Es herrscht eine ausgelassene Stimmung vor und hinter der Bühne der Röttinger Frankenfestspiele, als die jungen Darstellenden mit Regieassistent Pascal Jounais die erste Szene proben: "Fechten ist eine Ehrensache, es ist kein Spiel", ermahnt der junge Ramon (Jonathan Ball) seinen Bruder und Antagonisten Diego (Celian Gronert). Dieser ist gerade in einen Fechtkampf mit der jungen Luisa (Marie Pflüger), seiner Herzensdame, verwickelt.
Seit dem 16. Juni läuft das Musical "Zorro" bei den Frankenfestspielen, zum letzten Mal am 20. und 21. August. Die packende Handlung um den Helden Zorro beginnt mit einer Episode aus dessen Kindheit, in deren Zentrum die beiden Brüder stehen. Die erste Szene sei sehr anspruchsvoll, sagt Jounais, denn sie gehe über mehrere Seiten. Außerdem spielen die Nachwuchskünstlerinnen- und Künstler allein auf der Bühne, bis der Stückvater Alejandro de la Vega, gespielt von Cyrus Rahbar, dazu tritt. Normalerweise haben Kinder bei einem Erwachsenentheater keine so großen und eigenen Szenen wie beim Zorro-Musical. Darauf sei Frederike Faust, Leiterin des Jungen Theaters der Frankenfestspiele, besonders stolz.
Während die Rolle der jungen Luisa mit Nachwuchskünstlerinnen vom Jungen Theater Emma Reißmann-Balling sowie Franzi und Marie Pflüger besetzt werden konnte, sei die Besetzung des jungen Ramon schwierig gewesen, so Faust: "Es mangelt an jungen Sängern". Deshalb habe sie für die Zweitbesetzung des Ramon bei Knabenkantoreien angefragt und mit Mischa Noll eine passende Besetzung gefunden. Im Backstagebereich erzählt Faust außerdem, dass es, anders als in größeren Theatern üblich, keine Souffleure gibt. Und deshalb, fügt Jounais hinzu, "muss der Text wirklich sitzen und das tut er auch".
Die schwierige Choreografie muss vor jedem Auftritt geprobt werden
Neben Musik und Tanz lebt das Stück lebt von den atemberaubenden Fechtkämpfen, die sich vor allem der spätere Held Zorro mit seinen Rivalen liefert. Den Szenen liegt eine schwierige Choreografie zugrunde, für die eigens der Fechtchoreograf Thomas Ziesch engagiert wurde. Vor jedem Auftritt müssen die Abläufe noch einmal geprobt werden, so Jounais. Das gilt für die Erwachsenen und die Kinder gleichermaßen, auch wenn die Nachwuchskünstler dabei statt mit einem Degen mit einem Holzstab agieren. Für Celian sei die Kombination aus Fechten und Spielen unproblematisch: "Wir fechten zu Hause und können alle Bogenschießen", erzählt er.
Anders dagegen verhält es sich für seine Kolleginnen, die Zwillinge Franzi und Marie Pflüger. Denn sie mussten das Fechten erst erlernen. Dass es ihre Rolle in sich hat, zeigt sich auch daran, dass etwa die Hälfte des Auftritts aus Fechtchoreografie besteht, wobei parallel dazu gesprochen wird. Die Rolle des jungen Ramon erfordert kaum Fechteinlagen. Dafür liegt sein Fokus auf dem Gesang. Und beide Ramon-Darsteller sehen sich auch mehr als Sänger denn als Schauspieler. Besonders eine Szene, bei der der junge Ramon allein und a cappella auf einem Gerüst stehend singt, erfordert viel Mut. Für Jonathan und Mischa, die bereits Soli auf Konzerten singen, sei das aber gut machbar.
Erfahrene Nachwuchsschauspieler
Seit 2019 ist Jonathan bei Musical Workshops vom Jungen Theater dabei und stand schon beim Musical Heidi als Sänger auf der Bühne. Trotz seiner Konzerterfahrung sei für ihn das Spielen mit den Profis anfangs sehr aufregend gewesen: "Sie sind ja erfahrener als wir, da fragt man sich schon mal, ob man gut genug ist". Celian dagegen finde es besonders lustig, mit den Erwachsenen auf der Bühne zu stehen, "weil man sieht, dass auch sie den Text vergessen oder mal durcheinanderkommen können". Die jungen Künstlerinnen und Künstler, die beim Erzählen selbst wie kleine Profis wirken, seien in der Regel nur vor den ersten Auftritten aufgeregt. Danach stelle sich eine gewisse Routine ein, "das nimmt die Aufregung", sagt Marie.
Mit dem Schulalltag sei die Probenarbeit gut vereinbar gewesen. Für die beiden Schwestern Pflüger war es allerdings am Anfang schwierig, weil sie noch für das Stück "Am Samstag kommt das Sams zurück" proben mussten, während die Proben für "Zorro" bereits begonnen hatten. "Aber ansonsten ist es nicht stressig", versichert Marie. "Wir proben normalerweise einmal die Woche", ergänzt Franzi. Auch einer der älteren Nachwuchskünstler vom Jungen Theater, Linus Seifert, kann das Proben mit der Schule gut vereinbaren. Er selbst spielt heuer beim Extra-Ensemble mit und steht praktisch durchgehend auf der Bühne: "Ich mache alles mit. Bühnenaufbau, Singen und Tanzen. Auch die teils schwierigen Tanzeinlagen machen mir Spaß".
Musicaldarstellerin als Berufswunsch
Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wird beim Musicaltheater deutlich. So wirkt Emmas Mutter Nicole Reißmann-Balling beim Extra-Ensemble mit. Auch deshalb sei es für Emma nicht allzu aufregend, mit den Großen auf der Bühne zu stehen. Außerdem spielt sie schon seit vier Jahren beim Jungen Theater. Zum Singen habe sie ihre Mutter gebracht. Ähnlich wie die beiden anderen Luisa-Darstellerinnen könne sie sich eine Karriere als Musicalschauspielerin vorstellen. Dass sie dazu das Zeug habe, bestätigt Frederike Faust direkt: "Emma hat zusammen mit Jonathan erst kürzlich beim Abschluss eines Musicalworkshops ein Konzert auf dem Schulhof der Grundschule Röttingen gesungen".
Der Jugendschutz will es, dass die jungen Darstellerinnen und Darsteller nicht ein ganzes Wochenende durchspielen dürfen. Deshalb müssen die Rollen mehrfach besetzt werden. Auch nach zehn Uhr dürfen sie nicht mehr auf der Bühne. Das finde Frederike Faust sehr schade, denn "sie dürfen nicht bei der Verbeugung am Schluss dabei sein". Aber sie könnten dem zweiten Akt zumindest als Zuschauer beiwohnen.
Die letzten der Aufführungen der Frankenfestspiele: "Zorro" am 20./21.8.; "Das Wirtshaus im Spessart" am 13./18./19.8. Karten unter www.frankenfestspiele.de oder Tel. (0 93 38) 97 28-55.