Sie ist zart und klein und sie kommt aus dem Nichts angebraust. Lautlos gleiten ihre Kufen über die verkratzte Fläche der Würzburger Eisbahn. Um sie herum ein Pulk Schülerinnen, die sie anfeuern. Vor ihr wild gewordene Jungs in Eishockey-Schuhen, neben ihr kleine Kinder mit Helm und Skianzug. Rotwangig und wacklig auf dem Weg zum großen Glück: Eislaufen können wie ein Profi!

Sie schieben sich Runde um Runde weiter, manche mehr fallend als laufend. Sehen nicht, dass sich hinter ihnen eine Eisläuferin bereit macht, die über den Dingen schwebt. Schwupp! Aliyah setzt in die nächstbeste Lücke einen astreinen Axel, bejubelt von ihren Freundinnen und ehrfürchtig beobachtet von den Freizeitläufern, denen allmählich dämmert, dass sich eine echte Eisprinzessin unter ihnen befindet. Eine Eisprinzessin inkognito. Lange Hosen, Stirnband, dicke Jacke. Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, welches Talent sich da verbirgt. Aliyah. Amtierende bayerische Jugendmeisterin im Eiskunstlauf.

Woher kommt das Talent?

Die Zehnjährige mag klein sein, aber auf den Kufen, da ist sie ganz groß. Dass sie genau wie ihre 18-jährige Schwester Alina einmal auf dem Eis große Sprünge machen würde, davon wagte ihre Mutter Dagmar Ackermann früher nicht zu träumen. Damals, als sie ihre große Tochter zum Freizeit-Eislaufkurs in Würzburg anmeldete. „Mama fand das Eislaufen immer so schön und hat das auch immer im Fernsehen angeschaut“, erzählt Alina lachend. Selbst auf die glatte Fläche gehen, das sei  für ihre Mutter nichts gewesen. Woher also das Talent fürs Eiskunstlaufen kommt, weiß niemand so genau.

Dass ihre acht Jahre jüngere Schwester mittlerweile auf dem Eis weiter ist als sie, das sieht Alina entspannt. „Sie ist ein Talent, definitiv. Und sie hat mit fünf Jahren angefangen, das ist optimal. Ich war da mit zehn Jahren zu spät dran“, erzählt sie und winkt ihren Eltern zu, die beide an diesem kalten Freitagnachmittag während des öffentlichen Laufes hinter der Bande stehen. Ausnahmsweise. Denn wer den Sport der Kinder als eine Art Halbtagsjob verbuchen kann, stellt sich nicht noch zusätzlich mal eben in die Kälte und mischt sich ins Gewühle der Freizeitläufer. Doch heute hat es gepasst, Aliyah ist mit ihrer Schulklasse auf dem Eis, Schwester Alina aus purem Vergnügen.

Mit Freude und Leidenschaft dabei   

Torben und Dagmar Ackermann machen viel für ihre Kinder. Sie sind da, wenn sie gebraucht werden. Die Mutter bindet die Schuhe für Aliyah. Das ist keine übertriebene Mutterliebe, sondern notwendig.  "Sinnvoll ist das schon, sie zieht nur dünne Söckchen drunter, da müssen die Schuhe anliegen wie eine zweite Haut, sonst hat sie keinen Halt", sagt der Vater. Die Eltern sind stolz, aber nicht übertrieben stolz. Oder ehrgeizig. „Unsere Mädchen sollen Eislaufen, solange sie Spaß daran haben.“ Denn ohne Freude, das wissen sie, kann man in diesem Sport nicht bestehen.

Beide Mädels gehören mittlerweile dem Eislaufverein WSV Aschaffenburg an. Dort sind in Unterfranken die besten Trainingsmöglichkeiten, will man es nach ganz oben schaffen. Würzburg, Schweinfurt, Aschaffenburg, so war der Weg der Ackermann-Schwestern aus Rimpar. Die Fünftklässlerin Aliyah ist möglicherweise schon auf dem Weg nach ganz oben. Bei den Bayerischen Jugendmeisterschaften in Oberstdorf im März jedenfalls hat sie die Konkurrenz aus den bayerischen Eiskunstlauf-Hochburgen Regensburg, München und Oberstdorf souverän und völlig überraschend hinter sich gelassen: Platz eins!

Applaus gibt es jetzt auch wieder von den Schulfreundinnen auf der Eisbahn. „Zeig uns noch was, bitte, Aliyah!!" Kinder und Läufer, die sich gerade an der Bande entlang hangeln, drehen sich um. Beobachten gespannt, was da passiert. Doppelsprünge, Sprungkombinationen, komplizierte Schrittfolgen, waghalsige Pirouetten: Die Zehnjährige beherrscht ein anspruchsvolles Programm. Jetzt holt sich Aliyah aber erst einmal am Kiosk was zu essen. „Nimm was Warmes!“, rufen die Eltern.

Daggi und Torben Ackermann plaudern mit dem Trainer der Würzburger Eiskunstlaufabteilung, Johannes Hertlein, der gleich ein Drittel der Eisfläche mit einem Sperrband abtrennen und Hütchen aufstellen wird. Heute ist wieder ein Eislaufkurs für Anfänger. Dort, wo für die Ackermanns alles begonnen hat. Damals, als die Wege zur Eisbahn noch kurz waren. Schweinfurt war als nächste Station dann schon weiter weg, dort startet Aliyah 2015 mit dem Eiskunstlauftraining. 

Vom Anfängerkurs ins Olympische Trainingslager  

Und jetzt also Aschaffenburg. Dort, wo Eiskunstlauftrainerin Svetlana Knorr die Talente unter ihre Fittiche nimmt. Jene Trainerin, die schon einige Läufer aus Unterfranken zu großem Erfolg geführt hat. Isaak Droysen (18) aus Würzburg etwa, der den gleichen Weg durch Unterfranken gegangen ist wie Alyah. Der alle Dreifachsprünge beherrscht, sich zahlreiche Bayerische Meisterschaftstitel gesichert hat und erfolgreich bei nationalen und internationalen Wettbewerben gestartet ist. Lebensmittelpunkt war in den vergangen Jahren das Leistungszentrum in Oberstdorf. Höhepunkt seiner Karriere: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte den Würzburger für ein Trainingslager während der Olympischen Spiele in Südkorea ausgewählt.

Isaak hat seine ersten Eiskunstlauffiguren in Würzburg gemeinsam mit Alina Ackermann aus Rimpar gemacht. Die Familien kennen sich gut, Isaak fungiert neben Svetlana Knorr beim WSV Aschaffenburg als Trainer der Nachwuchstalente, darunter auch Aliyah. Isaak und sie haben sich auch schon im gemeinsamen Paarlauf versucht, für das die Zehnjährige auch aufgrund ihres niedrigen Gewichts prädestiniert ist.

Die Herausforderungen sind für die Gymnasiastin gewaltig. Hausaufgaben und Lernen finden häufig unterwegs statt, an manchen Tagen ist die Zehnjährige erst um 22.30 Uhr zuhause. Der Spagat zwischen Schule und Leistungsport gelingt nicht jedem. Schon gar nicht, wenn die Bedingungen nicht optimal sind. Trainingsplätze zu weit weg sind vom Zuhause. Dennoch. Eislaufen, das ist für Aliyah und ihre Schwester Alina keine Qual. Sie lieben es.

Eisprinzessinnen aus dem Handball-Mekka    

Zwei Töchter, zwei Eisprinzessinnen. Und das im Profihandball-Dorf Rimpar! Eine Gemeinde, die für tägliches Training sehr weit entfernt liegt von den unterfränkischen Eishallen in Schweinfurt, Bad Kissingen, Haßfurt und Aschaffenburg. Eine Herausforderung! Torben Ackermann lacht. „Ich seh' das positiv, wenn meine drei Mädels unterwegs sind, kann ich in Ruhe Fußball schauen.“ Und die Mädels sind oft unterwegs. Trainingswochen und Lehrgänge im Leistungszentrum in Oberstdorf gehören genauso zum Programm wie Athletiktraining und Ballett. „Wenn ich sehe, was Aliyah da alles erfüllen muss, bin ich ganz froh, dass ich das nur als Hobby betreibe“, sagt Alina. Von Zeit und Kosten mag die Familie gar nicht reden. „Da stecken schon ein paar Kleinwagen und Jahresurlaube drin.“ Spezielle Eiskunstlaufschuhe, Kürkleider, Trainingskleidung, Trainerstunden, Unmengen an Sprit.

Die Ackermanns stört das ganz offensichtlich nicht. Voller Begeisterung erzählen sie und zeigen Fotos von ihren Töchtern auf dem Eis, bei Wettbewerben, im Paarlauf-Training. Daggi Ackermann klickt auf ihrem Handy das Kür-Programm von Aliyah auf You tube an. „Doch, die ist schon gut“, schwärmt sie. Hinter den Eltern brandet gerade wieder Applaus auf. Aliyah hat einen Profisprung zwischen wacklige Freizeitläufer und schnittige Eishockey-Jungs gesetzt. Jetzt lächelt sie. Schüchtern. Bescheiden. Umringt von Eisläuferinnen, für die sie schon jetzt eine ganz Große ist.  Wer Alyah und viele andere Talente auf dem Eis tanzen sehen möchte, sollte sich den 15. Dezember vormerken: Dann findet beim WSV Aschaffenburg in der Eissporthalle um 19 Uhr das traditionelle Weihnachtsschaulaufen statt.   

Eislaufen in Unterfranken: 

Eisstadion Schweinfurt, Willy-Kaidel-Straße 3, ERV Schweinfurt: Neue Eislaufkurse für Kinder von 5 - 10 Jahren, für Anfänger und Fortgeschrittene werden von Trainerin Dagmar Buchholz-Köhler ab Januar 2019 angeboten (Anmeldung: 09721/49315)

Eissportstadion Haßfurt, Großer Anger 33,  ERC Haßfurt: Schnupperkurse Eiskunstlaufen, Kontakt: Maria Heß  (09521 953895)

Eissporthalle Bad Kissingen, Oskar-von-Miller-Straße 9,  SC Bad Kissingen: Eislaufkurse ab 7. Januar 2019 immer montags, Anfänger von 16.45 bis 17.30 Uhr und Fortgeschrittene 17.30 bis 18.15 Uhr.

Eissporthalle Aschaffenburg, Stadtbadstraße 7, WSV Aschaffenburg: Eiskunstlaufabteilung, Trainerin Svetlana Knorr, Infos Eishalle 06021/7946-0 oder freizeitwelt@stwab.de

Eisbahn Würzburg, Nigglweg, WERV: Eislaufkurse, Anmeldung bei Trainer Johannes Hertlein unter  0174/25 70 830. 

Mobile Kunsteisbahnen:

Röttingen im Landkreis Würzburg, Winterzauber, Marktplatz, Schlittschuhverleih, Eisstock-Schießen, 1. Dezember  2018 bis 13. Januar 2019 

Bad Neustadt/Saale, Marktplatz, 15. November 2018 bis 6. Januar 2019, jeden Samstag ab 18 Uhr Disco on Ice  

Alzenau im Landkreis Aschaffenburg,  Eröffnung: 14. Dezember 2018, Montag bis Freitag, 13.30 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag: 11 bis 19 Uhr, samtags bei großem Betrieb auch bis 20 Uhr