Trotz der besonderen Umstände strahlen sie Optimismus aus und Lebensfreude, man spürt, dass sie Helden und Heldinnen sind, die die Hoffnung nicht verloren haben. Es geht um Nataliia Khlystova, Victoriia und Vitalii Overchenko, Olena Yegorova und Viktoriia Zaitseva. Sie alle verbindet das Schicksal des Ukraine-Krieges, der so viel Leid über die Bevölkerung gebracht hat und viele Familien auseinandergerissen hat. Sie teilen aber auch das Schicksal einer Krebserkrankung, unter der entweder sie selbst oder ihr Partner oder die Partnerin leidet. Deshalb leben sie momentan in Patientenwohnungen am Würzburger Universitätsklinikum, die dem Verein "Hilfe im Kampf gegen den Krebs e.V." von der Uniklinik zur Verfügung gestellt wurden.
So wird auch die 53-jährige Victoriia Overchenko wegen ihres Brustkrebses hier behandelt. Im April dieses Jahres floh sie von Kiew nach Deutschland. Ihr 27-jähriger Sohn blieb in der Ukraine, da wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 60 Jahren nicht ausreisen dürfen. Nun habe sie vier Chemotherapien hinter sich und 25 Bestrahlungen, erzählt sie. Unterkriegen lässt sie sich nicht. Und Weihnachten wird auch fernab von der Heimat gefeiert. Besonders freue sie sich darauf, an den Feiertagen online mit ihrem Sohn zu telefonieren.
Weihnachten nach dem julianischen Kalender
Weil die meisten Menschen in der Ukraine der orthodoxen Kirche angehören, wird Weihnachten eigentlich am 6. (abends) und 7. Januar gefeiert. Grund für die Abweichung sind unterschiedliche Kalender, die orthodoxen Christen berechnen das Fest nach dem julianischen und nicht wie bei uns nach dem gregorianischen Kalender. Sie feiern Christi Geburt also dreizehn Tage später.
Da es aber neben weiteren Religionen wie Judentum, Buddhismus oder Islam, auch evangelische oder katholische Christen in der Ukraine gibt, wird in manchen ukrainischen Familien sogar doppelt Weihnachten gefeiert, am 25. Dezember und am 6. Januar. So auch bei Victoriia Overchenko und ihrem Mann Vitalii. "Da mein Mann evangelisch ist, feiern wir jedes Jahr zweimal."
Olena Yegorova, die aufgrund einer Hautkrebserkrankung in der Würzburger Uniklinik behandelt wird, feiert Weihnachten in der Heimat immer von 6. auf den 7. Januar. Die 44-Jährige erklärt, dass in den Wochen zuvor in der Regel 40 Tage gefastet wird. In dieser Zeit soll auf Fleisch- und Wurstwaren sowie Milchprodukte verzichtet werden. Das diene dazu, den Körper zu reinigen, erklärt sie. Am Abend des 6. Januar "sobald der erste Stern am Himmel zu sehen ist" werde das Fasten gebrochen und die sogenannte "Wigilia" zubereitet, "zwölf Gerichte - für jeden der Apostel eines". Ähnlich feiert auch Viktoria Zaitseva. Die 29-Jährige wohnt mit ihrem schwer an Leukämie erkrankten Ehemann in der Patientenwohnung und vermisst gerade in diesen Tagen die Familie in der Heimat sehr.
Sehnsucht nach der Heimat
Ähnlich wie hierzulande werde der Heilige Abend mit der Familie verbracht, es gebe Geschenke und meist schon im Dezember werde ein Weihnachtsbaum aufgestellt und festlich geschmückt, erzählen die Ukrainerinnen. Olena Yegorova ist froh, dass es in Würzburg eine orthodoxe Kirche gibt, die sie besuchen kann, "da fühlt es sich nicht ganz so anders an". Denn anders - das spüren sie alle - ist dieses Weihnachten auf jeden Fall, fernab von der Heimat, mit den Eindrücken der Flucht und ohne viele der liebsten Menschen.
Für Nataliia Khlystova ist es zudem das erste Weihnachten ohne ihre Schwester Kateryna Petrash, die mit nur 38 Jahren Ende Juni auf der Palliativstation des Juliusspitals nach einer schweren Krebserkrankung starb. Seitdem lebt die 40-Jährige in Würzburg und wird - aufgrund mehrerer Krebsfälle in der Familiengeschichte - an der Uniklinik untersucht. Aber auch menschlich werde sie hier liebevoll aufgefangen.
Typisches Weihnachtsgericht: Kutja
Schön ist, dass die kleine Gruppe an der Uniklinik sich gegenseitig hilft und unterstützt, "ein bisschen wie eine Familie", beschreibt Viktoriia Overchenko. Gemeinsam mit Gabriele Nelkenstock vom Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V." wurde vor Kurzem ein Tannenbaum geschmückt und im Reuterhaus gab es eine kleine Weihnachtsfeier, "wo deutsche und ukrainische Speisen gekocht und zusammen verspeist wurden", so Nelkenstock. Gerne haben sich die Ukrainer und Ukrainerinnen auf Traditionen des deutschen Weihnachtsfestes eingelassen. Sehr lecker finden alle die Plätzchen, "das kennen wir in der Ukraine nicht", sagt Vitalii Overchenko. Auch das Rezept des Kartoffelsalats, der in Deutschland in vielen Familien am Heiligabend auf den Teller kommt, haben sie sich eingeholt. Weihnachtsmärkte und Glühwein gehörten indes auch in der Ukraine zu den Bräuchen.
Ein typisches Weihnachtsessen, das in der Ukraine - das bestätigen alle - nicht fehlen darf, ist das Gericht Kutja. Dabei handelt es sich um eine Süßspeise, deren wichtigste Zutat gekochte Weizenkörner sind. In der Ukraine, erzählt Nataliia Khlystova, werde dies traditionell als erstes Gericht der zwölf Speisen zubereitet und gegessen. Auch Sülze oder Teigtaschen mit verschiedenen Füllungen haben Tradition oder selbst gemachte Würste, berichten die Ukrainerinnen weiter.
Für den Heiligabend am 24. Dezember haben sich einige der Gruppe den Besuch eines Würzburger Gottesdienstes vorgenommen. Besonders freuen sich die an Krebs erkranken Menschen über ein "Geschenk" von Gabriele Nelkenstock: Von nun an wird Prof. Dr. Imad Maatouk - Facharzt für Innere und auch für Psychosomatische Medizin - mit ihnen regelmäßig ein Körpertraining abhalten, das wie der Arzt beschreibt "sowohl Körper und Geist zur Ruhe bringen kann" und somit mehr gleichzeitig mehr Lebensqualität bedeute.
Und diese können die Ukrainer und Ukrainerinnen in 2023 bestimmt brauchen. Ihre Wünsche fürs neue Jahr sind: "Gesundheit und, dass der Krieg endlich aufhört" - da sind sich alle sofort einig.