Garnik Harunyan ist zufrieden. Der gebürtige Armenier schlendert durch seine Weinberge oberhalb von Prüßberg, einem Ortsteil von Michelau im Steigerwald. An den Weinstöcken hängen keine Trauben mehr. Die Lese ist seit drei Wochen abgeschlossen. "Ungefähr die Hälfte ist durch den Frost im April erfroren", sagt Harunyan. Das sei nicht außergewöhnlich in der Branche. "Manchmal läuft es besser und manchmal schlechter." Für ihn überwiegt die Freude darüber, dass er das zweite Jahr in Folge seinen eigenen Wein herstellen kann. Und das nur sieben Jahre nachdem er mit seiner Familie nach Deutschland gekommen ist.
Weinbau hat lange Tradition in Armenien
Der 26-Jährige stammt ursprünglich aus Bergkarabach, einer konfliktbelasteten Region, die sowohl Armenien als auch Aserbaidschan für sich beanspruchen. Als er 2013 mit seiner Familie erst nach Nürnberg, dann nach Würzburg kommt, sprach er kein Wort Deutsch. Doch für ihn war von Anfang an klar: Er möchte eine Ausbildung zum Winzer machen.
Denn auch in seiner Heimat hat der Weinbau eine lange Tradition, die mehr als 6000 Jahre zurückreicht. Gängig seien dort vor allem Rebsorten, die es in Deutschland nicht gibt, sagt Harunyan, der mittlerweile mit seiner Familie im Würzburger Stadtteil Heuchelhof wohnt. "Ich habe mich schon immer dafür interessiert und auch gerne Wein getrunken, aber sonst hatte ich nicht viel damit zu tun", erinnert er sich zurück.
Ausbildung zum Winzer in Veitshöchheim
Angekommen in Unterfranken, änderte sich das schnell. Erst machte er ein Praktikum bei einem Winzer in Sommerhausen, dann begann Harunyan eine Ausbildung bei der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim. "Ich wollte alle Prozesse kennen lernen – vom Weinbau bis zum Verkauf. Außerdem bin ich sehr naturverbunden und als Winzer kann ich viel Zeit draußen verbringen", sagt er.
Deutsch hat der Armenier an der Würzburger Kolping-Akademie gelernt. "Die Fachsprache war für mich am Anfang der Ausbildung sehr schwer zu verstehen", sagt er. "Ich hatte manchmal keine Ahnung, wovon die anderen in der Berufsschule gesprochen haben." Im Laufe der Zeit sei es ihm aber immer leichter gefallen, dem Unterricht zu folgen.
Erste Schritte in Richtung Selbstständigkeit
Schon damals habe er den Traum verfolgt, einmal seinen eigenen Wein zu produzieren. Noch bevor er im Sommer 2019 die Ausbildung mit Erfolg beendet hat, ist dieses Ziel ein großes Stück näher gerückt: Harunyan pachtete einen Weinberg mit etwa einem halben Hektar Fläche und investiert in Fässer und Tanks. Mittlerweile arbeitet er seit etwa einem Jahr drei Tage die Woche beim Weingut Baumann in der Gemeinde Handthal im Steigerwald. Den Rest seiner Zeit steckt er in seine eigenen Weine unter dem Label "Aroma Aura". "Das ist schon anstrengend und viel Arbeit", sagt er. "Aber es macht auch viel Spaß."
Seine Anbaufläche konnte der Armenier mittlerweile vergrößern. Etwa einen Hektar umfasst sein Weinberg aktuell, sagt Harunyan. Zwei- bis dreimal in der Woche komme er normalerweise hier her – in der Lesezeit öfter. Dann sei er meist aber nicht allein, betont der Winzer. "Meine Familie und meine Freunde helfen mir gerne." Dankbar sei er außerdem für die Unterstützung seines Arbeitgebers, sagt er. Denn Winzer Manfred Baumann stelle ihm nicht nur die notwendigen Geräte sondern auch einen Teil seines Weinkellers zur Verfügung.
Drei Weißweine und ein Rotwein
Nachdem die Lese abgeschlossen ist, geht für den 26-Jährigen die Arbeit im Keller weiter. "Einen Teil der Trauben haben wir gleich gepresst", berichtet er. Harunyan produziert vor allem trockene Weißweine - Silvaner, Bacchus und Müller-Thurgau. Aber auch einen Spätburgunder hat er im Portfolio. Insgesamt habe er von seiner eigenen Anbaufläche in diesem Jahr Trauben für 3000 bis 4000 Liter Wein geerntet.
Aus einem Teil will er einen speziellen Wein ganz ohne zugesetzte Sulfite herstellen. "Ich probiere gerne Neues aus und möchte versuchen, immer besser zu werden." Langfristig wolle er die Produktion noch erweitern, sagt Harunyan: "Wenn alles gut läuft, habe ich dann vielleicht auch bald ein eigenes Weingut." Zu kaufen gibt es die Weine seines 2019er-Jahrgangs bisher ausschließlich in der Vinothek "Weinkost" in Höchberg. Harunyan plant für die Zukunft aber auch einen Onlineshop.