Nach dem schwachen Abschneiden bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im vergangenen Jahr sieht sich die Union schwierigen Wahlen in diesem Jahr gegenüber. Am Rande des CSU-Neujahrsempfangs in Würzburg hat diese Redaktion mit CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus darüber gesprochen, mit welcher Strategie die Union ins Wahljahr 2019 geht und ob die personelle Erneuerung der CDU auch ins Kanzleramt getragen werden sollte.
Frage: In diesem Jahr stehen die Europawahl und in Bremen, Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen an. Mit Ausnahme von Bremen steht derzeit bei der Union überall ein Minuszeichen in den Umfragen, in Brandenburg landet die CDU gar hinter der AfD. Hand aufs Herz: Haben Sie mögliche Verluste schon eingepreist?
Ralph Brinkhaus: Im Gegenteil: Wir haben sehr gute Chancen, bei allen Wahlen in diesem Jahr erfolgreich zu sein. Auch schon bei der Europawahl im Mai. Die CDU hat sich personell neu aufgestellt. Viele Gesetze, die das Leben der Menschen verbessern werden, sind gerade in Kraft getreten. Es wird mehr für die Familien, die Rentner und die Pflegebedürftigen getan, was den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt. CDU und CSU ziehen an einem Strang, was für unsere Wählerinnen und Wähler besonders wichtig ist. Ich bin optimistisch, dass 2019 ein gutes Jahr für die Union wird.
Sie haben mal gesagt, die Union müsse die Wähler zurückgewinnen, die an die AfD verloren gegangen sind. Damit stellt sich auch die Frage nach der programmatischen Ausrichtung der Partei. Also künftig doch weniger Merkel und mehr Merz?
Brinkhaus: Bei der Wahl in Hessen hat die CDU auch sehr viele Wähler an die Grünen verloren. Auch vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, sich an anderen Parteien zu orientieren. Wir müssen vielmehr die Bürgerinnen und Bürgern von unserer Politik überzeugen. Wir müssen unser eigenes Ding machen, unsere eigenen Akzente setzen. Wir wollen die Mitte der Gesellschaft weiter stärken. Hier müssen wir liefern– und das möglichst streitfrei.
CSU-Generalsekretär Markus Blume hat bei der Klausurtagung in Kloster Seeon gesagt, die Union müsse sich 2019 personell, programmatisch und strategisch erneuern. In welchen Bereichen muss die Union ihr Profil schärfen?
Brinkhaus: Die Union präsentiert sich schon heute personell ganz anders als vor einem Jahr. Und die Erneuerung geht ja noch weiter. Andere Parteien würden sich glücklich schätzen, wenn sie über so viel qualifiziertes Personal verfügen würden wie wir. Inhaltlich müssen wir weiter die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, der so schlecht nicht ist. Dabei müssen aber Schwerpunkte gesetzt werden. Ein wichtiges Thema ist für uns die Stärkung des Rechtsstaats. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf den Rechtsstaat verlassen können. Es gibt allerdings in einigen Bereichen Defizite. Diese müssen beseitigt werden. Es geht auch um die äußere Sicherheit. Deshalb muss auch die Bundeswehr besser ausgestattet werden. 2019 muss weiterhin ein Jahr werden, in dem sich die Politik noch stärker um Zukunftsthemen wie die Digitalisierung und künstliche Intelligenz kümmert. Die Union muss sich außerdem noch mehr der Umweltpolitik annehmen. Der erste Bundesumweltminister war Klaus Töpfer, und der kam von der Union. In den vergangenen Jahren ist das Thema bei uns dann aber ein bisschen verschütt gegangen.
Aber stecken CDU und CSU nicht letztlich in einer strategischen Klemme? Die Union hat viele Wähler aus dem rechtskonservativen Lager verloren. Will sie von dort Wähler zurückbekommen, verliert sie womöglich im liberal-konservativen Milieu. Und dort stehen dann die Grünen bereit, die sich hier und da ja schon als die cooleren Konservativen präsentieren.
Brinkhaus: Ich mag dieses Schubladendenken nicht. Das bringt uns nicht weiter. Es geht darum, den Menschen eine Politik anzubieten, die deren Sorgen und Bedürfnisse breit aufnimmt. Es gibt viele, denen das Soziale sehr wichtig ist. Andere legen den Fokus mehr darauf, dass die Wirtschaft vernünftig funktioniert. Als Union wollen wir all diese Interessen aufnehmen und zusammenführen. CDU und CSU sind Volksparteien. Darum sollten wir darauf achten, dass auch unterschiedliche Gesichter diese Interessen repräsentieren. Es geht nicht darum, die Union mehr nach links oder nach rechts zu verschieben. Am Ende des Tages muss die Union die Breite der Bevölkerung ansprechen. Gelingt das, werden wir Erfolg haben.
Mit der Breite hat das jüngst nicht so gut funktioniert: In Würzburg hat die CSU bei der Landtagswahl das Direktmandat an die Grünen verloren.
Brinkhaus: Die Misserfolge der Vergangenheit hatten auch hausgemachte Ursachen. Wir waren uns zu oft nicht einig. Deswegen war es ein sehr gutes Zeichen, dass die CSU-Spitze und Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt in Seeon den deutlichen Willen zu einer engen Zusammenarbeit gezeigt haben. Jetzt müssen wir den Menschen zeigen, dass wir überall an ihre Probleme herangehen. Für eine Volkspartei bedeutet das: Die Probleme im Würzburger Zentrum sind vielleicht andere als im Steigerwald, aber für die Menschen hier wie dort müssen wir ein Angebot haben.
Ist die in Seeon demonstrierte Einigkeit der beiden Schwesterparteien jetzt eher ein Burgfrieden oder zieht man auch inhaltlich wieder an einem Strang?
Brinkhaus: Nein, das ist kein Burgfrieden. Alle wissen, dass die Union nur geschlossen erfolgreich sein kann. Ohne Kritik an zuvor handelnden Personen zu üben: Es ist ja auch immer eine Chance, wenn neue Personen das Ruder übernehmen. Die können einen neuen Anfang machen. Ich glaube, der zukünftige CSU-Parteivorsitzende und die neu gewählte CDU-Vorsitzende werden gut harmonieren. In der Bundestagsfraktion war das Verhältnis zwischen den CDU- und CSU-Abgeordneten immer exzellent. Das möchte ich mit Alexander Dobrindt auch so weiterführen. Die Fraktion hat für die gesamte Union eine Vorbildfunktion.
Ihrem Vorgänger Volker Kauder wurde die Rolle eines Zuchtmeisters der Fraktion zugeschrieben. Was ist Ihr Amtsverständnis als Unionsfraktionschef?
Brinkhaus: Ich weiß nicht, ob diese Beschreibung zutreffend ist. Aber für mich ist auch klar: Der Star ist die Mannschaft! Wir haben sehr viele gute Leute, die öfter im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen sollten als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Man sagt Ihnen nach, dass Sie nichts gegen eine Wahl von Friedrich Merz zum Parteichef gehabt hätten. Wie klappt die Zusammenarbeit mit Annegret Kramp-Karrenbauer?
Brinkhaus: Ich habe mich in der Frage ganz bewusst immer neutral gehalten. Darum will ich Ihre Aussage auch jetzt nicht kommentieren. Annegret Kramp-Karrenbauer und ich haben uns schon in den ersten Wochen nach ihrer Wahl eng abgestimmt und so wird es weitergehen. Das klappt ganz hervorragend.
Die neue Parteichefin der CDU kann sich über steigende Umfragewerte freuen. Wäre das jetzt nicht eine gute Gelegenheit, möglichst bald den Generationswechsel auch im Kanzleramt zu vollziehen und die Erneuerung komplett zu machen?
Brinkhaus: Wir haben 2017 eine Bundestagswahl gehabt. Da war Angela Merkel unsere Spitzenkandidatin. Ich halte sehr viel davon, das Wählervotum zu respektieren. Deswegen wollen wir diese Legislaturperiode zusammen mit unserem Koalitionspartner zu Ende führen. Das ist der Plan.
Und was die Kanzlerkandidatenfrage betrifft: Ist Annegret Kramp-Karrenbauer gesetzt?
Brinkhaus: Den ersten Zugriff hat die Parteivorsitzende. Alles Weitere wird sich fügen.