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Würzburg/Gemünden
Achtjährigen Pflegesohn misshandelt: Erzieherin wehrt sich gegen Haftstrafe
Eine Erzieherin aus dem Landkreis Main-Spessart quälte ihren achtjährigen Pflegesohn. Dafür stand sie schon mehrfach vor Gericht. Nun wehrt sie sich dagegen, dass sie tatsächlich in Haft muss.
Eine ehemalige Erzieherin stand in Würzburg vor Gericht.
Foto: Daniel Peter | Eine ehemalige Erzieherin stand in Würzburg vor Gericht.
Franz Barthel
 |  aktualisiert: 09.02.2024 01:35 Uhr

Es war ein ungewöhnlicher Prozessauftakt im Landgericht Würzburg gegen eine Erzieherin wegen Misshandlung Schutzbefohlener durch ein "ausgeklügeltes Bestrafungssystem". Bevor sich die von zwei Verteidigern flankierte Angeklagte – ein dritter Anwalt war verhindert – zur Sache äußert, wolle die 53-Jährige erst einmal hören, was das inzwischen 19 Jahre alte Opfer im Zeugenstand aussagt, hieß es. Doch soweit kam es dann erst gar nicht.

Mit oder ohne Bewährung?

Die Frau war Pflegemutter für einen Buben, den ihr das Jugendamt der Stadt Würzburg anvertraut hatte. Der war acht Jahre alt, als er zu ihr in den Landkreis Main-Spessart kam; seine Eltern hatte er durch einen Verkehrsunfall verloren.

Die Verhandlung war bereits die vierte Prozess-Runde. Mit den "erzieherischen Strafmaßnahmen" der Frau, die früher einen Kindergarten im Landkreis Main-Spessart geleitet hatte, hatten sich schon das Schöffengericht Gemünden, das Landgericht Würzburg und zuletzt das Bayerische Oberste Landesgericht als Revisionsinstanz beschäftigt. Letzteres hatte das Verfahren nach Würzburg zurück verwiesen. In Gemünden war die Frau zuvor zu einer Freiheitsstrafe ohne, in Würzburg zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden. Nun geht es noch um die Frage, ob die Frau tatsächlich ins Gefängnis muss oder nicht – das Strafmaß von einem Jahr und sechs Monaten ist bereits rechtskräftig.

Opfer musste laufenden Wasserhahn in den Mund nehmen

Zu den zahlreichen Strafmaßnahmen der einstigen Erzieherin gehörte unter anderem das Übernachten im Keller – eingeschlossen, ohne Decke und Matratze. Außerdem musste sich der Junge "kalt duschen" bis er einen Diebstahl gebeichtet hatte; währenddessen saß die Erzieherin mit einem Buch auf einem Stuhl vor der Wanne. So steht es in den Akten.

Und es gab eine Bestrafungsvariante am Waschbecken, bei der das Opfer den Wasserhahn in den Mund nehmen musste und beim Aufdrehen befürchtete, zu ertrinken. Als die Frau dem Pflegekind einmal 100 Ohrfeigen "am Stück" ankündigte, habe sie nach Erinnerung des Zeugen laut mitgezählt – nach etwa 50 Ohrfeigen die Bestrafung aber abgebrochen, weil das Telefon klingelte.

Erzieherin streitet Schuld ab

Wenn die Angeklagte Strafaussetzung zur Bewährung wolle, müsse sie, so die Vorsitzende Richterin Susanne Krischker, Umstände nennen, die ein Entgegenkommen rechtfertigen. Die Angeklagte entgegnete, schuld seien in dem Fall viele, das Verhältnis zu ihrem Pflegekind umschrieb sei gut gewesen: "Wir waren ein Herz und eine Seele." Was ihr vorgeworfen wird, habe sie nicht gemacht.

Außerdem wies die 53-Jährige auf die Folgen für sie hin: Von ihrer privaten Altersversorgung habe sie bereits um die 30 000 Euro für Anwaltskosten ausgegeben und werde eines Tages mit einer Rente von 800 bis 900 Euro leben müssen. Inzwischen arbeitet die einstige Erzieherin in Teilzeit an einer Supermarkt-Kasse.

Angeklagte wittert Komplott

Das Gericht hielt nach der so nicht erwarteten Einlassung eine psychiatrische Begutachtung für "dringend erforderlich" und brach die Verhandlung ab. Man habe eine "Auseinandersetzung" mit den inzwischen rechtskräftig verurteilten Taten erwartet, dass der Erzieherin leid tue, was sie gemacht hat. Stattdessen wurde ein von ihr in Auftrag gegebenes Privat-Gutachten vorgelegt und zwar zur Glaubwürdigkeit des damaligen Pflegekindes – als Beleg "für ein Komplott" gegen sie.

Die Verhandlung wird frühestens Ende 2021 fortgesetzt.

 
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  • M. S.
    Die Frau war Erzieherung - d.h. sie war darin eigentlich ausgebildet. Alleine diese Tatsache macht die Tat noch schlimmer als sie eh schon ist!

    Wird so etwas eigentlich beim Strafmaß berücksichtigt? Allein aufgrund ihres Berufs hätte so etwas niemals geschehen dürfen!
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  • R. D.
    Wenn die Dame das wirklich gemacht hat, dann gehört sie nicht in ein deutsches Wohlfühl-Gefängnis, sondern nach Guantanamo.
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  • P. L.
    Bitte verfassen Sie den gemeinten Kommentar erklärend, wie Sie eben beschrieben haben. Danke.
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  • M. K.
    Albatros-Wir leben gottseidank in einer Demokratie, in der jeder frei seine Meinung sagen kann oder darf! Und in diesem Fall muss man sagen dürfen, dass hier Versagen an einigen Stellen entstanden sind. Ob Ihnen das gefällt oder nicht! Sehr wohl gilt auch immer die Unschuldsvermutung. Wenn diese Dame(Erzieherin und Pflegemutter) sich nichts hätte zu Schulden kommen lassen, würden sich ja wohl nicht mehrere Instanzen damit beschäftigen! Haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht wie es diesem Jungen ergangen ist? Wohl nicht! Und unterlassen Sie es doch einfach, andere Menschen zu kritisieren! Sie müssen diese Kommentare ja nicht zu den ihrigen machen! Toleranz ist ja wohl bei ihnen vorhanden, denn der Pflegemutter gegenüber scheinen sie sehr tolerant zu sein! Wie heisst es:Leben und leben lassen!
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  • R. B.
    Sie haben es auf den Punkt gebracht: "Wir leben gottseidank in einer Demokratie, in der jeder frei seine Meinung sagen kann oder darf! Sie haben doch auch gerade Ihre Meinung kund getan und dabei kritisieren Sie meine persönliche Auffassung, Ihr gutes Recht. Und wenn ich einen Foristen kritisiere, welcher seit Jahren seinen persönlichen Rachfeldzug gegen jedwede Behörde in Bayern führt, dann ist dies, wie Sie richtig erwähnen, meine persönliche Meinung, welche Sie keinesfalls mit mir teilen müssen. Und wenn ich darüber hinaus einen anderen Kommentar missbillige, weil dieser pauschal einer Behörde Versagen unterstellt, ohne zu Wissen wie die Adoption zu Stande gekommen ist, dann sehe ich das so. Ich für mich persönlich habe nicht das Gefühl aus dem Text ausreichend Informationen zu bekommen, um in die eine oder andere Richtung zu urteilen. Dabei möchte ich die Angeklagte keinesfalls in Schutz nehmen, mehr Informationen würden zweifelsohne einer Meinungsbildung dienlich sein.
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  • A. S.
    Wo steht was von Adoption?
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  • R. B.
    Sorry, Pflegemutter, nicht Adopiton. Sind Sie jetzt befreit? Ihr Kommentar hat erheblich zur eigentlichen Problematikt beigetragen. Aber es muss auch die Erbsenzähler geben, jeder hat seine Daseinsberechtigung.
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  • A. S.
    Genau, wie Recht sie haben !
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  • H. S.
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  • M. F.
    Die Behördies die sich nicht gekümmert haben sollten auch auf die Anklagebank. Und die Erzieherin ist keine Erzieherin sondern eine Bestraferin.
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  • R. B.
    Worauf stützen sich Ihre Anschuldigungen gegen das Jugendamt? Haben Sie nähere Kenntnisse über Versäumnisse oder gar Unterlassungen? Wenn nicht, dann sollten Sie mit Ihren haltlosen Vorverurteilungen vorsichtiger umgehen.
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  • M. D.
    ..."Die Frau war Pflegemutter für einen Buben, den ihr das Jugendamt der Stadt Würzburg anvertraut hatte."....

    Das wirft Fragen auf: wie kann eine solche Person jemals als "Pflegemutter" für Kinder überhaupt nur in Betracht gezogen werden?

    Da ich selbst seit inzwischen 2004 als Vater mit dem Jugendamt Würzburg zu tun habe und die Erfahrung gemacht habe, dass keinerlei Selbstreflexion bezüglich des eigenen Handelns und der folgenreichen Fehlleistungen besteht - im Gegenteil immer wieder die gleichen Fehler wiederholt werden - sehe ich hier erheblichen Aufklärungsbedarf.

    Der Fall hier zeigt doch, dass es mit der Menschenkenntnis bei dieser Behörde generell nicht weit her ist.

    Anfragen werden nicht beantwortet, das "Kindeswohl" wird zum Spielball zwischen Behörde und überlasteten Dritten.

    Und ein Kind, das in diese Mühlen gerät, hat offenbar erst eine Stimme, wenn es alt genug ist - wie dieser skandalöse Fall hier zeigt.

    M.Deeg
    Polizeibeamter a.D.
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  • R. B.
    War klar, dass Sie hier den ersten Kommentar schreiben, zahlreiche Einlassungen werden vermutlich folgen. "Wie kann eine solche Person jemals als "Pflegemutter" in Betracht kommen?" Ich glaube kaum, dass Sie die Sorgsamkeit sämtlicher Jugendämter in Bayern beurteilen können, was Sie sich hier anmaßen ist Ihrem persönlichem Desaster geschuldet, was Sie in zahlreichen Internetbeiträgen regelrecht zelebrieren. Die Frau war Erzieherin und hatte vermutlich auch in ihrer Funktion als Leiterin eines Kindergartens einen guten Leumund. Interessant wäre, auf welche Fakten sich das Gericht beruft, sind es ausschließlich die Anschuldigen des ihr anvertrauten Jungen? Ich möchte mir hier kein Urteil erlauben, zumindest nicht mit dieser dürftigen Informationslage. Dass Sie "mdeeg" zu Höchstform auflaufen und ihren üblichen Rundumschlag in alle behördlichen Richtungen vollziehen, sollte Niemand weiter ernst nehmen.
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  • R. D.
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  • P. L.
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