Wie erkennt man, ob ein Film etwas taugt? Thomas Schulz, Vorsitzender der Filminitiative Würzburg, gibt die Frage an Julie Barthel weiter. Julie Barthel ist beim Internationalen Filmwochenende für das Kurzfilmprogramm zuständig.
Julie Barthel: "Ein Film muss in den ersten drei Minuten funktionieren."
Thomas Schulz: "Du meinst aber jetzt Kurzfilme, oder?"
Julie Barthel: "Nein, das gilt für jeden Film."
Thomas Schulz (überlegt einen Moment): "Stimmt, du hast recht. Wenn sich in den ersten drei, vier Minuten nichts tut, wird das auch später nichts mehr."
Natürlich schauen sich die Ehrenamtlichen der Filminitiative nicht immer nur die ersten drei Minuten eines Films an, bevor sie ihre Entscheidung treffen. "Wir schauen nicht analytisch", sagt Schulz. Aber neugierig machen sollten die Produktionen schon möglichst schnell – mit einer besonderen Einstellung, mit Atmosphäre, mit Ausstrahlung. "Wenn das aber klappt, schauen wir einen Film schon mal zu Ende. Oder gleich zwei oder drei Mal ganz."
Technisch perfekt, aber dünne Stories: Arbeiten von Filmhochschulen
Auf vier Säulen ruht die Programmplanung: Einreichungen (mit sinkender Bedeutung), Festivalbesuche, Tipps von (Ex-)Mitarbeitern aus vielen Ländern und vor allem das Online-Portal "Festival Scope". "Das ist derzeit unser Königsweg", sagt Thomas Schulz. Dort sei ein unglaubliches Spektrum einsehbar, es brauche allerdings einiges Gespür, um auf die interessanten Sachen zu stoßen. "Natürlich zeigen wir auch Filme, die später ins Kino kommen, aber unsere Hauptintention ist es, dem Publikum eine Auswahl aus der unbegrenzten weltweiten Kinoproduktion zu zeigen, die es nie im Kino oder im Fernsehen sehen wird."
Eher enttäuschend hingegen ist das Angebot der Filmhochschulen, findet Thomas Schulz. Technisch und formal seien die Arbeiten dank der neuen elektronischen Möglichkeiten hervorragend gemacht. "Aber die Stories sind meistens sehr dünn. Alles wird Bildsprache und Ästhetik untergeordnet." Künstler wie Edgar Reitz hingegen, Stargast beim 43. Filmwochenende 2017, hätten immer wieder gezeigt, wie man eine Geschichte erzählt. Und wie man filmische Mittel im Dienste dieser Geschichte einsetzt.
Als Beispiel für gelungene – minimalistische – Erzählperspektive nennt Schulz „Teret – The Load“ des serbischen Regisseurs Ognjen Glavonic im aktuellen Programm. Der Film spielt während des Kosovo-Kriegs 1999. Lkw-Fahrer Vlada transportiert seine Ladung durch ein Land, das immer wieder bombardiert wird. "Er weiß nicht, was er geladen hat, und er fragt auch nicht danach. Auch der Zuschauer erfährt es nicht. Das erzeugt ungeheure Spannung."
50 Spielfilme und 15 Dokumentarfilme (fünf mehr als sonst) haben es also ins Programm des 45. Internationalen Filmwochenendes vom 24. bis 27. Januar geschafft. Hinzu kommen zwei gemischte Blöcke mit Kurzfilmen, ein Block mit vier Kurzfilmen aus Jamaika und Arbeiten des (Kurzfilm-)Regisseurs Veit Helmer, darunter auch sein Spielfilmdebüt „Tuvalu“ und sein neuestes Werk „Vom Lokführer, der die Liebe suchte“. Dass ein Drittel mehr Dokumentarfilme als sonst gezeigt werden, führt Schulz auf eine regelrechte Blüte des Genres zurück, die sich auch darin zeige, dass Dokumentarfilme immer öfter in regulären Kinoprogrammen laufen.
Das Programm entsteht nicht nach thematischen Vorgaben
"Wir suchen nicht nach vorgegebenen Schwerpunkten aus. Das wird meistens ziemlich verkrampft", sagt Schulz. "Wir schauen hinterher, was da ist und wo sich möglicherweise Verbindungen ergeben." Diesmal laufen auffällig viele, nämlich etwa zur Hälfte, Spielfilme von Frauen und/oder zu Frauenthemen, was Schulz begrüßt. "Leider gilt das nicht für den Dokumentarbereich, das scheint immer noch eine Männerdomäne zu sein."
Eher unabsichtlich ergeben hat sich ein Schwerpunkt zum Thema Suizid. Mit "Blind Spot" aus Norwegen, in dem die Mutter einer Teenagerin mit deren völlig unerwartetem Selbstmordversuch zurechtkommen muss. "Ein beeindruckender Film", sagt Thomas Schulz, "aber schwer zu ertragen." Mit "Das Leben vor dem Tod" aus der Schweiz, in dem Armin beschließt, seinem Leben mit 70 ein Ende zu setzen und das dann auch tut. Und mit dem Dokumentarfilm "Bruder Jakob, schläfst du noch?" aus Österreich, in dem sich vier Brüder auf den Weg machen, um den Suizid ihres fünften Bruders verstehen zu lernen.
Filme zu LGBT-Themen (also von, über oder mit Schwulen, Lesben, Bisexuellen oder Transgender) sind wie immer auch im Programm. "Wir kennzeichnen die aber bewusst nicht extra, weil sie für uns zur ganz normalen gesellschaftlichen Realität gehören", sagt Thomas Schulz.
Japanische Filme im Siebold-Museum
Gespielt wird in den drei Sälen des Central-Kinos, im Keller Z87, erstmals im Siebold-Museum (allesamt auf dem Bürgerbräu-Gelände), im Vogel Convention Center und – als sozusagen thematisch gebundene Sonderveranstaltung – in Julie Barthels Co-Op Coffee Mainviertel, wo die Kurzfilme "Christopher Walken's Coffee Shop" (freilich ohne Christopher Walken, sondern nur mit seiner – imitierten – Stimme) und der "AeroPress Movie" laufen, der sich mit einer ganz besonderen Erfindung zur Kaffeebereitung befasst. Sehr unterhaltsam, versichert Julie Barthel.
Im Siebold-Museum wird schlüssigerweise ein Japan-Spezial mit acht Filmen gezeigt, darunter „Ugetsu Monogatari“ von Kenji Mizoguchi aus dem Jahr 1953 und „Yojimbo“, Regie Akira Kurosawa, aus dem Jahr 1961, Inspiration für die Western von Sergio Leone und Clint Eastwood. Apropos Western: Natürlich läuft auch eine der schönsten Komödien und Hommagen an das Essen im Allgemeinen und die Nudelsuppe im Besonderen: der "Ramen-Western" (Untertitel) „Tampopo“.
Wie gehabt, zeigt der Bezirksjugendring zusammen mit der Filminitiative und der unterfränkischen Schulfilmszene „Die Selbstgedrehten“, Kurzfilme junger unterfränkischer Filmemacherinnen und Filmemacher, die bei der unterfränkischen Jufinale oder den Filmtagen bayerischer Schulen im letzten Jahr einen oder mehrere Preise erhalten haben.
Wettbewerbsfilme in den Kategorien Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilm sind im Programm gekennzeichnet, die Gewinner werden ausschließlich durch das Publikum ermittelt. Ein Traum wäre ein echter Jurypreis, sagt Thomas Schulz, der würde dem Filmwochenende zusätzliches Renommee bringen. "Aber dazu bräuchten wir mindestens 10 000 Euro zusätzlich - dazu müssten wir uns auf die Suche nach einem weiteren Sponsor machen."
45. Internationales Filmwochenende Würzburg, 24. bis 27. Januar. Das Programm steht online unter www.filmwochenende.de - Vorverkauf der Mehrfachkarten (fünf bzw. zehn Vorstellungen) in den Würzburger Buchhandlungen Knodt, dreizehneinhalb, Neuer Weg und Schöningh, im Kino Central, im Co-Op Coffee Mainviertel und VR-Bank Marktplatz. Die Mehrfachkarten berechtigen wiederum zum Erwerb der eigentlichen Eintrittskarten, telefonische Reservierung ab 23. Januar unter (0931) 78023888