Mit heiklen Fragen zu einem juristischen Ex-Kollegen sehen sich aktuell die Richterinnen und Richter am Würzburger Verwaltungsgericht konfrontiert: Muss ein über 80-jähriger einstiger Würzburger Staatsanwalt und Richter noch immer die frühere "Kundschaft" fürchten? Seit Donnerstag sieht es so aus, als müsse der frühere Strafverfolger B. nach 43 Jahren die Waffe abgeben, die ihm zum Schutz zugestanden wurde.
Der Würzburger Jurist hat - wie die berühmte Romanfigur Jerry Cotton - eine Leidenschaft für den kurzläufigen Revolver, Kaliber 38, von Smith & Wesson. Zwischen 1973 und 1981 hat er in Würzburg Kriminelle gejagt, Drogendealer und Finanzhaie, auch bei internationalen Ermittlungen, sagt er. Damals genehmigte ihm die Justiz - wie auch anderen gefährdeten Strafverfolgern - zum eigenen Schutz eine Schusswaffe. Die muss in der Regel aber wieder abgegeben werden, wenn die Gefährdung als Grund nicht mehr vorhanden ist. Dann schützen ihn nur andere Vorsichtsmaßnahmen - oder die Polizei, wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch.
Als Landeswahlleiter in Sachsen sei er massiv angefeindet worden
B. wurde 1991 als Ministerialrat ins sächsische Innenministerium nach Dresden abgeordnet. Er beantragte und bekam eine ordentliche Waffenbesitzkarte, "da die weitere Entwicklung in den neuen Bundesländern noch nicht absehbar" gewesen sei. Selbst für damalige Zeiten "mute die Anerkennung eines Bedürfnisses mit dieser Begründung dürftig an", heißt es heute kritisch dazu.
Als Landeswahlleiter in Sachsen, der er bis 1998 war, habe er "massive Anfeindungen von Parteigliederungen und Parteikandidaten erlebt", berichtet B. Er sei auch in Dresden bedroht worden. Aber "die Waffe lag immer daheim im Tresor", sagt er vor Gericht. Was nützte sie ihm dann bei Gefahr?
Auch als Rentner erhalte er noch immer dubiose Anrufe
Die Waffenbesitzkarte sei aber stillschweigend immer wieder verlängert worden, so B. Doch 2021 kamen in Dresden Zweifel auf, ob der damals dort lebende Ruheständler nach 40 Jahren wirklich noch in Gefahr sei. Die Aufforderung, das irgendwie nachzuweisen, habe er ignoriert, heißt es.
Als B. im Jahr 2022 zurück in den Landkreis Würzburg zog, wollte das Landratsamt die Waffe einziehen. Auch dort gibt es Zweifel an der Gefährdung, die der Rentner vor Gericht beschreibt, aber nicht so recht belegen kann: Noch immer erhalte er - manchmal mehrfach pro Woche - dubiose Anrufe in gebrochenem Deutsch. Bei Rückrufen stelle sich heraus, dass von gefälschten Telefonnummern aus bei ihm angerufen werde.
Wie realistisch sind die Befürchtungen des Pensionärs?
Seine Schilderung legt eher den Verdacht nahe, dass Enkeltrickbetrüger es auf sein Geld abgesehen haben könnten. Aber das weist der frühere Strafverfolger vor Gericht empört zurück, beschimpft den Sachbearbeiter vom Landratsamt: "Sie haben kein Ahnung und zu viel freie Zeit!" Im Gespräch mit der Redaktion erinnert er sich etwas genauer: Seiner Frau sei am Telefon sogar gedroht worden, man werde ihrem Mann eine Kugel in den Kopf jagen.
Wie realistisch die Befürchtungen des Pensionärs sind, ist schwer abzuschätzen. Die Polizei schweigt auf Anfrage dieser Redaktion darüber, ob und wie schutzbedürftig jemand ist. B. sagt: "Fangschaltungen haben nichts gebracht". Deshalb habe er die Polizei irgendwann gar nicht mehr hinzugezogen.
Landratsamt: Niederschwellige Vorsichtsmaßnahmen lässt der Rentner außer Acht
Das Landratsamt sagt: Er mache die Gefahr nur abstrakt an seiner Jahrzehnte zurückliegenden Tätigkeit fest. Darüber hinaus sprächen "keinerlei Anhaltspunkte für eine wesentlich höhere Gefährdung als die der Allgemeinheit", heißt es beim Landratsamt. Dort warf man auch die Frage auf, wie ernst jemand das eigene "Berufsrisiko" nehme, der selbst andere, niederschwellige Vorsichtsmaßnahmen außer Acht lasse. B. sei mit voller Adresse und Telefonnummer samt verlinktem Bild im Internet auffindbar.
Obwohl er früher bei der Polizei immer wieder geübt haben will und auch jetzt beim Schützenverein 17-mal auf dem Schießstand war, hat B. noch 150 Schuss Munition. Aber das Landratsamt moniert auch, er habe keine dokumentierte Erlaubnis, Munition zu kaufen. Das könnte ihn nun sogar in den Bereich einer Straftat bringen. Andererseits wäre eine Waffe zum Schutz ohne Munition von vorne herein sinnlos gewesen.
Das Verwaltungsgericht wies am Donnerstag seine Klage ab: B. soll das gleiche Berufsrisiko tragen wie alle anderen Bürger. Der Rentner will weiter um seine Smith & Wesson kämpfen und in Berufung gehen, sagte er auf Anfrage. Der Revolver liegt einstweilen gut verwahrt im Tresor seines Anwalts.
Dann darf er die Waffe ja nur mit zum Schießstand und zurück mit sich führen und sie ansonsten sicher in einem Waffenschrank verwahren (wie Jäger und Sportschützen auch)
Zum Selbstschutz müsste er eigentlich die Waffe immer mit sich führen dürfen, dafür braucht er aber einen Waffenschein. Irgendetwas stimmt hier nicht.
Von Manni Schweidler bin ich eigentlich die dem Gerichtsreporter eigene Sorgfalt gewohnt. Bitte nochmal nachrecherchieren!
Brauchen, zum eigenen Schutz, tut er diese wohl nicht mehr. Ist eher so ein "Besitzstammdenken" für den Revolver.
Soll bekanntlich auch helfen.
auf der einen Seite wollen sie jemandem die Waffe verbieten, der anscheinend nie negativ aufgefallen ist, aber Leute, die schon öfter aufgefallen sind, laufen solange frei herum, bis sie in einem Kaufhaus oder einem Zug mit dem Messer auf ihre Mitmenschen losgehen?
Irgendwie passt das in meinem Kopf nicht zusammen. Kann man bloß hoffen, niemals einem Menschen der zweiteren Kategorie zu begegnen, oder? Also ich hab immer öfter das Gefühl, der Staat (der sich das Gewaltmonopol einräumt), schaut geflissentlich weg bei den tatsächlichen Gefahren und kümmert sich lieber um die theoretischen...