Das Landgericht Würzburg wird nach Prüfung der Beweislage den Fall um den Unfalltod der 20-jährigen Theresa Stahl bei Eisenheim (Lkr. Würzburg) nicht zu einem Mordprozess hochstufen. Die Gerüchte um eine Anstiftung zum Mord ließen sich nach der Auswertung zweier Gutachten nicht ausreichend erhärten.
Die große Jugendkammer des Landgerichts hat Ende März die Eröffnung eines Verfahrens wegen Mordes und Anstiftung zum Mord abgelehnt. Auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt Pressesprecher Rainer Volkert, dass das Gericht "keinen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich eines Mordes" feststellen konnte. Nun wird die Berufungsverhandlung dort weitergehen, wo sie im Herbst 2020 begonnen hatte. Einen Termin für die Fortsetzung gibt es noch nicht.
Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen Urteil ein
Im April 2017 soll der damals 18-jährige Niclas H. die 20-jährige Theresa nach einem Weinfestbesuch in Untereisenheim im Alkoholrausch überfahren haben. Sie erlag ihren Verletzungen. Das Urteil gegen den Unfallfahrer hatte im Herbst 2019 in ganz Deutschland für Aufsehen gesorgt: Niclas H. war zu einer Geldstrafe von 5000 Euro und einem Jahr Fahrverbot verurteilt worden, die drei Mitangeklagten kamen mit einer Geldstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung davon. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein – mit Erfolg.
Nach dem ersten Verhandlungstag im Berufungsprozess Anfang September 2020 meldete sich dann überraschend eine neue Zeugin. Sie habe gehört, dass Beifahrer Marius H. im Oktober 2017 auf einer Party erzählt habe, er habe Niclas H. dazu angestiftet, die Fußgängerin gezielt zu überfahren. Er habe "Fahr sie um" gesagt. Plötzlich standen Mord und Anstiftung zum Mord im Raum. Der Beifahrer, der zum Unfallzeitpunkt 2017 ebenfalls betrunken gewesen war, kam in Untersuchungshaft. Weitere Ermittlungen waren notwendig.
Zeuge verweigerte zunächst die Aussage
Der Partygast, von dem die Zeugin das Gerücht gehört hatte, stritt den Ermittlern gegenüber die Aussagen von Marius H. jedoch offenbar hartnäckig ab: "Die Vernehmung füllte über 50 Seiten Protokoll", so ein Ermittler gegenüber dieser Redaktion.
Ein weiteren Partybesucher, mit dem der Verdächtige ebenfalls über den tödlichen Unfall gesprochen haben soll, verweigerte nach Informationen dieser Redaktion zunächst die Aussage. Wegen des Verdachts der Strafvereitelung soll er deshalb eine Nacht in Gewahrsam verbracht haben. Danach zitierte er nur lückenhafte Erinnerungen des betrunkenen Beifahrers.
Auch nach dieser zweiten Zeugenaussage sei zweifelhaft geblieben, ob die Informationen für eine Mordanklage ausreichen, sagt Christian Mulzer, der Verteidiger des angeblichen Anstifters Marius H.: "Das sind nicht mehr als Gerüchte vom Hörensagen."
Zwei Gutachten, eine Meinung: Geschilderter Ablauf unwahrscheinlich
Der Verteidiger hatte dem Gericht ein privates Weg-Zeit-Gutachten vorgelegt zur Frage, ob ein solcher Tatablauf mit einer Anstiftung theoretisch überhaupt möglich gewesen wäre: Reichte angesichts der Geschwindigkeit des Wagens die Zeit für den Fahrer aus, um volltrunken die Bemerkung seines Beifahrers wahrzunehmen und sie in die Tat umzusetzen? Nein, lautete die Antwort des Gutachters: Vom Moment, in dem die Fußgängerin ins Scheinwerferlicht kam, bis zum Unfall sei dafür die Zeit zu kurz gewesen.
Die Konsequenz: Der dringende Tatverdacht war nicht mehr gegeben, Beifahrer Marius H. wurde Mitte Dezember 2020 aus der Untersuchungshaft entlassen. Das offiziell vom Gericht bestellte zweite Gutachten, das inzwischen ebenfalls vorliegt, kommt laut Anwalt Christian Mulzer und Hanjo Schrepfer, Verteidiger des Unfallfahrers, zum gleichen Ergebnis. "Nun sind wir wieder bei einer fahrlässigen Fahrt im Vollrausch und unterlassener Hilfeleistung - also beim gleichen Sachverhalt wie in erster Instanz", sagt Verteidiger Christian Mulzer.
Ein Vollrausch (u.dgl.) darf nicht strafmindernd sein, sondern muss, ganz im Gegenteil, strafverschärfend beurteilt werden.