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Hubland
Hubland-Denkmal: Wie ein schrulliger Professor die Kartoffel nach Würzburg brachte
Philipp Adam Ulrich warb im 18. Jahrhundert für den Anbau von Kartoffeln. Ein barockes Denkmal im neuen Würzburger Stadtteil Hubland erinnert an ihn – man muss nur genau hinschauen.
Im Jahr 1964 stand das Kartoffeldenkmal inmitten des dichten Verkehrs, der über die Rottendorfer Straße durch die Leighton Barracks flutete.
Foto: Hans Heer | Im Jahr 1964 stand das Kartoffeldenkmal inmitten des dichten Verkehrs, der über die Rottendorfer Straße durch die Leighton Barracks flutete.
Roland Flade
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:32 Uhr

Ein Denkmal mit Maria, die um den toten Jesus trauert, im neuen Stadtteil Hubland, eine Steintafel an der linken inneren Seitenwand der Peterkirche, eine kurze Straße im unteren Frauenland – sie alle erzählen dieselbe Geschichte: die eines Würzburger Juraprofessors, der vor fast drei Jahrhunderten den Kartoffel- und Kleeanbau in Unterfranken populär machte und damit manche Hungersnot verhindern half.

Gegen Ende des vergangenen Jahres war der restaurierte Muschelkalksockel des sogenannten Kartoffeldenkmals schon zwischen der ehemaligen US-Turnhalle und dem Tower (heute Zweigstelle der Stadtbücherei) aufgestellt. Kurz vor Weihnachten 2021 wurde dann noch die Figurengruppe aus Sandstein – Maria mit dem toten Jesus auf dem Schoß – auf den Sockel gehoben.

Das kürzlich restaurierte Kartoffeldenkmal an der Rottendorfer Straße ist das Wahrzeichen des neuen Sinnesgartens auf dem Gelände der Landesgartenschau von 2018.
Foto: Roland Flade | Das kürzlich restaurierte Kartoffeldenkmal an der Rottendorfer Straße ist das Wahrzeichen des neuen Sinnesgartens auf dem Gelände der Landesgartenschau von 2018.

Von der Rottendorfer Straße aus sieht man, vorläufig noch hinter einem Bauzaun, das nun wieder komplette Denkmal und die Inschrift "Zum Andenken an Philipp Adam Ulrich, Lehrer der Rechte zu Würzburg". Früher stand an dieser Stelle die amerikanische Tankstelle; nach ihrem Abriss ist der Sinnesgarten als Teil der Terrassengärten entstanden, dessen Wahrzeichen das Kartoffeldenkmal ist.

Philipp Adam Ulrich lebte von 1692 bis 1748. Seine Begeisterung galt so sehr dem Ackerbau, dass er seine Lehrpflichten an der Universität Würzburg vernachlässigte und seine Vorlesungen – was damals möglich war – von einem Vertreter halten ließ. Ulrichs Herz schlug für die Landwirtschaft und für die Verbesserung der Lebensbedingen der einfachen Leute.

Für Ulrich waren die Äcker am damals noch unbebauten Hubland weit außerhalb der Stadt der ideale Ort, um seinen Zeitgenossen zu beweisen, dass der Anbau von Kartoffeln geeignet wäre, die Ernährung der Bevölkerung zu verbessern; auch dem Klee galt sein Interesse, denn dieser eignet sich, wie er erfolgreich demonstrierte, hervorragend als Viehfutter.

Bildstock aus der Werkstatt des Bildhauers Jakob van der Auvera

Am Hubland, direkt neben der heutigen Rottendorfer Straße, stand damals jener Bildstock mit Maria und Jesus aus der Werkstatt des Bildhauers Jakob van der Auvera, den der Würzburger Bürger Rossat und seiner Frau 1737 gestiftet hatten. Vor der Pieta soll der fromme Professor Ulrich für seine landwirtschaftlichen Innovationen auf den von ihm gepachteten, als unfruchtbar geltenden Feldern um Gottes Segen gebeten haben.

In seiner Biographie des Landwirtschaftspioniers Philipp Adam Ulrich druckte Franz Oberthür diesen Kupferstich ab. Er zeigt das Kartoffeldenkmal im frühen 19. Jahrhundert auf dem noch unbebauten Hubland. Neben der Fernstraße, die von Nürnberg nach Frankfurt führte (der heutigen Rottendorfer Straße), lagen die Felder Ulrichs.
Foto: Stadtarchiv | In seiner Biographie des Landwirtschaftspioniers Philipp Adam Ulrich druckte Franz Oberthür diesen Kupferstich ab. Er zeigt das Kartoffeldenkmal im frühen 19. Jahrhundert auf dem noch unbebauten Hubland.

Philipp Adam Ulrich pachtete zusätzlich den benachbarten Wöllrieder Hof und den Herleshof in der Nahe von Kolitzheim. Überall gediehen Kartoffeln und Klee, der als Futterpflanze für den vergrößerten Viehbestand diente; dieser wiederum hatte eine verstärkte Düngung der Äcker zur Folge.

Philipp Adam Ulrich wurde ein reicher Mann

Die landwirtschaftlichen Experimente bzw. der Verkauf seiner Produkte machten Philipp Adam Ulrich zu einem reichen Mann. Doch er wollte mehr als Geld verdienen. Ulrich hatte bewiesen, dass am Hubland und auf anderen angeblich kargen Äckern Kartoffeln wuchsen, aber er bewarb sie auch als Nahrungsmittel, was damals durchaus fortschrittlich war.

Die von Amerika nach Deutschland eingeführte Frucht war wegen ihrer Blüten zunächst nur als Zierpflanze in herrschaftlichen Gärten gezogen worden; höchstens als Viehfutter wollte man die Knollen gelten lassen. Einige Pflanzenkundler behaupteten sogar, Kartoffeln würden Lepra verursachen, weil die Knollen sie an die verstümmelten Hände von Leprakranken erinnerten. Ulrich zeigte, dass das Unsinn war.

Das Kartoffeldenkmal im April 2013. Fünf Jahre zuvor hatten die Amerikaner Würzburg verlassen, der Abriss vieler Gebäude der Leighton Barracks begann wenig später. Die Pieta aus Sandstein mit der um den toten Jesus trauernden Maria war zu diesem Zeitpunkt durch einen Glaskasten geschützt.
Foto: Roland Flade | Das Kartoffeldenkmal im April 2013. Fünf Jahre zuvor hatten die Amerikaner Würzburg verlassen, der Abriss vieler Gebäude der Leighton Barracks begann wenig später.

Philipp Adam Ulrich wäre trotz seiner unzweifelhaften Verdienste heute wahrscheinlich vergessen, wenn er nicht einen Bewunderer gehabt hätte, der alles tat, um das Gedächtnis an ihn wachzuhalten – sozusagen ein PR-Mann des 18. Jahrhunderts. Dieser Mann war Franz Oberthür (1745-1831), ein ebenfalls aufklärerisch wirkender Priester und Hochschulprofessor. Oberthür begründete das Berufsschulwesen in Würzburg, weshalb ein Berufsschulzentrum im Frauenland nach ihm benannt ist.

Pieta wurde 1819 zum Ulrich-Denkmal

Im Jahr 1784 veröffentlichte Oberthür eine Ulrich-Biographie, die später in einer erweiterten Fassung nochmals erschien. Doch Bücher können in Bibliotheken verstauben, wusste Oberthür; er wollte sichtbare Zeichen schaffen. Da kam ihm die Pieta des Ehepaars Rossat inmitten der ehemaligen Ulrich-Felder wie gerufen. Das Denkmal wurde 1819 auf seine Anregung hin auf einen höheren Sockel gesetzt, durch ein überdimensionales Kreuz vollendet und durch eine neue Inschrift sozusagen zum Ulrich-Denkmal umgewidmet.

Auf der Gedenktafel in der Peterkirche wird Philipp Adam Ulrich als wohltätigster Menschenfreund bezeichnet.
Foto: Roland Flade | Auf der Gedenktafel in der Peterkirche wird Philipp Adam Ulrich als wohltätigster Menschenfreund bezeichnet.

Den volkstümlichen Beinamen Kartoffeldenkmal erhielt es wohl auch, weil die von Ulrich propagierten Kartoffeln um diese Zeit, als Hungersnöte herrschten, das Schlimmste verhindern halfen. Wenn der Baustellenzaun entfernt ist, wird die Pieta am Rand des Sinnesgartens wieder für alle sichtbar an den Landwirtschaftspionier Ulrich erinnern. Eine großformatige Info-Stele aus der Zeit der Landesgartenschau erzählt daneben die Geschichte des Professors.

Darauf ist auch die Steintafel in der Peterkirche in der Münzstraße abgebildet. Diese Tafel ist Franz Oberthürs drittes Denkmal für Philipp Adam Ulrich. Eingeweiht wurde es am 10. November 1818 im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes. In der Peterkirche hatte Ulrich 101 Jahre zuvor geheiratet, doch seine Frau und die beiden Kinder des Ehepaars waren schon nach wenigen Jahren gestorben. Dies trug offenbar mit dazu bei, dass Ulrich ein schrulliger, aber ideenreichen Einzelgänger wurde.

Die Anregung zur Anbringung der Gedenktafel in der Peterkirche kam von Franz Oberthür. Dessen Ulrich-Biographie ist am Fuß der Tafel dargestellt.
Foto: Roland Flade | Die Anregung zur Anbringung der Gedenktafel in der Peterkirche kam von Franz Oberthür. Dessen Ulrich-Biographie ist am Fuß der Tafel dargestellt.

Viel später beschloss die Stadt Würzburg, die kurze Straße, die den Frauenlandplatz und die Seinsheimstraße verbindet, nach Philipp Adam Ulrich zu benennen. Auch die US-Tankstelle, die dem Sinnesgarten und dem Kartoffeldenkmal weichen musste, lebt übrigens – in Wort und Bild – weiter. An ihrer Stelle befindet sich seit Kurzem eine weitere Info-Stele, die nach dem Ende der Landesgartenschau eingemottet worden war.

 
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  • fabian-koenig@t-online.de
    Ein sehr interessanter Artikel, vielen Dank an Herrn Flade!

    Was ich noch toll fände, wäre, wenn bei dem Denkmal noch jenes Kreuz rekonstruiert werden könnte. Dann wäre es wieder komplett. grinsen
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  • torsten.schleicher@freenet.de
    @wiggins: Vielen Dank für Ihren Hinweis wegen der fehlenden Umlaute. Die Umlaute waren in unserem Redaktionssystem korrekt abgebildet, wurden aber offenbar bei der Publizierung auf mainpost.de nicht übernommen. Wir haben das korrigiert. Beste Grüße, Torsten Schleicher, Redakteur
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  • sepele
    Danke, wieder ein sehr interessanter und informativer Artikel, Herr Flade!
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  • daniel.englbauer@churchsol.de
    Dem schließe ich mich an. Ein wunderbares Stückchen Heimatgeschichte!
    Was mir noch fehlen würde: die allerlei Umlaut-Pünktchen über a, o, u im Text und eine Ergänzung der Straßenschilder in der Ulrichstraße. So viele SchülerInnen des ev.Gymnasiums und der David-Schuster-Realschule und Studis aus dem Ferdinandeum laufen da täglich entlang... Bildung en passant...
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  • Joachl1426
    In welcher Hinsicht war er jetzt schrullig? Die Biografie spricht für einen sehr vielseitigen und unermüdlichen Menschen, den auch persönliche Scgicksalsschläge nicht aus der Bahn warfen.
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  • Meinungsvertreter
    Schrullig bedeutet, dass man eigenwillig und zuweilen für andere befremdlich seine eigenen Prinzipien verfolgt. Ein Professor für Rechtslehre, der seine Zeit hauptsächlich für landwirtschaftlichen Experimente nutzte, kann man also durchaus als schrullig bezeichnen. Und im Gesamtkontext ist dieses „schrullig“ als positiv zu bewerten, nicht als Abwertung.
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  • e.wisur@gmail.com
    Interessanter und gut gemachter Bericht. Aber: "In der Peterkirche hatte Ulrich 101 Jahre zuvor geheiratet", da hat sich wohl ein Fehlerchen eingeschlichen..... grinsen

    Viele Grüße und einen schönen Sonntag noch.
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  • ralf.zimmermann@mainpost.de
    101 Jahre zuvor wäre 1717 - das passt zu den Lebensdaten Ulrichs.

    Herzliche Grüße und ebenfalls einen schönen Sonntag

    Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
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