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Würzburg/München
Eltern sollen Aufsicht beim Online-Unterricht garantieren
Das bayerische Kultusministerium will Unterricht zuhause fest in der Schulordnung verankern. Für die Verbände hat der Entwurf jedoch etliche Haken. Die Knackpunkte.
Im März sind wurden die Schulen in Bayern vorübergehend geschlossen und der Unterricht nach Hause verlegt. Jetzt soll der Distanzunterricht offiziell in der Schulordnung verankert werden.
Foto: Getty Images | Im März sind wurden die Schulen in Bayern vorübergehend geschlossen und der Unterricht nach Hause verlegt. Jetzt soll der Distanzunterricht offiziell in der Schulordnung verankert werden.
Moritz Baumann
Moritz Baumann
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:29 Uhr

Nachdem es bisher keine Rechtsgrundlage für das Lernen von zu Hause gibt, will das Kultusministerium jetzt den Distanzunterricht fest in der bayerischen Schulordnung verankern. Doch der interne Änderungsentwurf, der den Verbänden bereits zugeschickt wurde und der dieser Redaktion vorliegt, sorgt für Kritik.

So warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in ihrer Stellungnahme zum Entwurf vor "Kurzschlüssen". Die Pläne des Ministeriums sehen vor, im Fall von Schulschließungen, Quarantänemaßnahmen oder extremen Wetterereignissen Unterricht aus der Ferne zu ermöglichen. Soweit sind die Verbände einverstanden. Doch ein weiterer Passus ermöglicht es laut Entwurf dem Ministerium, für die einzelnen Schularten weitere Ausnahmefälle zu definieren.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) befürchtet, dass damit ein Schlupfloch geschaffen wird und der Distanzunterricht ausgeweitet werden könnte - auch über den Krisenfall hinaus. Der digitale Unterricht dürfe keinesfalls dafür genutzt werden, den akuten Lehrermangel an den Schulen zu kaschieren, heißt es im BLLV-Schreiben an das Ministerium. Damit würden pädagogische Grundsätze aufgegeben, betont auch die GEW. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte noch in der vergangenen Woche erklärt, dass digitale Schule "kein Ersatz für den Präsenzunterricht, sondern eine gute Ergänzung" sei.

Wer sorgt für technische Ausstattung?

Auch bei der technischen Ausstattung bleiben aus Sicht der Verbände Fragen unbeantwortet: So kann laut Entwurf Unterricht aus der Ferne nur bei "gleichwertiger Teilnahmemöglichkeit" aller Schüler stattfinden. Unter den bisherigen Voraussetzungen sei das kaum umsetzbar, warnt der BLLV. 

Die Chancengleichheit scheitere schon "an nicht vorhandenen oder nicht geeigneten Endgeräten und den damit verbundenen Kosten für die Familien", heißt es auch von Seiten der GEW. Die Gewerkschaft sieht das Problem der sozialen Bildungsungerechtigkeit nicht ausreichend berücksichtigt. 

In der Verordnungsnovelle heißt es ausdrücklich, dass Lehrer und Schüler keinen Anspruch darauf hätten, dass der Freistaat Laptops und Tablets zur Verfügung stellt. Dies würde bedeuten: Grundsätzlich muss sich jeder selbst um seine Ausstattung kümmern.

Zwei Milliarden Euro als "Digital-Turbo" versprochen

Die Staatsregierung hatte in der letzten Schulwoche einen "Digital-Turbo" angekündigt – auch wegen drohender sozialer Härten. Demnach will der Freistaat dafür zusätzlich 450 Millionen Euro bereit stellen. Zusammen mit den Bundesmitteln aus dem Digitalpakt stehen damit bis zum Jahr 2024 zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Mit dem Geld sollen für die 1,7 Millionen Schüler im Freistaat 250 000 Leihgeräte und für die rund 150 000 Lehrer 20 000 Dienst-Laptops angeschafft werden.

Es könne nicht die Aufgabe des einzelnen Lehrers sein, sich um Anschaffung und Wartung der Geräte zu kümmern, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: "Wenn ich Distanzunterricht als Baustein der Staatsaufgabe 'Bildung' definiere, dann muss ich auch die Endgeräte besorgen."

Plan des Ministeriums: Eltern haben die Aufsichtspflicht 

Größere Diskussionen könnte eine neue Regelung in Paragraph 22 der Schulordnung auslösen. Dort soll es fortan heißen: "Während der Teilnahme am Distanzunterricht verbleibt die Aufsicht bei den Erziehungsberechtigten.“ Das kann schnell zum Problem werden, wenn beide Eltern berufstätig sind. 

"Während der Teilnahme am Distanzunterricht verbleibt die Aufsicht bei den Erziehungsberechtigten."
Formulierung im Änderungsentwurf zur bayerischen Schulordnung

"So wünschenswert diese Festlegung auch ist, sie geht an der gesellschaftlichen Realität und den Möglichkeiten vieler Familien vorbei", schreibt die GEW in ihrer Stellungnahme ans Ministerium. Erst müsse der Bund das Arbeitszeitgesetz anpassen, sonst drohten Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Arbeitgebern.

Die Verankerung des Online-Unterrichts im Schulrecht sei angesichts der Pandemie eine Notwendigkeit, so das Kultusministerium. "Hierin das Ziel einer generellen Abkehr vom Präsenzunterricht zu vermuten, ist abwegig", teilt ein Sprecher mit. Zu den weiteren Kritikpunkten der Verbände wollte sich das Ministerium auf Nachfrage nicht äußern.

 
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Kommentare
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  • M. S.
    Als Eltern zweier schulpflichtiger Kinder haben wir in den letzten Monaten häufig über die realitätsfremden Vorgaben des KM nur den Kopf schütteln können. Diese Inkompetenz setzt sich hier weiter fort. Herr Piazolo ist soweit von der Realität entfernt, dass er nicht mitbekommt, dass Entscheidungen seines Hauses sowohl bei Eltern, wie auch Lehrern auf Unverständnis stoßen. Zum Glück setzten sich Lehrer über Beschlüsse seines Ministeriums hinweg um sinnvolle Vorgehensweisen, die Eltern und Schülern nutzen, zu etablieren.
    Herr Piazolo und Frau Stolz: Note 6 setzten, Versetzung gefährdet!
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    Die bayrische Staatsregierung und Schulpolitik. Da ist nicht viel zu erwarten. Kein durchdachtes Konzept, geschweige denn personell und materielle Ressourcen um eine vernünftige Bildung auch in Zeiten von Corona sicherzustellen.
    Mit "Panik statt Planung" könnte man die Coronaschulpolitik der Söderregierung überschreiben.
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  • J. S.
    Grundeinkommen und 20 Stunden-Woche für alle Bürger, dann können wir auch gern die Aufsicht für unsere Kinder übernehmen bzw. gleich selbst schulen!
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  • K. K.
    wo steht eigentlich geschrieben, das der Staat für die Aufsicht ihrer Kinder zuständig ist??
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  • J. G.
    Der Staat macht es sich wieder einmal sehr einfach und schiebt die Verantwortung auf die Eltern ab. So kann man den Lehrermangel auch kompensieren. Auch wenn heutzutage fast jeder Haushalt mit Kindern einen PC/Laptop hat, scheitert das Unterfangen nicht selten an den Netzvoraussetzungen. Hier müssen die Verantwortlichen und auch die Netzbetreiber erst einmal nachbessern. Natürlich ist auch die Kostenfrage für manche Familien nicht unbedeutend. Das mit der Aufsicht ist auch nicht ohne. Was ist, wenn die Eltern arbeiten müssen, weil sie keinen Urlaub nehmen können bzw. zum systemrelevanten Personal gehören? Wenn man das liest, dann wird wieder deutlich, dass die ganze Krise auf dem Rücken der Kinder und ihrer Eltern ausgetragen wird, weil da oben welche sitzen, die von der Realität null Ahnung und davon reichlich haben.
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  • C. B.
    Dann soll man bitte die Eltern die hier zuhause bleiben müssen diese auch zu 100% mit Steuergeldern entlohnen.
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  • K. K.
    Für Einzelunterricht (oder evtl. 2 bzw. 3)? 100%????
    das würden die Lehrer auch machen.
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