Wütender Blick, schnelle Schritte, dann ein Schwinger nach vorne. Die drohenden Worte, denen ein zornig in Richtung der Kamera erhobener Zeigefinger folgt, wollen so gar nicht passen zur bunten mit Tibet-Flaggen bestückten Erscheinung des Mannes, der gerade noch damit beschäftigt war, ein Plakat von einem Schaufenster in der Würzburger Kaiserstaße zu reißen.
Weiße Haare, bunte Kleidung, Lastenrad: So kennt man Plakatierer "Börni", der mit seinem Image als exzentrischer Lebenskünstler in Würzburg zum Stadtbild gehört. Zusammengestoßen ist er nun mit Fabian Gebert, freiberuflicher Fotograf für die Main-Post, der nebenbei Vorträge organisiert und dafür wie viele Kulturschaffende auf inoffiziellen Plakatflächen mit selbst aufgehängten Plakaten wirbt. Diese Plakate werden laut Gebert regelmäßig von Börni heruntergerissen. Als er ihn Mitte Februar dabei beobachtet und gefilmt habe, sei er angegriffen worden.
Würzburger Kulturdachverband will "Verdrängung" nicht länger akzeptieren
"Das Vorgehen von Börni schädigt die Veranstaltungsbranche und die Kulturvielfalt in der Stadt", sagt Gebert. Ihm gegenüber habe Börni ein alleiniges Anrecht auf die umstrittenen Plakatierflächen in Würzburg beansprucht. Wer dort plakatieren wolle, so Gebert, müsse ihn beauftragen. Die Redaktion hat Börni mit den Behauptungen konfrontiert, dieser wollte dazu jedoch keine Angaben machen.
Mit seinen Vorwürfen ist Gebert nicht allein. Joachim Schulz, Betreiber der Posthalle, sowie Ralf Duggen und Sandy Rößer vom Dachverband freier Kulturträger berichten von ähnlichen Erfahrungen. "Beim Dachverband kennen wir die Problematik mit Börni. Bereits im Jahr 2016 hat sich gezeigt, dass viele unserer Mitglieder wegen dieser Verdrängung resigniert haben", sagt Sandy Rößer.
"Die Eskalation ist bedauerlich und absolut inakzeptabel", sagt auch Ralf Duggen, der in Würzburg kommerzielle Plakatflächen betreibt, sich aber in seiner Rolle als Dachverbands-Sprecher äußern will. "Wir haben wegen Börni irgendwann aufgegeben, in der Stadt zu plakatieren", sagt Posthallen-Betreiber Schulz. "Ich wünsche mir, dass die Stadt Würzburg beim geduldeten Plakatieren in der Würzburger Innenstadt für eine friedliche Koexistenz sorgt."
Wildplakatieren in Würzburg ist rechtlich genau genommen heikel
Diese Forderung ist heikel, denn genau genommen ist die nun für Konflikte sorgende Praxis des Plakatierens nicht immer legal. Es handelt sich um sogenanntes Wildplakatieren abseits der dafür vorgesehenen Flächen. Ob Baustellenzäune oder Schaufenster leerstehender Geschäfte – ein Plakat ist schnell aufgehängt und sofern sich niemand beschwert, ist auch nicht mit Konsequenzen zu rechnen.
Nach Angaben von Fabian Gebert und seinen Mitstreitern plakatiert Börni neben einigen privaten Auftraggebern sowohl für die Stadt Würzburg (Hafensommer und Jugendkulturhaus Cairo) als auch für das Mainfranken Theater auf diesen inoffiziellen Flächen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass dieser für die unterstellte Verdrängung indirekt von öffentlicher Hand bezahlt werde.
Auf Anfrage äußert sich Dirk Terwey, Geschäftsführender Direktor des Mainfranken Theaters, zu den Aussagen der Kulturschaffenden: "In Bezug auf unseren Auftragnehmer hat es in den letzten Jahren nach unserer Kenntnis bisher grundsätzlich keinen Anlass für Beanstandungen gegeben. Das ist für uns als öffentlicher Theaterbetrieb und Auftraggeber sehr wichtig." Nach Kenntnis des Mainfranken Theaters erfolge das Plakatieren stets in Abstimmung mit den Eigentümerinnen und Eigentümern. Die Äußerungen nehme er jedoch "sehr ernst und gleichzeitig zum Anlass, hier nachzufassen."
Stadt Würzburg: Verdrängungskampf schlecht für kulturelles Angebot
Die Stadt Würzburg widerspricht auf Anfrage der Behauptung, dass beim Wildplakatieren so etwas wie eine Duldung vorliege: "Soweit private Flächen genutzt werden, 'duldet' höchstens der Eigentümer die Anbringung. Solange es nicht schleichend zu einer (baurechtlichen) Werbeanlage wird, liegt für das Ordnungsamt der Stadt Würzburg keine 'Duldung' vor." Darüber hinaus dürfe "rein ordnungsrechtlich" lediglich auf dafür vorgesehenen Einrichtungen plakatiert werden.
"Das Kulturamt unterhält derzeit keinerlei geschäftliche Verbindungen mit Börni", hält Pressesprecher Christian Weiß fest. Die bestmögliche Bewerbung kultureller Veranstaltungen liege im Interesse des Kulturreferates. "Ein Verdrängungswettbewerb wäre negativ für das kulturelle Angebot der gesamten Stadt. Um in diesem Streit zwischen Kulturschaffenden und freiberuflichen Plakatierer zu schlichten, wird das Kulturamt zeitnah beide Parteien zu einem Gespräch einladen."
Wer zu liebenswürdig ist, der geht in harten Zeiten unter.
Daher will ich mir lieber gar nicht erst ausmalen, wie sich dieses Land wandeln könnte, wenn Dank Überschuldung, Firmenabwanderung und Massenarbeitslosigkeit einiges hier nicht mehr ganz so rosig wäre wie es derzeit beschworen wird.
Podcast "Freilich Würzburg": Ist Plakatierer Börni ein beneidenswerter Lebenskünstler?“ heißt es, dass Börnie von sich selber behauptet ein „arbeitsscheues Individuum“ zu sein und weiter „Er macht einfach das, worauf er Lust hat“. Dann ist es natürlich „doof“, wenn andere das Gleiche machen.