Wieder ist Hartmut M. angeklagt, vor vielen Jahren eine Frau getötet zu haben. Diesmal steht er in Stuttgart vor dem Landgericht und sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, 1995 die Künstlerin Brigitta J. umgebracht zu haben. Motiv ist keines erkennbar, und das erinnert an den Fall 2007 in Würzburg. Damals war der Ex-Manager verurteilt worden, 2001 die Anhalterin Magdalena H. an der ungarischen Grenze mitgenommen und später getötet zu haben. Auch jetzt macht M. keine Angaben.
Zeuge recherchierte auf eigene Faust
Markant ist sein Blick, der Gänsehaut erzeugt: Wie auf alten Prozessbildern von 2007 sitzt er da, hoch aufgerichtet, und fixiert mit kalt wirkenden Augen jeden, der spricht – schon in Würzburg erinnerte das eine schaudernde Gerichtsreporterin an "eine Kobra, die gleich zustoßen will".
War dieses Gesicht das letzte, was die 35-jährige Brigitta J. sah, als der Mörder wild auf sie einstach? Damals war der US-Militärpilot Dennis B. zufällig am Tatort vorbeigekommen. Mitte Februar war der heute 68-Jährige im Stuttgarter Prozess per Video aus den USA zugeschaltet. Dabei schilderte er, wie er in Stuttgart am Abend des 14. Juli 1995 mit einem Kollegen in dem Gewerbegebiet an Täter und Opfer vorbeigefahren war. Sie hätten die zwei für ein streitendes Paar gehalten. Dann hätten sie gemerkt, dass die Frau in Gefahr sei und gewendet. Der Täter habe ihn durch die Autoscheibe angestarrt, etwas Unverständliches gemurmelt. Dann sei der Mörder mit dem Auto davongefahren.
In den Jahren nach der Tat war der längst pensionierte Zeuge Dennis B. mehrfach für Befragungen zur Kripo nach Deutschland gereist. Doch mit dem jetzt Angeklagten Hartmut M. war er nie direkt konfrontiert worden. Der präsentierte den Ermittlern nämlich schnell einen Biergartenbesuch als Alibi und geriet wieder in Vergessenheit.
Beim DNA-Abgleich gab es 2020 einen Treffer
Erst 2020 verglichen Ermittler in dem "Cold Case" eine am Tatort gefundene DNA-Spur. Dabei landeten sie einen Treffer bei dem Ex-Häftling, der gerade eine zwölfjährige Haftstrafe des Landgerichts Würzburg in einem Hamburger Gefängnis abgesessen hatte.
In der neuerlichen Videobefragung nahm der Zeuge den Angeklagten nur mit Mundschutz wahr. Bei einem alten Bild von Hartmut M. habe er zwar, laut "Schwäbischen Tagblatt", eine "große Übereinstimmung" mit dem Mann am Tatort erkannt. Ganz sicher klang das aber nicht.
Doch jetzt alarmierte er per E-Mail aus den USA das Gericht. Der Vorsitzende verlas die Nachricht am vergangenen Mittwoch laut Medienberichten in der Verhandlung: Der Zeuge habe auf eigene Faust im Internet recherchiert – und stieß auf Presseberichte dieser Redaktion und anderer Medien vom Prozess in Würzburg. 2007 war der heutige Angeklagte auf den Fotos gut zu erkennen. Anhand der Pressefotos identifizierte der Zeuge den Angeklagten eindeutig als den Mann, den er 1995 gesehen hatte und der Britta J. "abgeschlachtet" habe. Wörtlich zitierte der Richter aus der E-Mail: "Das ist verdammt nochmal der Drecksmörder."
Auch Auto wiedererkannt
Der Zeuge nennt auch einen Honda CRX als "Auto, das mit hundertprozentiger Sicherheit dem Wagen ähnelt, mit dem der Täter damals weggefahren ist". Hartmut M. hatte zu jener Zeit ein solches Modell in Schwarz gefahren.
Die Identifizierung wäre ein Fortschritt in dem Prozess, der sich seit vergangenem September dahinschleppt. Ein Vierteljahrhundert nach dem Mord sind viele Erinnerungen vage. Aus der Asservatenkammer sind wichtige Indizien verschwunden.
Wie Gerichtssprecher Johannes Steinbach bestätigte, sollen der Zeuge und sein damaliger Pilotenkollege am 17. März erneut per Video zugeschaltet werden. Dann sollen sie auch berichten, wie sie das Bild im Internet gefunden haben.