Ihre Einführung wurde von vielen Seiten begrüßt, doch die Art der Umsetzung sorgt aktuell für viel Unmut: Die Rede ist von Corona-Selbsttests für Schüler. Vor kurzem gingen die Tests an den Schulen in die Erprobungsphase, nach den Ferien sollen sie regelmäßig durchgeführt werden und so für mehr Sicherheit für die gesamte Schulfamilie sorgen. "Die Bayerische Teststrategie für Schulen (…) sieht vor, dass (…) Schülerinnen und Schüler einmal wöchentlich die Möglichkeit erhalten, sich mittels Selbsttest auf das Coronavirus SARS-CoV-2 zu testen", heißt es aus der Pressestelle des Landratsamtes Würzburg. Es handle sich um solche Tests, bei denen mit einem Stäbchen eine Probe aus dem Nasenbereich entnommen wird. Die Tests würden vom Freistaat zur Verfügung gestellt.
Das Landratsamt sei in der vergangenen Woche mit den Selbsttests beliefert worden und habe diese zuerst an Schulen und Einrichtungen im Landkreis verteilt, die von Corona-Fällen betroffen sind. Am Montag, 22. März, seien die Tests dann flächendeckend an Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen ausgeliefert worden. Die Vorräte würden laut Pressemitteilung für zwei Wochen reichen. Und: "Es ist davon auszugehen, dass zeitnah weitere Lieferungen eintreffen."
Obwohl regelmäßige Selbsttests auch und insbesondere an Schulen als wichtiger Baustein im Kampf gegen Corona gelten, äußern sowohl Lehrer- als auch Elternvertreter in der Region Bedenken. Die Tests seien "in organisatorischer und hygienischer Hinsicht fragwürdig" meint die Lehrerseite; die Elternseite wiederum beurteilt den Vorstoß des Kultusministeriums als "völlig detailfrei und unrealistisch geplant".
Thomas Cimander hat in seiner Funktion als Personalratsvorsitzender für die Grund- und Mittelschulen im Landkreis Würzburg eine Stellungnahme zum Thema verfasst: "Mit großer Sorge verfolgen die Lehrkräfte an den bayerischen Schulen die Pläne des Kultusministeriums für die begleitete Selbsttestung von Schülerinnen und Schülern an den Schulen", heißt es darin. Das Testkonzept sei "komplett unausgegoren", kritisiert der Lehrer im Gespräch mit dieser Redaktion. "Hier wird eine hochbrisante Situation geschaffen, die für alle Beteiligten ein enormes Gefahrenpotenzial mit sich bringt."
Lehrer fragen, wer bei den Tests die Verantwortung trägt
In der Stellungnahme hinterfragt Cimander, wie es bei den Testungen um den Gesundheitsschutz bestellt ist: "Unter fragwürdigsten hygienischen Bedingungen sollen Lehrkräfte ohne Unterstützung durch medizinisches Personal bei einem Klassenverband von beispielsweise 25 Schülern einen Corona-Selbsttest mit Kindern ab sechs Jahren durchführen." Dabei sollen die Lehrkräfte lediglich eine einfache OP-Maske tragen, moniert der Lehrer – wohingegen Fachkräfte in Testzentren mit Schutzanzügen, FFP2-Masken und Plexiglasschildern ausgestattet seien.
"Lehrkräfte sind kein medizinisches Fachpersonal", betont der Personalratsvorsitzende. Auf einer Klassenfahrt dürften sie einem Kind nicht einmal eine Zecke entfernen – nun aber werde von ihnen erwartet, dass sie bei einer kompletten Klasse einen invasiven medizinischen Test begleiten, bei dem sich die Schüler mit einem Wattestäbchen ein Testsekret fachgerecht aus der Nase entnehmen sollen. Was passiert, wenn sich ein Kind dabei zum Beispiel verletzt oder kollabiert, fragt sich Cimander: "Wer übernimmt die Verantwortung für die Folgen?"
Schüler sollen die Tests selbst durchführen
Auch die Tatsache, dass sich die Kinder gleichzeitig im Klassenzimmer ohne Maske testen, sieht er kritisch: "Bei einer positiven Testung wären alle Beteiligten zwangsläufig Kontaktperson der Kategorie 1 und müssten in Quarantäne, was beispielsweise bei einer Testung der Kinder zu Hause hätte vermieden werden können", so Cimander.
Generell sollen sich die Schüler selbst testen können: "Im Gegensatz zu den bisher verfügbaren Antigen-Schnelltests für den medizinischen Gebrauch können die Selbsttests (…) grundsätzlich ohne weitere Unterstützung angewandt werden", heißt es aus dem Landratsamt. "Vorführen und Anleiten" sei die Devise, bestätigt Cimander, "die Lehrkraft soll nicht aktiv in die Tests der Schüler eingreifen."
Dass dies realistisch ist, bezweifeln Elternvertreter: "Der Glaube, dass (…) vor allem Erst- und Zweitklässler, fachlich korrekt und damit sinnvoll einen Nasentest durchführen können, bei dem der Wattestab zwei Zentimeter tief in die Nase gesteckt werden muss, um ihn anschließend korrekt der weiteren Testung zu unterziehen, ist mit gesundem Menschenverstand als sehr naiv zu bewerten", äußert sich der Gemeinsame Elternbeirat (GEB) Grund- und Mittelschulen Stadt Würzburg in einer Presseerklärung – auch wenn der GEB generell die Tests für und an Schulen begrüße.
Auch organisatorische Fragen blieben offen, so Thomas Ort, Vorsitzender des GEB: Wie sollen die Teststäbchen entsorgt oder bei positiven Fällen aufbewahrt werden? Das Einsammeln könne bei potentiell positiven Tests weder Schülern noch Lehrern zugemutet werden. Und: Wo und wann sollen die Tests stattfinden? Mit der Durchführung und Auswertung der Testung ginge zudem ein Teil der aktuell sowieso verkürzten Schulzeit verloren.
Auch die Handhabung der Selbsttests sei nicht ohne. "Das Zeitfenster, in dem man den Teststick an die Testflüssigkeit übergeben soll, ist sehr knapp, hier ist eine Stoppuhr nötig", schildert Thomas Ort seine privaten Test-Erfahrungen. Folgten Schüler nicht den Anweisungen oder hinkten hinterher, sei die Testung nicht aussagekräftig, befürchtet er. Zudem sei die Testflüssigkeit nach der Testung offen, so dass man beim Wiederverschließen ohne Handschuhe möglicherweise in Kontakt mit der eventuell kontaminierten Flüssigkeit komme. "Tests bringen Sicherheit, aber auch die Tests müssen sicher sein", bringt Lehrer Thomas Cimander die Problematik auf den Punkt.
Positiver Befund könnte schnell "Ortsgespräch" werden
Cimander sieht darüber hinaus ein weiteres großes Problem der Tests im Datenschutz: "Bei einer Testung im Klassenverband ist es kaum zu vermeiden, dass ein positiver Befund (…) die Runde macht und mit Hilfe der sozialen Medien auch schnell zum "Ortsgespräch" werden kann", schreibt er in der Stellungnahme des Personalrats. Cimander beurteilt dies als "schwerwiegende Verletzung des informellen Selbstbestimmungsrechts", also dem Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen – "von der damit verbundenen Stigmatisierung des Schülers ganz zu schweigen", so Cimander.
Eine Alternative könnten sogenannte Pool-Tests darstellen, die anonymer und leichter in der Handhabung sind. Mit diesen beschäftigt sich unter anderem auch ein interfraktioneller Dringlichkeitsantrag, der am 11. März in Würzburg in die Stadtratssitzung eingebracht wurde. Auslöser für den Antrag war ein Brief des GEB an den Stadtrat, in dem um Unterstützung bei den Tests im Schulbetrieb gebeten wurde – etwa durch die örtlichen Hilfsorganisationen. Die parteilose Stadträtin und Initiatorin des Dringlichkeitsantrags Christiane Kerner fordert "kinderfreundliche Tests" wie Spuck- oder Speicheltests im Mundraum, bei denen die Verletzungsgefahr geringer ist als im Nasenraum. Auch Fiebermessen bei den Kindern vor dem Betreten der Schule hält sie für eine sinnvolle Maßnahme.
Grundschule Höchberg holt sich Hilfe aus der Elternschaft
An den Schulen in Stadt und Landkreis bereitet man sich unterdessen auf die Selbsttests vor. "Die Schulleiter entwickeln individuelle Konzepte", sagt Cimander. An der Grundschule Höchberg führe zum Beispiel eine Krankenschwester aus der Elternschaft die Tests in gesonderten Räumlichkeiten durch.
Die Lehrerverbände hätten seit Beginn der Pandemie einen umfassenden Gesundheitsschutz an den Schulen durch die konsequente und konzertierte Umsetzung von Test-, Impf- und Hygienekonzepten unter Einbeziehung von medizinischem Fachpersonal gefordert. "Wir können uns dem Kultusministerium gegenüber erklären und Forderungen stellen", sagt Cimander. "Die Entscheidungen treffen aber letztendlich andere."
Ein Test in der Schule ist schlicht zu spät. Wenn in der Schule ein positiver Test vorliegt, dann hat das betroffene Kind schon den Schulweg (evtl. mit Busfahrt) hinter sich. Und eben den Kontakt mit den anderen Kindern während der „Gruppentestung“. Super Konzept!
Und was dann? Das „positive“ Kind wieder mit dem Bus nach Hause schicken? Verbietet sich … also von den Eltern abholen lassen… Und falls das aus irgendeinem Grund nicht möglich ist? Und wo isoliert man das „positive“ Kind bis zur Abholung (bis zu der evtl. Stunden vergehen?)
Sorry, aber „komplett unausgegoren“ trifft es wirklich sehr gut.
Schüler IN der Schule auf Corona testen … wer denkt sich so einen Humbug eigentlich aus?
Es ist besser als nichts.
Kinder sind keine dummen Schafe.
Und vielleicht können Lehrer bald auch wieder zecken ziehen.
Zudem ein Test in der Woche bringt nicht wirklich viel - gestern war zu lesen Lehrer und Beschäftigte dagegen 3x die Woche. Wo steckt hier die Logik?