Erstmals dürfen bei der Europawahl am 9. Juni 2024 auch junge Menschen ab 16 Jahren in Deutschland ihre Stimme abgeben. Der Stadt Würzburg ist es dabei besonders wichtig, die Erstwählerinnen und Erstwähler anzusprechen und zu ermutigen. So nahmen beispielsweise verschiedene Schulen - in Präsenz und digital - an der Informationsveranstaltung "Deine Stimme zählt" teil. Michal Kopriva, Leiter des Büros für EU-Angelegenheiten im Würzburger Rathaus, betonte im Gespräch mit dieser Redaktion: "Die Stimme jedes Einzelnen zählt, und gerade junge Menschen können durch ihre Teilnahme an der Wahl einen bedeutenden Beitrag zur Gestaltung der Zukunft Europas leisten."
Doch wie finden die Jugendlichen selbst das Herabsetzen des Wahlalters? Fühlen sie sich geschätzt oder überfordert? Fünf Würzburger Erstwählerinnen und Erstwähler erzählen, was sie von Politik, von Europa und vom Wählen halten.
1. Luis Dietz, 17 Jahre, Röntgen-Gymnasium Würzburg
"Jugendliche sollten wählen dürfen, weil die aktuell diskutierten Themen sie betreffen. Mir sind in der Europapolitik zum Beispiel die Themen Klima-und Flüchtlingspolitik wichtig. Ich gehe auf jeden Fall wählen, denn meine Stimme beeinflusst, welche Parteien in politischen Gremien wie viel Einfluss bekommen und damit auch, welche Entscheidungen dort getroffen werden. Wenn ich nicht wählen gehe, fehlt meine Stimme. Die Wahlentscheidungen von Personen, deren Meinung ich nicht vertrete, fallen dann stärker ins Gewicht.
Ich denke 16 ist ein gutes Alter, um mit dem Wählen anzufangen, weil da viele Jugendliche beginnen, sich mehr für Politik zu interessieren. Viele Leute aus meinem Umfeld investieren viel Zeit in die Auseinandersetzung mit politischen Themen. Durch das Senken des Wahlalters nimmt man mehr junge Menschen mit, man sorgt dafür, dass sie das Gefühl entwickeln politisch mitbestimmen zu können und, dass sie sich auch langfristig weiter engagieren."
2. Tabea Wohlfahrt, 16 Jahre, Maria-Ward-Schule Würzburg
"Ich finde, man muss die Wahl ab 16 auch kritisch betrachten. Ich kenne auch Leute in meinem Alter, denen ich es nicht zutrauen würde, sinnvolle Wahlentscheidungen zu treffen. Andererseits fordert die Senkung des Wahlalters auch dazu auf, sich früher mit Politik auseinanderzusetzen.
Für mich ist es selbstverständlich, dass ich wählen gehe, weil ich das so aus meiner Familie kenne. Bei anderen ist Politik zuhause weniger ein Gesprächsthema. Deswegen sollte man auch in der Schule oder auf Veranstaltungen persönliche Ansprechpartner haben, mit denen man sich über die Themen Wahlen und Europa austauschen kann. Europa bedeutet für mich: Recht für alle. Dass niemand diskriminiert wird."
3. Severin Gutzeit, 17 Jahre, Röntgen-Gymnasium Würzburg
"Meine Meinung zu dem Thema Wahlalter hat auf jeden Fall eine Entwicklung durchgemacht. Zuerst habe ich gedacht, das wäre alles total wichtig und super, aber inzwischen verstehe ich, dass es auch Kontra-Argumente gibt. Ich selbst gehe auf jeden Fall wählen. Die Möglichkeit zu haben, in einer der größten Demokratien der Welt wählen gehen zu können, ist absolut nichts Selbstverständliches. Mich fasziniert die bewegte Geschichte, die zur Gründung der Europäischen Union geführt hat und ich denke: Die EU ist ein sehr wichtiges und einzigartiges Projekt.
Es ist schade, wenn Leute ihr Wahlrecht schleifen lassen. Wenn ich von mir selbst ausgehe, denke ich schon, dass ich in der Lage bin, mir differenzierte Meinungen zu bilden. Ich habe mich aber auch schon immer für Politik interessiert. In meinem Umfeld kenne ich auch Leute, bei denen das anders ist. Da kann ich nachvollziehen, wenn das Konzept EU für manche zu abstrakt ist und sie Schwierigkeiten haben durchzublicken. Ich habe selbst auch das Gefühl, ich lerne immer noch etwas dazu."
4. Isabella Haas, 16 Jahre, Maria-Ward-Schule Würzburg
"Ich weiß noch nicht genau, wen ich wähle, aber ich werde zur Wahl gehen. Die Wahl ab 16 finde ich gut. Wenn man weiß: ‚Ich muss jetzt wählen‘, fängt man früher und besser an, sich zu informieren und sich für Politik zu interessieren. Das ist manchmal komplex, aber es gibt gute Möglichkeiten, um sich selbst Wissen anzueignen.
Um zum Beispiel Begriffe nachzuschauen, die ich nicht verstehe, benutze ich oft die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), um mehr über die Wahlprogramme der Parteien zu lernen, nutze ich den Wahl-O-Mat. Wenn ich mich etwas mehr mit der Europawahl auseinandersetze, dann merke ich, dass die Themen eigentlich ganz schön nah dran sind und auch Auswirkungen auf mein Leben haben. Mit Europa verbinde ich den Begriff Frieden und das Durchsetzen von Menschenrechten."
5. Florin Tratz, 17 Jahre, Röntgen-Gymnasium Würzburg
"Für mich ist das erste Mal zur Wahl zu gehen ein Teil des Erwachsenwerdens. Es ist aber auch ein Beitrag zur Gestaltung der Demokratie, in der ich lebe. In der EU finde ich den Gedanken von Zusammenhalt ganz wichtig. Da denke ich zum Beispiel an ganz banale Sachen wie die Fußball-EM. Aber auch im tieferen Sinne finde ich Zusammenhalt innerhalb der EU wichtig. Das bedeutet für mich vor allem, dass sich größere Mitgliedstaaten mit den kleineren und den neueren Mitgliedsstaaten solidarisieren und auf deren Bedürfnisse eingehen. Es sollte niemand links liegen gelassen werden. Auch, wenn es um die Aufnahme von neuen Staaten geht.
Mir ist wichtig, dass Europa in Zukunft zusammenhält und sich demokratisch entwickelt. Um mich zu informieren, nutze ich den Wahl-O-Mat, der bei der Meinungsbildung unterstützen kann. Auch die Tatsache, dass ich noch zur Schule gehe, finde ich gut, denn wir werden im Politikunterricht an das Thema herangeführt. Am Anfang habe ich das Herabsetzen des Wahlalters kritisch betrachtet. Ich dachte, alle in meinem Alter wählen einfach drauf los, ohne sich Gedanken zu machen. Je näher die Wahl rückt, desto mehr merke ich aber, dass das nicht stimmt. Wir machen uns mehr Gedanken als manche älteren Leute, weil wir eben das allererste Mal wählen. "