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Eisenheim
Eisenheim-Prozess: Aus Berufungsverfahren wird kein Mordprozess
Der Unfalltod von Theresa ein Mord? Nach der Aussage einer Zeugin wurde die Berufungsverhandlung unterbrochen, der Beifahrer kam in U-Haft. Jetzt ist klar, wie es weitergeht.
Ein Bild aus dem Gericht am ersten Verhandlungstag des Berufungsverfahrens: Im Eisenheim-Prozess um den Unfalltod einer Fußgängerin geht es nicht länger um Mord und Anstiftung dazu.
Foto: ArchivThomas Obermeier | Ein Bild aus dem Gericht am ersten Verhandlungstag des Berufungsverfahrens: Im Eisenheim-Prozess um den Unfalltod einer Fußgängerin geht es nicht länger um Mord und Anstiftung dazu.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 09.02.2024 11:52 Uhr

Das Landgericht Würzburg wird nach Prüfung der Beweislage den Fall um den Unfalltod der 20-jährigen Theresa Stahl bei Eisenheim (Lkr. Würzburg) nicht zu einem Mordprozess hochstufen. Die Gerüchte um eine Anstiftung zum Mord ließen sich nach der Auswertung zweier Gutachten nicht ausreichend erhärten. 

Die große Jugendkammer des Landgerichts hat Ende März die Eröffnung eines Verfahrens wegen Mordes und Anstiftung zum Mord abgelehnt. Auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt Pressesprecher Rainer Volkert, dass das Gericht "keinen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich eines Mordes" feststellen konnte. Nun wird die Berufungsverhandlung dort weitergehen, wo sie im Herbst 2020 begonnen hatte. Einen Termin für die Fortsetzung gibt es noch nicht.

Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen Urteil ein

Im April 2017 soll der damals 18-jährige Niclas H. die 20-jährige Theresa nach einem Weinfestbesuch in Untereisenheim im Alkoholrausch überfahren haben. Sie erlag ihren Verletzungen. Das Urteil gegen den Unfallfahrer hatte im Herbst 2019 in ganz Deutschland für Aufsehen gesorgt: Niclas H. war zu einer Geldstrafe von 5000 Euro und einem Jahr Fahrverbot verurteilt worden, die drei Mitangeklagten kamen mit einer Geldstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung davon. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein – mit Erfolg.

Nach dem ersten Verhandlungstag im Berufungsprozess Anfang September 2020 meldete sich dann überraschend eine neue Zeugin. Sie habe gehört, dass Beifahrer Marius H. im Oktober 2017 auf einer Party erzählt habe, er habe Niclas H. dazu angestiftet, die Fußgängerin gezielt zu überfahren. Er habe "Fahr sie um" gesagt. Plötzlich standen Mord und Anstiftung zum Mord im Raum. Der Beifahrer, der zum Unfallzeitpunkt 2017 ebenfalls betrunken gewesen war, kam in Untersuchungshaft. Weitere Ermittlungen waren notwendig.

Zeuge verweigerte zunächst die Aussage

Der Partygast, von dem die Zeugin das Gerücht gehört hatte, stritt den Ermittlern gegenüber die Aussagen von Marius H. jedoch offenbar hartnäckig ab: "Die Vernehmung füllte über 50 Seiten Protokoll", so ein Ermittler gegenüber dieser Redaktion.

Ein weiteren Partybesucher, mit dem der Verdächtige ebenfalls über den tödlichen Unfall gesprochen haben soll, verweigerte nach Informationen dieser Redaktion zunächst die Aussage. Wegen des Verdachts der Strafvereitelung soll er deshalb eine Nacht in Gewahrsam verbracht haben. Danach zitierte er nur lückenhafte Erinnerungen des betrunkenen Beifahrers.

Auch nach dieser zweiten Zeugenaussage sei zweifelhaft geblieben, ob die Informationen für eine Mordanklage ausreichen, sagt Christian Mulzer, der Verteidiger des angeblichen Anstifters Marius H.: "Das sind nicht mehr als Gerüchte vom Hörensagen."

Zwei Gutachten, eine Meinung: Geschilderter Ablauf unwahrscheinlich

Der Verteidiger hatte dem Gericht ein privates Weg-Zeit-Gutachten vorgelegt zur Frage, ob ein solcher Tatablauf mit einer Anstiftung theoretisch überhaupt möglich gewesen wäre: Reichte angesichts der Geschwindigkeit des Wagens die Zeit für den Fahrer aus, um volltrunken die Bemerkung seines Beifahrers wahrzunehmen und sie in die Tat umzusetzen? Nein, lautete die Antwort des Gutachters: Vom Moment, in dem die Fußgängerin ins Scheinwerferlicht kam, bis zum Unfall sei dafür die Zeit zu kurz gewesen.  

Die Konsequenz: Der dringende Tatverdacht war nicht mehr gegeben, Beifahrer Marius H. wurde Mitte Dezember 2020 aus der Untersuchungshaft entlassen. Das offiziell vom Gericht bestellte zweite Gutachten, das inzwischen ebenfalls vorliegt, kommt laut Anwalt Christian Mulzer und Hanjo Schrepfer, Verteidiger des Unfallfahrers, zum gleichen Ergebnis. "Nun sind wir wieder bei einer fahrlässigen Fahrt im Vollrausch und unterlassener Hilfeleistung - also beim gleichen Sachverhalt wie in erster Instanz", sagt Verteidiger Christian Mulzer.

 
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Kommentare
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  • juergenmagic@t-online.de
    Den Paragraph mit dem Vollrausch sollte bzw. muss dringend überarbeitet werden. Es kann nicht sein, dass sich jemand volllaufen lässt und dann bei einem Vergehen auch noch strafmildernde Umstände bekommt. Aber hier wird man von der Politik nichts erwarten können. Beispiel ist nun der neueste Bußgeldkatalog, in dem nur die Bußgelder erhöht wurden, nicht aber die Fahrverbote. Meines Erachtens ein falsches Signal. Wenn jemand deutlich zu schnell fährt, ist das schon Vorsatz. Die "Yuppies", die meistens von ihrem Papa den aufgemotzten Wagen bezahlt bekommen, lachen doch nur, wenn sie z. B. statt 200 Euro nun 350 Euro zahlen müssen. Zahlt eh Papa. Dabei hätte man mit deutlicheren Fahrverboten ein Signal setzen können.
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  • giacomo
    Die Paragraphen, die dafür sorgen, dass man eine geringe Strafe bekommt, wenn man angetrunken oder volltrunken Auto fährt, gehören endlich abgeschafft!! Jeder weiß, dass man besoffen nicht Auto fahren darf! Wieso soll man das im Vollrausch plötzlich nicht mehr wissen?
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  • jutta.noether@web.de
    Ist auch meine Meinung.
    Ein Vollrausch (u.dgl.) darf nicht strafmindernd sein, sondern muss, ganz im Gegenteil, strafverschärfend beurteilt werden.
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  • flyarcus@gmx.de
    Verteidiger finden immer einen Grund warum der/die Täter unschuldig sind.....dämliche Gutachten, dass ich nicht lache! Der Fahrer hat kurz vorher trotz Alki sein fahrerisches können beim Driften unter Beweis gestellt, 5 Min später ist er plötzlich nicht mehr fähig? Alle schuldig- mitgegangen mitgefangen!
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  • harryamend@outlook.de
    Selbst wenn, Raser fahren leider jeden tag durch die Gegend. Mich hat neulich ein weißer tiefer gelegter BWM Combi im Ort sehr schnell fahrend überholt, weil im die vorgeschriebene Ortsgeschwindigkeit nicht interessiert hat, aber den Aufkleber "Rip Theresa Stahl" hinten auf dem Fahrzeug haben. da sieht man mal wieder wie heuchlerisch viele in der Gegend herumfahren. Das nächste mal schalte ich meine Kamera an und erstatte Anzeige, denn solche Verkehrsrowdys, betrunken wie nüchtern, haben auf unseren Straßen nichts zu suchen.
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  • Einwohner
    Nach all dem was hier im Raum steht, aber nicht zweifelsfrei bewiesen werden kann, kann sich das Gericht ja mal überlegen ob sie das Strafmaß für den bekannten Tatbestand nicht an die Obergrenze des möglichen legen will.
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