Einen Frauenmord, der 25 Jahre zurückliegt, will das Landgericht Stuttgart jetzt aufklären: Auf der Anklagebank sitzt seit diesem Mittwoch ein Mann, der 2007 in Würzburg schon einmal des Mordes an einer Frau angeklagt war. Damals war dem heute 70-Jährigen aber nur Totschlag nachweisbar. Er war deshalb zu zwölfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Es wird eine Gratwanderung für das Gericht unter Corona-Bedingungen - mit einem Angeklagten, der sich zum Prozessauftakt am Mittwoch wie vor 13 Jahren in Würzburg nicht zur Tat äußerte. 21 Verhandlungstermine sind eingeplant, 40 Zeugen schlägt die Staatsanwaltschaft für den Prozess vor. Erschwerend kommen Aussagen von Zeugen hinzu, die mittlerweile in den USA und Kroatien leben, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Die aktuelle Corona-Situation lege der Anreise zusätzliche Hindernisse in den Weg. Teile der Vernehmung sollen per Video erfolgen.
Trotz Corona: Zeugen aus USA und Kroatien werden gehört
Vor vier Jahren war der Verurteilte wieder auf freien Fuß gekommen und nach Hamburg gezogen, wo er in diesem Frühjahr verhaftet wurde. Der hoch verschuldete Ex-Manager hatte 2003 auch den Shell-Konzern erpresst und mit Anschlägen gedroht. Dabei war er gefasst worden. Die Straftat war in das Würzburger Urteil mit eingeflossen.
Der Mord an Brigitta J. liegt mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. Der Mörder und sein Opfer sollen sich nicht gekannt haben. Die 35-Jährige war am 14. Juli 1995 kurz vor Mitternacht auf dem Rückweg von der Arbeit, als sie nach Angaben der Staatsanwaltschaft mit mehreren Stichen in die Brust getötet wurde. Zur Tatzeit lebte der Angeklagte 13 Kilometer vom Tatort entfernt, im Kreis Böblingen. Der Mann war laut Stuttgarter Staatsanwaltschaft bereits 1995 ins Visier der Ermittler geraten. Zeugen wollten sein Auto in der Nähe des Tatorts gesehen haben. Die Ermittlungen damals liefen allerdings ins Leere.
DNA-Überprüfung führte auf die Spur
Als prophetisch könnten sich im Nachhinein die Worte des damaligen Ermittlungsleiters Gerhard Seele in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" erweisen. Der hatte sieben Monate nach dem Tod von Brigitta J. in der Fahndungssendung zu dem Fall gesagt: „Wir können nicht ausschließen, dass der Mann weitere Verbrechen begeht.“
Sechs Jahre später tötete der 2007 in Würzburg verurteilte Angeklagte eine hilfesuchende Anhalterin an der Autobahn zwischen Bayreuth und Schweinfurt.
Bei einer Überprüfung ungelöster Fälle im Jahr 2018 wurde eine 1995 am Körper des Opfers gesicherte DNA-Mischspur im Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamts Baden-Württemberg erneut untersucht. Nach molekulargenetischen Untersuchungen und neuen Ermittlungen führte die Spur dann in diesem Februar zu dem dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten.
Vom Ergebnis der nochmaligen Prüfung wurde die Familie der Getöteten völlig überrascht. "Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich die vollständige Akte kriege. Dann kam die Mitteilung, die neuerliche Überprüfung der Asservate und der DNA habe zu einem Treffer geführt", sagte der Anwalt der Nebenklage am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart.
Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es nicht Mord war, sondern Totschlag, könnte der Fall bereits verjährt sein. Der Prozess wird am 7. Oktober fortgesetzt.
Mit Material von dpa