien durch Erdöl, Erdgas und Kohle zu ersetzen, wäre mindestens nochmal die gleiche Summe 25 Milliarden Euro JÄHRLICH notwendig. Macht nach Adam Riese in 25 Jahren Erneuerbaren Energien über 600 Milliarden Euro.

    Und dann wäre das Erdöl, Erdgas und Kohle WEG und das Geld wäre WEG und dafür hätten wir eine noch GRÖSSERE Abhängigkeit von Erdöl, Erdgas und Kohle. Schlechte Idee

    Da ist der Weg der Erneuerbaren Energien - den jedes Land mehr oder weniger schnell geht - wesentlich intelligenter mit mittlerweile Herstellungskosten von unter 10 ct/kWh
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Bin auch auf ihre Lösung gespannt. Hoffentlich mehr als Hände in den Schoss legen und abwarten.
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  • Meinungsvertreter
    Alternativen zum russischen Gas und Öl. Das ist gerade aus.
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  • dietmar@eberth-privat.de
    "Unser Problem ist dagegen, dass wir kein billiges Öl und Gas aus Russland wollen."

    EU hat keine Sanktionen gegen Gaslieferungen gemacht. Russland hat Gas abgestellt.

    Sie sind wirklich ein lustiges Kerlchen.
    Wir verkaufen unsere Selbstachtung und Gewissen, trennen uns von NATO und EU - werden eine Vasallenstaat von Russland und stimmen zukünftig mit China ab, damit wir billiges Gas bekommen?
    Dafür ist nicht mal die Linke oder die AfD zu haben.
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  • dietmar@eberth-privat.de
    @Wirtschaftsexperte hentinger

    "Wirtschaftsexperte Thomas Puls glaubt aber, dass diese Entwicklung [Kraftstoffe exportieren] nicht von langer Dauer ist. "Im Mai gab es schon einen deutlichen Rückgang. Und die indische Regierung hat Anfang Juni Exportsteuern erhoben, weil sie versuchen möchte den Kraftstoffpreis in Indien geringer zu halten. Deshalb denke ich, dass sich dieser Faktor weitgehend erledigen wird", erklärt Puls."

    Sind Sie auch diese Meinung?
    Sollten wir und Indien auf Dauer auf so ein Geschäftsmodell [fossile Energien] setzen? Bei Uniper hat es schon mal nicht geklappt.

    PS: trotz hoher Kohlevorräte hat Indien bereits etwa 3x soviel Erneuerbaren Energien installiert wie Deutschland
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