Es klingt nach juristischem Klein-Klein, für Angehörige hat die Frage aber eine riesige Bedeutung: Darf die Justiz Fälle, bei denen ein Mensch zu Tode gekommen ist, per Strafbefehl – also ohne öffentliche Hauptverhandlung – zu den Akten legen? Ohne dass die Opferfamilien als Nebenkläger in einer Beweisaufnahme Gelegenheit bekommen, die Umstände der Tat zu erfahren? Walter Limbach ist das passiert: Im September 2019 starb seine Frau Susanne nach einem Verkehrsunfall bei Werneck (Lkr. Schweinfurt). Der Schuldige hatte 0,44 Promille Alkohol im Blut, das Amtsgericht Schweinfurt verurteilte ihn per Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe: 180 Tagessätze à 50 Euro. Bis heute quälen den 63-jährigen Witwer Limbach offene Fragen zum Tod seiner Frau. Also ging er im Februar an die Öffentlichkeit – und kann nun einen Teilerfolg verbuchen.
Nach der Berichterstattung dieser Redaktion hat das Schicksal Walter Limbachs aus Oberpleichfeld (Lkr. Würzburg) den Bundestag erreicht: Manuela Rottmann, Obfrau im Rechtsausschuss, will die Rechte der Nebenkläger stärken und wandte sich an die Bundesregierung. Die Grünen-Abgeordnete aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) wollte wissen, ob die Regierung "angesichts des Ausschlusses der Nebenklage im Strafbefehlsverfahren Reformbedarf" sehe. Denkbar wäre laut Rottmann zum Beispiel, dass Angehörige wie Walter Limbach einem "Wechsel ins Strafbefehlsverfahren" erst zustimmen müssten.
Justizministerium sieht keinen Handlungsbedarf
Im Justizministerium sieht man die Lage dagegen entspannt: Das schriftliche Strafbefehlsverfahren komme bei schweren Fällen wie vorsätzlichen Tötungsdelikten ohnehin nicht in Betracht, da die vorgesehene Mindeststrafe höher sei, als das Strafmaß, das per Strafbefehl verhängt werden darf. Und geht es wie im Fall Limbach um eine fahrlässige Tötung, "wird ein Strafbefehlsantrag oft schon deswegen ausscheiden, weil mit einem Strafbefehl maximal eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt werden kann, deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist", heißt es in einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt.
Rottmann bewertet die Argumentation der Bundesregierung kritisch. Es sei "bemerkenswert", dass man im Justizministerium davon ausgeht, dass es solche Fälle in der Praxis quasi nicht gebe. "Der Fall von Herrn Limbach zeigt aber: Das gibt es doch! Das hatte nur niemand auf dem Schirm, weil es wohl nur sehr wenige solcher Fälle gibt", so Rottmann.
Wie das Schweinfurter Gericht zu seiner Entscheidung kam
Im Justizministerium will man dennoch an der geltenden Regelung festhalten und betont: "Die Entscheidung über einen Strafbefehlsantrag ist eine abschließende Verfahrensentscheidung, die ausschließlich dem Gericht obliegt." Sie dürfe "nicht von der Zustimmung von Verfahrensbeteiligten" – wie Nebenklägern – "abhängig gemacht werden".
Im Fall Limbach seien die Staatsanwaltschaft und das Gericht "in einer eigenständigen Entscheidung" zu dem Schluss gekommen, dass es "nach Aktenlage nicht geboten" gewesen sei, eine Hauptverhandlung anzuberaumen, so Gerichtssprecher Thomas Fenner. "Der Sachverhalt war nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen ausreichend aufgeklärt, um eine Verurteilung mit dem im Strafbefehl ausgesprochenen Strafmaß zu rechtfertigen."
Welche Rolle spielte der Alkohol?
Bleiben die Fragen, die sich Walter Limbach und sein Anwalt Hanjo Schrepfer stellen: Warum kam es zu dem Unfall? Und welche Rolle spielte die Alkoholisierung des Unfallfahrers dabei? Auf Nachfrage der Redaktion antwortet Fenner, laut einem rechtsmedizinischen Gutachten habe es "keine ausreichenden Anhaltspunkte" gegeben, "dass der Unfall zweifelsfrei auf die nachgewiesene Alkoholisierung zurückzuführen gewesen wäre". Zur Klärung des Unfallablaufs sei zwar ein Sachverständiger hinzugezogen worden. "Auf die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens" sei allerdings verzichtet worden, "weil der Unfallablauf klar war". Zudem hätte laut Fenner ein solches Gutachten wohl nicht klären können, warum der Unfallfahrer das Fahrzeug von Susanne Limbach übersehen hat, als er kurz vor dem Zusammenprall nach links in einen Feldweg einbiegen wollte.
Frieden bringen diese Informationen Walter Limbach nicht. "Ich hätte angehört werden müssen", findet er. Den Schritt in die Öffentlichkeit bereut er dennoch nicht. Zwar seien die Traurigkeit und die Hilflosigkeit bei ihm und seiner Familie wieder aufgeflammt. "Ich habe mich aber sehr über das Mitgefühl, die Unterstützung und die vielen tröstenden Reaktionen gefreut", sagt er. "Ich bin allen dankbar."
Rottmann will Thema noch nicht zu den Akten legen
Auch Manuela Rottmann glaubt, dass Limbachs Schritt in die Öffentlichkeit richtig war. "Es lohnt sich, solche Fälle über die Presse, über eine Petition oder direkt über die zuständigen Abgeordneten bekannt zu machen." Sie wolle das Thema weiter verfolgen und das Gespräch mit Gerichten, Staatsanwaltschaften und "Kollegen aus anderen Fraktionen" suchen. Sie sei "sehr optimistisch", dass man für eine Reform der Gesetzeslage eine Mehrheit findet.
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Somit sind mildernde Umstände fehl am Platz.
wenn ich eine Reihe von Leuten um eine Stange Geld prelle, gehe ich 6 - 7 Jahre in den Bau, wenn ich dagegen einen Menschen vom Leben zum Tode befördere und dieser deshalb überhaupt kein Geld mehr verdienen kann, gehe ich mit einer Geldstrafe in den Freispruch auf Bewährung, und in manchen Fällen sogar auf puren Strafbefehl statt per Gerichtsverhandlung.
Kann man da nicht mal eine Normenkontrollklage erheben?
- dass man mit einem Strafbefehl davonkommen kann, wenn man den Tod eines Menschen verschuldet hat - das wäre m. E. in jedem Fall eine Hauptverhandlung wert.
- dass man mit einer Geldstrafe davonkommen kann, wenn man durch rücksichtsloses Verhalten im Umgang mit einem gefährlichen Gegenstand den Tod eines Menschen verschuldet hat.
- dass es auch noch als Fahrlässigkeit durchgehen kann, die erlaubte Geschwindigkeit um (mehr als) 100 % zu überschreiten - das gehört zwingend als Vorsatz definiert und alles was dadurch geschieht als billigend in Kauf genommen.
Verantwortung übernimmt doch unsereiner oft genug nur dann, wenn er für Verantwortungslosigkeit entsprechend in Regress genommen wird, oder?