
Wer eine Doktorarbeit schreibt, erhält am Ende einen prestigeträchtigen Titel. Er ist normalerweise der Lohn für die Mühen und die Bestätigung, das saubere wissenschaftliche Arbeiten und Veröffentlichen zu beherrschen. Ein Rechtsanwalt aus Bayern hat genau dies vor 15 Jahren vermissen lassen – und deshalb seinen Doktortitel der Uni Würzburg jetzt verloren.
Der Jurist konnte den Titel auch durch eine Klage vor dem Würzburger Verwaltungsgericht nicht retten. Die Würzburger Julius-Maximilians-Universität hatte ihm den "Dr." nach eingehender Prüfung entzogen.
Uni Würzburg hat in den letzten zehn Jahren zwölf Doktortitel entzogen
Kein Einzelfall: Zwölfmal "kassierte" die Uni Würzburg laut Pressestelle in den vergangenen zehn Jahren einen Doktortitel. Zwei Drittel der Vorgänge landeten vor Gericht.
Dabei ist der aktuelle Fall ein besonderer. Denn erstmals war einem betroffenen Verfasser ein Jahr Zeit gegeben worden, die Fehler in seiner Dissertation zu korrigieren und die Arbeit neu zu veröffentlichen. Weil der Jurist dieser Aufforderung aus Sicht der Uni aber nicht hinreichend nachgekommen war, erkannte sie den Doktortitel schließlich ab. Das wollte der Rechtsanwalt nicht auf sich sitzen lassen.
Aufgeflogen war er zehn Jahre nach seiner Promotion durch Plagiatsvorwürfe und die Anzeige eines anderen Juristen. Dieser hatte bereits früher eine Arbeit zur Justiz im Nationalsozialismus veröffentlicht und sah sich urheberrechtlich verletzt. Sprich: Der Kläger habe abgeschrieben und nicht korrekt zitiert.
Wie bei solchen, auch anonymen Hinweisen üblich, prüfte zunächst die "Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens" der Uni die Vorwürfe – und sah sie bestätigt. Nach einer persönlichen Anhörung entschied der Promotionsausschuss der juristischen Fakultät, dem Rechtsanwalt den Titel zu entziehen, wenn er nicht binnen Jahresfrist eine korrigierte Fassung der Arbeit liefere.
Problematische Stellen: unklare Zuordnung von Zitaten
Einen zunächst erhobenen Widerspruch gegen diese Entscheidung zog der Betroffene zurück. Einige Monate später legte er seine Dissertation erneut vor. Doch zufrieden mit den Änderungen war man an der Universität nicht. Warum, das erklärte jetzt vor dem Verwaltungsgericht der Prozessbevollmächtigte der Uni, der frühere Jura-Dekan Prof. Joachim Suerbaum.
Der Rechtswissenschaftler kritisierte, dass die Zitierweise in der Doktorarbeit an vielen Stellen nicht den anerkannten Regeln wissenschaftlichen Arbeitens entspreche. Auch in der korrigierten Fassung werde oft nicht klar, wer der wahre Urheber eines wörtlichen Zitates ist. Dafür müsse immer eine Primärquelle genannt werden. Nur wenn diese nicht auffindbar ist, könne im Ausnahmefall auf eine Sekundärquelle ausgewichen werden, so Suerbaum. In den Texten heißt es dann "zitiert nach...".
In der fraglichen Arbeit gehe aber vieles durcheinander, sagt der Rechtsprofessor. Etliche Male würde eine ganze Reihe von Zitaten nur durch einen einzigen Vermerk zugeordnet. Folge: Äußerungen von NS-Schergen wie Roland Freisler, berüchtigter Präsident des Volksgerichtshofes, würden fälschlicherweise Juristen zugeschrieben, die sich später kritisch mit der NS-Zeit auseinandersetzten. Einer von ihnen war jener Rechtsanwalt, der die Plagiatsprüfung ins Rollen brachte.
Vor Gericht machte Uni-Vertreter Suerbaum deutlich: "Bei einem Zitat ist der wahre Urheber zu nennen und nicht der Autor der Sekundärliteratur." Es gehe um Redlichkeit der Wissenschaft und um die Chancengleichheit im Prüfungsrecht. Heißt: Alle müssen sich in gleicher Weise an Standards halten, sonst wird es unfair.
Man hätte dem Kläger auch sofort den Doktortitel entziehen können – wegen "evidenter, gewichtiger und wiederholter Verstöße gegen gute wissenschaftliche Praxis". Stattdessen habe man ihm sogar die Chance zur Nachbesserung gegeben.
Klage am Verwaltungsgericht abgewiesen
Hat der Autor auf seinen rund 230 Buchseiten also auch im zweiten Anlauf zu schlampig gearbeitet? Vor Gericht bestritt der Anwalt das. Er habe alle bemängelten Stellen überarbeitet und immer kenntlich gemacht, wer Urheber eines Zitates ist. Und vor bald 20 Jahren hätten zwei Gutachter seine Dissertation an der Uni Würzburg ja mit "magna cum laude" abgenommen, rechtfertigte er sich.
Die Würzburger Verwaltungsrichter überzeugte er damit nicht. Die Klage wurde abgewiesen, der Rechtsanwalt muss die Kosten des Verfahrens tragen und bekommt den Doktortitel nicht zurück.
Nach Auskunft der Universität hat sich die Zahl der Plagiatsfälle in den vergangenen Jahren erhöht. Grund dafür seien auch neue technische Möglichkeiten wie etwa eine spezielle Software, um Plagiate aufzustöbern. Hinweise stammen laut Uni-Sprecherin Esther Knemeyer in der Regel aus der Wissenschaft selbst oder von "Plagiatsjägern".