
Fangen wir mit ein paar Fragen an: Was ist eines der größten Familientreffen in Würzburg? Wie alt ist es? Und warum erfreut es sich - was bei Familientreffen nicht zwangsläufig der Fall sein muss - ziemlich großer Beliebtheit? Die Rede ist vom Internationalen Filmwochenende, das nächste Woche, vom 24. bis 27. Januar, im Central-Kino im Bürgerbräu wieder vor die Leinwand lädt - mit einer geballten Auswahl an Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus aller Welt, die man möglicherweise nie im Kino oder Fernsehen zu Gesicht bekommt. Und diese müssen einige Ansprüche erfüllen: sei es eine interessante Story, eine besondere Erzählperspektive, ein brisantes Thema, ein originelles Drehbuch. Dieses Prinzip funktioniert seit nunmehr 45 Jahren.

So alt ist mittlerweile das einzig größere Filmfestival in der Region, bei dem sich ein Mann der ersten Stunde wundert, dass es überhaupt noch existiert. "Ich bin begeistert, dass das Festival noch besteht. Es ist ein Wunder, bei der ganzen Arbeit, die da dranhängt", erzählt Arnold Schatzler. Der 82-jährige muss es wissen. Als langjähriger Leiter des Corso- und des City-Kinos war er dabei, als der mittlerweile verstorbene Meinhard Zumfelde, ein Student, 1974 das erste Filmwochenende im "City-Kino" veranstaltete - mit zwölf Filmen, die rund 1000 Zuschauer sehen wollten. Erst nach der Premiere gründete sich, wie sich Schatzler erinnert, die damals siebenköpfige Filminitiative, die seitdem das Festival veranstaltet.
Filminitiative sucht Familienzuwachs
Und wie schon vor 45 Jahren, wird die alljährliche Filmschau auch diesmal wieder rein ehrenamtlich organisiert. Nur, dass mittlerweile an vier Tagen gut 50 Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt werden, dazu Kurzfilmblöcke, Sonderreihen und - veranstaltungen wie eine Stummfilm-Matinee mit Livemusik, dazu gibt's Schulvorstellungen, die Filmparty, die Preisverleihung, die Betreuung der Gäste aus der Filmbranche und und und. "Das wächst uns in den letzten Jahren langsam über den Kopf", sagt Thomas Schulz. Schließlich müssen zudemim Vorfeld jede Menge Filme gesichtet werden, bis das Programm steht.

Der 57-jährige Lehrer ist seit 2003 bei der "Film-Ini" aktiv, seit fünf Jahren Festivalchef und wirbt mit einem Stellenangebot: Die rund 15-köpfige Cineasten-Truppe würde sich über neue Mitstreiter freuen. "Dass müssen nicht die absoluten Filmfreaks sein, aber zuverlässige Leute", sagt Susanne Bauer, die seit 16 Jahren mitmischt. Was dafür geboten wird? Bauer und Schulz werben mit "Arbeit in einem sympathischen Team" und einem hohen Spaßfaktor nach anstrengender Vorarbeit. "Wenn's mit dem Festival dann los geht, bist du auch richtig heiß drauf", schildert Bauer ihre Erfahrung. "Wie bieten sozusagen Familienanschluss", sagt Schulz.
Markenzeichen: das Gespräch mit Regisseuren
Stichwort Film-Familie. Das gilt nicht nur für die Macher, sondern auch für's Publikum. Neben der Neugier auf interessante und auch schräge Streifen, die man sonst nicht zu sehen bekommt ist es die "familiäre Atmosphäre", die auch für Festival-Urgestein und Filmberater Arnold Schatzler das Filmwochenende ausmacht.

"Man verabredet sich mit Freunden. Und man trifft dort immer Bekannte", bestätigt Brigitte Dorenkamp. Die Pharmazeutisch Technische Assistentin geht seit 20 Jahren zum Festival und steht für die vielen Stammbesucher. "Toll ist die Stimmung und toll ist auch, dass man auf Leute stößt, die richtig filmverrückt sind und sich auf ganz unterschiedliche Sachen einlassen", beschreibt die 59-Jährige den Reiz des Festivals. Zudem gefällt ihr, "dass man sich hinterher über den Film unterhält", beispielsweise im Festival-Treffpunkt "Maschinenhaus". Und gerne bleibt sie auch nach dem Abspann, wenn Regisseure oder Schauspieler mit dem Publikum über ihr Werk diskutieren - von Anfang an ein Markenzeichen des Filmwochenendes.

"Bis zu vier Filme am Tag" schaut Dorenkamp, hat auch schon mal Urlaub fürs Festival genommen. Als Musikbegeisterte ist für sie dieses Jahr die Stummfilm-Matinee ein Muss wie auch der Dokumentarfilm über den Musikwissenschaftler Alan Lomax ("Lomax in Eirinn"). Ihr persönliches Filmprogramm stellt sich Dorenkamp nach dem Studium der Festival-Bibel, des 180-seitigen Programmheftes, zusammen. "Man kann mit einem Film auch mal danebenliegen, aber das macht nichts, das Risiko kennt man." Sie geht auch häufig ins Programm-Kino Central. Doch wie Arnold Schatzler berichtet, "kommen zum Filmfest auch Leute, die ansonsten nicht ins Kino gehen."
Stargäste sind mittlerweile Mangelware
Und wer kommt zum Cineasten-Treff? "Das überwiegende Publikum sind die Ü-50er", weiß Festival-Chef Schulz. Verstärkt sind in den letzten Jahren auch wieder jüngere Zuschauer dabei. Was etwas fehlt, sind die 30- bis 40-Jährigen. Dass "man zum Festival geht", war übrigens nicht immer so, erinnert sich Schatzler. Anfangs schauten die Würzburger genau, was geboten wurde. "Da stand man unter Zugzwang, Filmprominenz einzuladen", an die sich auch Berthold Kremmler (74), seit 1976 bei der Filminitiative und über 20 Jahre Festivalchef, erinnert. So kamen "Hochkaräter" wie der im vergangenen November verstorbene Bernardo Bertolucci ("Der letzte Tango von Paris"), der eigentlich festivalscheue Regisseur Eric Rohmer (1983) oder die damaligen Jungstars Werner Herzog (1975) und Wim Wenders (1976) nach Würzburg.

Stargäste sind mittlerweile Mangelware, große Namen diesmal nicht dabei. Stattdessen kommen mögliche Stars von morgen: 25 Filmschaffende stellen ihre Werke vor. Dass auch die Gäste aus der Filmbranche "die familiäre Atmosphäre in Würzburg und die individuelle Betreuung" schätzen, weiß Festival-Chef Schulz. Und erinnert sich an einen besonderen Fall familiärer Annäherung: Eine schwedische Schauspielerin wollte eigentlich am Abschlusstag zurück in ihre Heimat fliegen, um dort einen Filmpreis entgegen zu nehmen. Doch am Abend davor lernte sie beim Filmwochenende einen finnischen Regisseur näher kennen. Sehr nahe. Sie verpasste ihren Rückflug.