Der Offizier im Hauptquartier der Dritten US-Infanterie-Division gleich am Eingang der Leighton Barracks war ein Riesenkerl. Er thronte an seinem Schreibtisch, hinter sich zwei Fahnen; neben ihm stand ein weiterer Soldat. Mit diesen Typen ist nicht zu spaßen, ahnte Ursula Vanselow, die zum Rapport erschienen war.
Ursula Vanselow, die heute Ursula Koch heißt und 88-jährig in der Sanderau wohnt, betrieb seit 1956 vier Friseursalons in den Leighton Barracks am Hubland: Herrensalons ("Barber Shop") im Offiziersclub und im Unteroffiziers-Club mit jeweils einem Angestellten, dazu einen großen Damensalon ("Beauty Shop") mit bis zu zwölf deutschen Friseurinnen und einen Herrensalon mit bis zu sechs Friseuren im langgestreckten Gebäude links hinter dem Tor in der Rottendorfer Straße.
Angst, die Konzession zu verlieren
Von dort hatte sie es also nicht weit zu jenem denkwürdigen Treffen im Hauptquartier gleich gegenüber – da wo heute das Steren-Seniorenwohnstift des Bürgerspitals steht. "Ich habe innerlich gezittert und hatte Angst, dass ich meine Konzession verliere und aus den Leighton Barracks rausfliege", erinnert sie sich. Sollte der Essig das Ende ihrer Erfolgsgeschichte am Hubland bringen?
Der Offizier wollte von ihr wissen, was es mit dem seltsamen Geruch im Beauty Shop auf sich hatte; eine Offiziersfrau habe sich beschwert. Beim Verdacht auf mangelnde Sauberkeit kannten die Amerikaner kein Pardon, das war allgemein bekannt. Ursula Vanselow erklärte ausführlich: Die Haarsauna, deren Wärme die Wirkung der Pflegemittel verstärkt, wurde mit Essigwasser betrieben. Und jede Menge Pflegemittel wollten die amerikanischen Kundinnen natürlich. Der Offizier war zufrieden.
"Ich glaube der hat sich im Stillen kaputtgelacht", sagt Ursula Koch rückblickend. Damals glaubte sie einen Moment lang, ihre gesamte Existenz als Managerin von vier Salons und die ihres Mannes, der im Hintergrund wirkte, sei in Gefahr.
Ins kalte Wasser geschmissen
1956 war das Angebot gekommen, die Salons in den Leighton Barracks gegen 25 Prozent vom Umsatz als Konzessionäre – gewerbesteuerfrei, mietfrei und heizungsfrei – zu betreiben. "Ich wurde gleich ins kalte Wasser geschmissen", erinnert sich Ursula Koch.
Die damals 22-jährige ausgebildete Hotelfachfrau ließ sich zur Friseurin umschulen, doch die Sprache bereitete ihr am Anfang beträchtliche Schwierigkeiten: "Ich hatte nur drei Jahre Englisch in der Schule. Wir konnten als Kinder ein oder zwei Lieder singen – das war alles." Ursula Koch ging auf die Abendschule: "Ich ließ mir erst mal sagen, was eigentlich Dauerwelle auf Englisch heißt."
Wenn sie sich nicht gerade über den Essiggeruch der Haarsauna beschwerten, waren die Amerikanerinnen meist nette Kundinnen, auch und gerade die aus Asien Stammenden, die selbst wenig Englisch konnten. Ganz anders dagegen die deutschen Offiziersfrauen. Ursula Koch: "Die haben mit meinen Friseurinnen kein Deutsch geredet. Die haben Englisch gesprochen, obwohl sie Deutsche waren."
Für die Arbeit in der amerikanischen Kaserne gab es unzählige Vorschriften, erinnert sich Ursula Koch, die für ihre Einhaltung zu sorgen hatte. Jede Kundin musste beim Betreten des Salons in ein Formular eingetragen werden, das sie am Schluss unterzeichnete. Ganz oben auf der Liste der Vorschriften aber stand die Hygiene: Die Taschen der Arbeitskittel der Friseurinnen hatten zugenäht zu sein – es hätte sich sonst ja ein gefährliches Bakterium darin verstecken können.
Regemäßig wurde die Sauberkeit überprüft
Und: Jede Kundin musste mit frisch gewaschener und desinfizierter Bürste und ebensolchem Kamm bedient werden. Für die vorgeschriebene Reinigung der Utensilien hatten die Amerikaner extra eine besondere Waschmaschine zur Verfügung gestellt.
Regelmäßig wurde die Sauberkeit überprüft. "Plötzlich kamen drei oder vier riesige Amerikaner in den Salon und haben überall Inspektion gemacht", sagt Ursula Koch. "Sie haben in die Schränke geguckt und hatten Spiegel dabei, wie bei der Drogenfahndung."
"Wiener Salon" erfreute sich großer Beliebtheit
In den 60-er Jahren eröffnete Ursula Koch zusätzlich einen Friseursalon in der Semmelstraße. Auch dieser "Wiener Salon" in der Innenstadt erfreute sich bei Amerikanerinnen großer Beliebtheit. Denn damals waren Perücken der letzte Schrei, die es hier, nicht aber in den Leighton Barracks zu kaufen gab. Die Kundinnen vom Hubland kamen auch noch, als der Salon in die Herzogenstraße umzog.
Doch nicht nur Frauen interessierten sich für künstliche Haarteile. Bevor er nach Ende seiner Dienstzeit in die USA zurückkehrte, erwarb mancher US-Offizier ein Toupet. Ursula Koch denkt gern daran zurück: "So ein Toupet hat 5000 bis 6000 Mark gekostet. Die haben das locker bezahlt, das Toupet in die Tasche gepackt und sind ab nach Amerika. Da ist das Geschäft geflutscht."