zurück
Sommerhausen
Eine Ära geht zu Ende: Warum in der Schloss-Apotheke in Sommerhausen endgültig die Lichter ausgehen
Zwei Todesfälle, Fachkräftemangel und Platzprobleme: Trotz einer beispiellosen Nachfolger-Suche muss Sommerhausens einzige Apotheke nun endgültig schließen. Die Hintergründe.
Dr. Beyer's Schloss-Apotheke, Sommerhausens einzige Apotheke, muss endgültig schließen. Die Nachfolgersuche, in die auch Bürgermeister Wilfried Saak (im Bild) involviert war, blieb erfolglos.
Foto: Thomas Obermeier | Dr. Beyer's Schloss-Apotheke, Sommerhausens einzige Apotheke, muss endgültig schließen. Die Nachfolgersuche, in die auch Bürgermeister Wilfried Saak (im Bild) involviert war, blieb erfolglos.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:21 Uhr

Die Geschichte von Dr. Beyer's Schloss-Apotheke in Sommerhausen ist eine ohne Happy End, zumindest vorläufig: In der einzigen Apotheke im Ort gehen Ende November endgültig die Lichter aus. "Es tut mir in der Seele weh, das so zu sehen", sagt Gertrud Fuchs, während sie im Hinterzimmer der Apotheke Medikamente sortiert. Die Sommerhäuserin hat 32 Jahre als Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) in der Apotheke gearbeitet. Nun wickelt sie mit ihrer Kollegin, der Apothekerin Eva Berger, ihre einstige Arbeitsstelle ab: Es gilt, alle Regale leerzuräumen, zu überlegen, welche Medikamente an wen zurückgeschickt werden können und welche vernichtet werden müssen, Listen zu erstellen, mit dem Großhandel zu kommunizieren, alle Daten zu sichern. "Wir haben uns lange gesträubt, das Warenlager abzuwickeln", sagt Fuchs, "aber alles hier hat ein Verfallsdatum." "In diesen Räumlichkeiten wird es sicher keine Apotheke mehr geben", sagt Eva Berger resigniert.

Doch wie kam es zu der misslichen Situation? Mitte September dieses Jahres wurde Apotheker Andreas Scheld, der die Schloss-Apotheke seit 2006 von Inhaber Dr. Wolf-Eberhard Beyer gepachtet hatte, völlig unerwartet ins Krankenhaus eingeliefert. Sein Team bangte um ihn: "Wir waren geschockt, aber es war klar: Wir müssen den Betrieb am Laufen halten", blickt Eva Berger zurück. Neun Tage später starb Andreas Scheld. "Er war erst 57, immer kollegial, umtriebig und nett", sagt Getrud Fuchs und zeigt ein schwarz gerahmtes Foto des Verstorbenen. Auch nach seinem Tod versuchten Getrud Fuchs, Eva Berger und drei weitere Kolleginnen den Betrieb der Apotheke aufrechtzuhalten, bis eine Lösung gefunden war.

"Genau diese Art von Apotheke brauchen wir (...). Es ist die Nahversorgung, die unser Apothekensystem so wertvoll macht."
Apotheker Wolfgang Schiedermair, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands für Würzburg

Da Eva Berger neben ihrem Chef die einzige Apothekerin im Team war, im laufenden Betrieb aber ein Apotheker oder eine Apothekerin permanent anwesend sein muss, hielt die eigentlich in Teilzeit Angestellte im Dauerdienst die Stellung. Auch die Kolleginnen stellten alles Private hintenan, um weiter für die Kunden da zu sein; gemeinsam erarbeitete das Team einen Notfallplan. Am 30. September mussten sie dennoch schließen.

Es folgte eine fieberhafte Suche nach einem Apotheker oder einer Apothekerin, der oder die die Apotheke übernehmen kann. Alle möglichen Hebel wurden in Bewegung gesetzt: Angefangen von den Teammitgliedern, die unterfrankenweit sämtliche Berufskollegen und -kolleginnen abtelefonierten, die sie kennen, über Pharmagroßhändler, die als Vermittler agierten, den Ärzten der Sommerhäuser Allgemeinarztpraxis, die Unterstützung anboten, bis hin zum Bürgermeister Wilfried Saak, der unter anderem über Social-Media-Kanäle, die Medien und das Gemeindeblatt versuchte, die endgültige Schließung der Apotheke zu verhindern und die lokale Versorgung vor Ort zu sichern.

Verquickung ungünstiger Umstände erschwert die Nachfolgersuche 

Lisa Lutzenberger, Apothekerin und Inhaberin der Marktstefter Apotheke, erfuhr über Außendienstler von der Situation und überlegte, wie sie helfen und die Schloss-Apotheke reanimieren könnte. Die Idee, die Apotheke selbst als Filiale zu übernehmen und weiterzuführen, scheiterte am Personalproblem: "Ich habe keinen Vollzeit-Apotheker übrig – bräuchte aber einen, um die Apotheke betreiben zu können." Als sie auch nach ausgiebiger Suche ihrerseits keinen Interessenten finden konnte, bot sie dem Sommerhäuser Personal Arbeit in ihrer Apotheke an – mit der Perspektive, wieder nach Sommerhausen zu wechseln, sobald dort die Nachfolge geregelt wäre. 

Auch Wolfgang Schiedermair, Apotheker und Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands für Würzburg, der in Würzburg zwei Apotheken betreibt, hätte die Apotheke in Sommerhausen dem Verpächter gern abgekauft. "Genau diese Art von Apotheke brauchen wir – der Standort Sommerhausen ist nötig und sinnvoll", sagt er. "Es ist die Nahversorgung, die unser Apothekensystem so wertvoll macht." Dass die Apotheke so kurzfristig abzugeben war, habe die Suche nach einem Nachfolger zusätzlich erschwert, so Schiedermair. "Normalerweise hat man ein halbes oder dreiviertel Jahr Vorlauf für die Personalsuche, einen eventuellen Umbau und Gespräche mit dem Pharmazierat." In der Kürze der Zeit sei kein Interessent zu finden gewesen: "Frau Lutzenberger und ich haben so viele Kollegen abtelefoniert, wie in den vergangenen 20 Jahren nicht", sagt er ernüchtert.

"Alle haben getan, was sie konnten, um uns zu helfen."
Apothekerin Eva Berger, Schloss-Apotheke Sommerhausen

Zudem sei die Situation dadurch verkompliziert worden, dass die Apotheke langfristig nicht in den jetzigen Räumlichkeiten hätte bleiben können. Nach heutigen Kriterien muss eine Apotheke unter anderem mindestens 110 Quadratmetern groß und barrierefrei sein; Pflicht sind außerdem eine Klimaanlage und eine Lieferschleuse für Nachtlieferungen.

Dennoch hätten sich viele Seiten kompromissbereit gezeigt: Von der Pharmazierätin kam laut Schiedermair das OK, die alten Räume aus Bestandsschutzgründen zunächst weiter nutzen zu dürfen. Die Bayerische Landesapothekerkammer setzte für die Sommerhäuser Apotheke bis Jahresende zudem die Notdienste aus, die Apotheken auf dem Land alle elf Tage leisten müssen. "Alle haben getan, was sie konnten, um uns zu helfen", sagt Eva Berger.

Fehlendes Personal als Todesstoß für die Apotheke

Doch dann verstarb Anfang November auch noch der Verpächter der Apotheke, Dr. Wolf-Eberhard Beyer. "Damit ist die Betriebserlaubnis erloschen, und der Bestandsschutz für die Apotheke fällt weg", erklärt Schiedermair. "Wenn man in so einem Fall niemanden in der Hinterhand hat, der sich überlegt, die Apotheke zu führen, muss man irgendwann abwinken." Bürgermeister Saak bestätigt: "Wir haben uns bis Ende November Zeit gegeben, eine Übergangslösung zu finden. Mit dem Tod von Dr. Beyer wurde dies allerdings noch unwahrscheinlicher." "Kein Personal zu finden, war der Todesstoß für unsere Apotheke, es gab keine Lösung", sagt Eva Berger.

Zurück im Hinterzimmer der Sommerhäuser Apotheke ist die Stimmung der beiden Frauen gedrückt. "Wir fragen uns, was manche Kunden jetzt machen werden", so Fuchs. Bis aus Erlach, Zeubelried, Kleinochsenfurt, Goßmannsdorf, Kaltensondheim, Reichenberg und Fuchsstadt seien die Menschen zu ihnen gekommen. Bürgermeister Saak verweist auf die Apotheke in Eibelstadt. Und: "Auch die Apotheke in Marktsteft bemüht sich um Lösungen für den Übergang."

Neue Apotheke: Neubau oder Umbau aktuell anderweitig genutzter Flächen?

Die Suche nach einer geeigneten Fläche in Sommerhausen für eine Apotheke beurteilt Saak als schwierig: "Die Anforderungen sind hoch, gerade haben wir keine anderen Räumlichkeiten. Wir werden uns aber im Zuge einer Lösungsfindung mit einem Neubau durch einen Investor und aktuell noch anderweitig genutzten Räumen befassen." Jeder dieser Wege würde mindestens drei Jahre in Anspruch nehmen, so Saaks Einschätzung.

Gertrud Fuchs und Eva Berger bleibt indes nur, die Apotheke weiter so gut wie möglich abzuwickeln. "Die Situation macht einen mürbe, das Ausräumen der Apotheke und das Abwickeln des Nachlasses tut nicht gut", sagt Berger bedrückt. So viele Menschen hätten Herzblut und ihre Arbeit in das Geschäft gesteckt, auch für Sommerhausen sei die Situation schlimm. "Es zieht einen runter", bestätigt Fuchs. "Doch jetzt heißt es Augen zu und durch."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Sommerhausen
Catharina Hettiger
Apotheken
Apotheker
Die Bayerische
Fachkräftemangel
Personalprobleme
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top