Ohne Reue gibt sich die 51-Jährige ehemalige Pflegemutter, die über Jahre in einem Main-Spessart-Dorf zwei ihr anvertraute Buben gequält haben soll. Am Montag sprach das Amtsgericht Gemünden die Frau der Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig: Für ein Jahr und acht Monate soll sie, die nach eigenen Angaben als gelernte Erzieherin einmal einen Kindergarten geleitet hat, ins Gefängnis. Gunther Kunze, Leiter der Abteilung Jugend und Familie der Stadt Würzburg, die für die Unterbringung der Jungen zuständig war, sagte nach der Urteilsverkündung in Gemünden: „Wir haben schon damals (bei Bekanntwerden der Vorwürfe) Lehren daraus gezogen.“
Viele Vorgänge – wie beispielsweise auch die Verstrickung des Kinderpflegedienstes der Stadt Würzburg – blieben für die Prozessbeobachter und auch für die beiden Geschädigten im Dunkeln, denn der zweitägige Prozess mit der Vernehmung von 16 Zeugen wurde weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Das diente laut Einzelrichterin Kristina Heiduck dem Schutz der geschädigten Jugendlichen; der eine von ihnen ist noch keine 18 Jahre alt. Die beiden indes gaben vor dem verschlossenen Gerichtssaal bereitwillig Interviews.
„Das ist gerecht so“
Was der 17- und der 18-Jährige als Acht- bis Elfjährige bei der Angeklagten erdulden mussten, wollten sie sich endlich – sechs Jahre danach – von der Seele reden und der Frau ins Gesicht sagen. Dazu hatten sie bei ihrer Vernehmung als Zeugen nacheinander jeweils eine Stunde Zeit. Der Jüngere war am Montag bei der kurzen Urteilsverkündung im Gericht und kommentierte das Urteil: „Sie hat die richtige Strafe bekommen. Das ist gerecht so.“ Jetzt hoffe er, mit der Vergangenheit abschließen zu können.
Er war im Januar 2010 nach dem Unfalltod seiner Eltern vom Kinderpflegedienst der Stadt Würzburg bei der Frau untergebracht worden. Schon den Besuch der Beisetzung seiner Eltern, wenige Tage später, habe sie ihm verwehrt. Dies erzählte seine spätere Pflegemutter, zu der der Jugendliche bis heute eine enge Beziehung hat. Der andere Junge, heute 18 Jahre, war mit zehn Monaten in Pflege gekommen.
Die Liste an Demütigungen und Grausamkeiten, die Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach der 51-Jährigen zum Prozessbeginn zur Last gelegt hatte, ergänzten die Jugendlichen und andere Zeugen vor dem verschlossenen Gerichtssaal: fast tägliche Schläge mit dem Teppichklopfer; Schlafen auf dem Boden im Keller ohne Decke, ebenso in der Badewanne; mangelhafte Ernährung; simuliertes Ertränken; kaltes Abduschen; tageweises Einsperren in eine Garage bei Minustemperaturen; auch habe die Frau nachts die schlafenden Kinder an den Füßen aus den Betten gezogen, so dass sie mit den Köpfen auf den Boden prallten. Von einem der Jungen habe sie ein Foto mit der Aufschrift „Dieb“ im Dorfladen aufgehängt.
Bei Kontrollen geschwiegen
Standen Kontrollbesuche des Kinderpflegedienstes bevor, habe die Pflegemutter den Kindern zuvor unter Androhung von Strafe eingeschärft den Mund zu halten. Eine ihrer beliebten Strafen sei es gewesen, mit dem Auto die rennenden Kinder vor sich her zu treiben. Dies erzählten die beiden Jugendlichen ebenso wie, dass es durchaus gute Phasen bei der Frau gegeben habe, sie erinnerten sich zum Beispiel an schöne Urlaubsfahrten.
Dass Leid der beiden schmächtigen Jungen sei unentdeckt geblieben, bis sich einer von ihnen im Juli 2012 einem Schulfreund anvertraute, der seinem Vater davon erzählte, berichtet die Staatsanwaltschaft Würzburg auf Anfrage. Der Vater habe die Schulleitung informiert und die wiederum den Kinderpflegedienst der Stadt Würzburg, schildert der heute zuständige Referatsleiter Gunther Kunze gegenüber der Presse den weiteren Verlauf: Zwei Tage später seien die Buben, zehn und elf Jahre alt, in anderen Pflegefamilien untergebracht worden. Zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kam es allerdings erst 2017 durch eine Aussage eines der beiden Jugendlichen.
Konsequenzen beim Kinderpflegedienst
Warum die Frau 2012 nicht angezeigt wurde, erklärt Gunther Kunze nach Aktenlage damit, dass die Aussagen der Kinder nicht in allem übereingestimmt hätten und man sie mit intensiveren Befragungen nicht noch mehr habe aufregen wollen. Interne Konsequenzen seien allerdings damals gezogen worden: Der Kinderpflegedienst Würzburg bringe Kinder seither in der Nähe zur Stadt Würzburg unter; dadurch sei der Kontakt zu den Pflegefamilien und dem Umfeld, vor allem der Schule enger. Die Betreuung der Familien sei intensiver geworden, es gebe Gemeinschaftsveranstaltungen. Christian Weiß, Leiter der Pressestelle der Stadt Würzburg, ergänzt zu dem in Gemünden verhandelten Fall, es sei das erste Mal zumindest seit zwölf Jahren, dass es in einer Pflegefamilie Schwierigkeiten gegeben hat.
Nicht jeder nimmt aus Nächstenliebe fremde Kinder auf. Pflegekinder sichern, im Gegensetz zu eigenen, ein gutes Einkommen...
Leider werden Pflegefamilien händeringend gesucht (steht ständig im Gemeindeblatt und in Würzburg stand es sogar schon als Werbung auf den städtischen Müllautos).
Aber natürlich werden liebevolle Pflegeeltern gesucht - und wenn die dann für den 24-Stunden-Job ein paar Hundert Euro Auslagenersatz bekommen, dann soll das doch recht und billig sein. Alleine der zusätzliche Wohnraum für 1-2 zusätzliche Personen ist das doch schon wert.
So wirklich tragisch und bedauernswert wie dieser vorliegende Fall ist - so gehaltlos ist Ihre Aussage.
Wenn Sie einen Fall kennen, bei dem Kinder misshandelt werden (egal ob Pflegkinder oder leibliche), dann melden Sie es bitte der Behörde und der Polizei.