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Randersacker
Fischbesatz in Randersacker: Wie Niklas die Barben rettet
Früher zogen Barben in großen Schwärmen durch den Main. Die Fischerzunft Randersacker tut viel dafür, dass sich die Bestände wieder erholen.
Niklas entlässt junge Barben in die Freiheit des Mains. Seine Freundinnen Franka und Paula und Großonkel Hubert Holl schauen ihm dabei über die Schulter.
Foto: Gerhard Meißner | Niklas entlässt junge Barben in die Freiheit des Mains. Seine Freundinnen Franka und Paula und Großonkel Hubert Holl schauen ihm dabei über die Schulter.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:23 Uhr

Lange ist es her, dass Barben in großen Schwärmen den Main zwischen Ochsenfurt und Würzburg bevölkerten. Inzwischen zählt der stattliche Weißfisch aus der Karpfenfamilie zu den bedrohten Arten. Die Fischerzunft Randersacker will sich dem Artenschwund nicht kampflos geschlagen geben und hofft, mit dem Besatz von Jungfischen wieder eine stabile Population aufbauen zu können.

Wenige Zentimeter sind die Fischchen lang, die Niklas Thiel an diesem nebligen Morgen in die Freiheit entlässt. Seine beiden Freundinnen, die Geschwister Franka und Paula, schauen ihm dabei über die Schulter. Niklas ist fünf Jahre alt und jüngstes Mitglied der Fischerzunft. Sehr zur Freude seines Großonkels Hubert Holl. Der baut darauf, die lange Tradition des Fischerhandwerks an künftige Generationen weitergeben zu können. 

Holl erinnert sich an die Zeiten, als er so alt war wie Niklas und mit seinem Vater im Schelch fahren durfte. Die Barben seien damals noch der Brotfisch der Fischer gewesen, erzählt er. Erst später verschwanden Weißfische von den Speisezetteln, wohl wegen ihrer vielen Gräten, und machten anderen Arten wie Hecht, Zander oder Schleie Platz.

Fischsterben in den 1970er Jahren

Auch die Lebensbedingungen verschlechterten sich für den anspruchsvollen Wanderfisch. Die Kiesbänke, auf denen die Barben ihren Laich ablegen, damit er im strömungsreichen Wasser gut mit Sauerstoff versorgt wird, verschlammten, weil die Staustufen dem Main seinen natürlichen Fluss genommen hatten. Mitte der 70er Jahre kam es infolge der Verschmutzung entlang des Maindreiecks zu einem riesigen Fischsterben, von dem vor allem die Barben betroffen waren. "Wir haben einen Tiefschlag erlebt", erinnert sich Holl. "Tonnenweise sind Barben damals verendet."

Auf die Länge eines Fingers sind die jungen Barben seit dem Frühjahr herangewachsen.
Foto: Gerhard Meißner | Auf die Länge eines Fingers sind die jungen Barben seit dem Frühjahr herangewachsen.

Am Main zählt die Barbe zu den sogenannten Indikatorfischen, also jenen Arten, die für das Gewässer typisch sind. Trotzdem konnte die Barbe laut dem Fischzustandsbericht 2018 der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Bayern nur noch an 46 Prozent ihrer natürlichen Vorkommen angetroffen werden. Besonders auffallend ist der Schwund am Main und seinen Zuläufen, wo bei der Bestandserhebung nur noch Einzelexemplare nachgewiesen wurden.

Neue Laichplätze aufgeschüttet

Inzwischen hat sich die Wasserqualität erheblich gebessert. Und die Fischerzunft hat sich im Zuge des Mainausbaus dafür eingesetzt, auch den Lebensraum für die Barben aufzuwerten. So wurden unterhalb des Randersackerer Mainkraftwerks Stein- und Kiesbänke aufgeschüttet, um ihnen wieder Laichplätze zu bieten. Trotzdem wäre es ohne weiteres Zutun ein sinnloses Unterfangen, auf eine natürliche Erholung der Bestände zu hoffen. Warum, das erklärt Fischwirtschaftsmeister Matthias Schäffner vom teichwirtschaftlichen Beispielbetrieb des Bezirks Unterfranken in Maidbronn.

"Barben lassen sich schwer vermehren, deshalb können wir nur geringe Mengen nachzüchten."
Matthias Schäffner, Fischwirtschaftsmeister

Rund 5000 Eier pro Kilogramm Körpergewicht produziert ein geschlechtsreifes Weibchen, erklärt Schäffner. Beim Karpfen seien es bis zu 250 000. Die allermeisten der Jungfische fallen Fressfeinden zum Opfer. Nur die wenigsten erreichen ein Alter von drei bis vier Jahren, in dem sie selbst geschlechtsreif werden. Weil die Barben keine wirtschaftliche Bedeutung als Speisefisch haben, spiele ihre Nachzucht für gewerbliche Teichbetriebe keine Rolle, so Matthias Schäffner weiter. In diese Lücke springt der Teichbetrieb des Bezirks Unterfranken und züchtet gezielt bedrohte Arten für den späteren Besatz im Main nach.

Gezielter Besatz zeigt Erfolg

"Dass sich der gezielte Besatz lohnt, zeigen die Nasen", sagt Matthias Schäffner. Die stark gefährdete Art wird ebenfalls in Maidbronn nachgezüchtet. Durch den Besatz ist laut dem LfL-Zustandsbericht bei Randersacker wieder die größte Population entlang des Mains herangewachsen. Zunftvorsitzender Hubert Holl geht davon aus, dass sich die Nasen inzwischen wieder natürlich vermehren können.

Fischwirtschaftsmeister Matthias Schäffner mit den Barben, die im Teichbetrieb des Bezirks Unterfranken in Maidbronn herangezogen wurden.
Foto: Gerhard Meißner | Fischwirtschaftsmeister Matthias Schäffner mit den Barben, die im Teichbetrieb des Bezirks Unterfranken in Maidbronn herangezogen wurden.

Zur Nachzucht werden laichbereite Mutterfische und Männchen elektrisch gefischt. Die ins Wasser eingeleitete Spannung lähmt sie für eine kurze Zeit, die ausreicht, um ihnen den Rogen, also die Fischeier, und den Milchner, also das Sperma, abzustreifen. Die Fische überstehen die Prozedur unbeschadet. Anschließend werden die Eier mit dem Sperma befruchtet. 

Die Barbe stellt den Fischwirtschaftsmeister jedoch vor besondere Herausforderungen. Bei einer Wassertemperatur von exakt 15 Grad legt das Weibchen seine Eier ab. Weil sich der Main in diesem Jahr besonders früh erwärmt hatte, musste Schäffner in die Streu ausweichen, um laichbereite Mutterfische zu fangen. Erschwerend kommt die geringe Anzahl von Eiern hinzu. "Barben lassen sich schwer vermehren, deshalb können wir nur geringe Mengen nachzüchten", so Schäffner. 

Exemplare bis zu einem Meter Länge

Etwa 1000 junge Barben hat er mit nach Randersacker gebracht. Im Laufe des Jahres sind sie auf die Länge eines Zeigefingers und rund fünf Gramm Gewicht herangewachsen. Nach vier Jahren werden sie etwa 50 Zentimeter lang sein. Die größten Exemplare erreichen nach über zehn Jahren eine Länge von bis zu einem Meter.

Einige halbwüchsige Barben aus früherem Besatz hat Hubert Holl im Sommer im Umgehungsgerinne entlang der Staustufe Randersacker angetroffen. "Da hat mein Fischerherz höher geschlagen", sagt er. Holl gibt deshalb die Hoffnung nicht auf, dass sich die Bestände in den kommenden Jahren so weit erholen, dass auch die eine oder andere Barbe den Weg in den Kochtopf finden kann. "Barbe in Blausud ist ein Renner", weiß er. Ein Widerspruch zum Artenschutz sei es keineswegs, die Fische zu fangen und zu verzehren. Ganz im Gegenteil: Nur was man zu schätzen wisse, schütze man auch.

 
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