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WÜRZBURG
E-Ladestationen: Wenige kontrollieren viel
Projektleiter Sebastian Kühl, Geschäftsführerin Asa Petersson, Landrat Thomas Habermann (Lkr. Rhön-Grabfeld) und Ulrich Leber (Geschäftsführer Stadtwerke Bad Neustadt) stellen den Leitfaden 'Vorfahrt Elektromobilität' der Region Mainfranken GmbH vor.
Foto: Julian Rohr | Projektleiter Sebastian Kühl, Geschäftsführerin Asa Petersson, Landrat Thomas Habermann (Lkr. Rhön-Grabfeld) und Ulrich Leber (Geschäftsführer Stadtwerke Bad Neustadt) stellen den Leitfaden "Vorfahrt ...
Julian Rohr
Julian Rohr
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:50 Uhr

Noch vor wenigen Jahren galt das Stromtankstellennetz in Unterfranken als schlecht ausgebaut und lückenhaft. Mittlerweile wächst das Netz an Ladestationen in Unterfranken immer weiter – auch, weil das Thema Elektromoblität durch eine Vielzahl von staatlichen Fördermöglichkeiten sowohl für E-Mobilisten als auch für Ladesäulenbetreiber attraktiver geworden ist.

Obwohl der Betrieb der Ladestationen vielerorts noch als Minusgeschäft gilt, haben viele Energieversorger und Dienstleister die Ladeinfrastruktur deutlich ausgebaut. Hinter den privaten und kommunalen Anbietern in Unterfranken stecken nur einige wenige Unternehmen. Was rund um das Thema E-Mobilität wissen müssen, erfahren Sie in diesem Überblick.

Wo sind die Ladestationen zu finden?

Oftmals stehen die Ladesäulen im öffentlichen Parkraum zur Verfügung – beispielsweise auf Firmengeländen, Bahnhöfen, Hotels, Flughäfen, Autohäusern oder bei Einkaufszentren und Schnellimbissketten. Auch die Autobahnraststätten in Unterfranken bieten Lademöglichkeiten an. Sämtliche Stromtankstellen sind auf Internetseiten wie e-tankstellen-finder.com, ladeatlas.elektromobilitaet-bayern.de und goingelectric.de zu finden. Dort können Elektromobilisten prüfen, welche Ladestationen derzeit in Betrieb sind, um ihre Routen mit ausreichenden Lademöglichkeiten zu planen.

Welche Ladetechnologien gibt es?

Wichtig zu wissen: Der Akku in einem Elektroauto kann nur mit Gleichstrom geladen werden. Grundsätzlich unterscheidet man bei den Ladetechnologien zwischen zwei verschiedenen Typen: dem AC-Laden (Wechselstrom, europäischen Standard-Stecker Typ 2) und dem DC-Laden (Gleichstrom, amerikanischer CSS-Stecker und asiatischer CHAdeMO-Stecker). Alle Steckertypen sind in Deutschland zu finden. Beim AC-Laden muss der Wechselstrom erst in Gleichstrom umgewandelt werden.

Das geschieht durch ein Ladegerät, das im Auto eingebaut ist. Beim DC-Laden wird der Strom bereits in der Ladestation umgewandelt. Ladesäulen und Elektroautos unterscheiden sich je nach Hersteller in der Bedienung und dem Ladekabel. Weitaus weniger gängige Lademöglichkeiten sind Batteriewechselstationen (leere Batterie wird mit geladener ausgetauscht) oder das induktive Laden (Energie wird über Wechselfelder induktiv auf das Elektroauto übertragen).

Wie lange dauert ein Ladevorgang?

Ladevorgänge bis zu 22 kW werden als Normalladen, höhere Leistungen als Schnelladen bezeichnet. Die individuellen Ladezeiten unterscheiden sich allerdings je nach Ladeleistung der Stromtankstelle, Batterienkapazität (je größer der Akku desto länger die Ladezeit) und Spannungsart. So kann das AC-Laden mehrere Stunden dauern, während DC-Stationen wesentlich schneller sind. Je nach Standort bieten sich verschiedene Ladetechnologien an: Wer sein Auto beispielsweise über Nacht zu Hause lädt, für den bietet sich eine AC-Ladestation an; für Transitladesäulen, beispielsweise an Autobahnraststätten, eignet sich eher ein Schnellladesystem.

Wie wird abgerechnet und was kostet das Tanken an einer E-Ladesäule?

An einigen Ladesäulen ist das Tanken noch kostenlos, da es für manche Betreiber günstiger ist, den Strom zu verschenken, als die Kosten für die Abrechnungsverwaltung selbst zu tragen. Bei kostenpflichtigen Ladesäulen wird entweder pauschal (unabhängig von der Lademenge), nach Parkdauer oder nach Strommenge abgerechnet. Da die E-Autos unterschiedliche Ladegeschwindigkeiten haben, ist der Preis hier weitgehend unkalkulierbar. Für Spontan- und Gelegenheitsnutzer können die Ladekosten derzeit bis zu 67 Cent je Kilowattstunde betragen. Zum Vergleich: Haushaltsstrom kostet derzeit rund 29 Cent. Deutlich günstiger tanken E-Mobilisten zu Hause oder dann, wenn sie einen Abo-Vertrag mit einem Betreiber geschlossen haben.

Welche Bezahlsysteme gibt es?

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Bezahlmöglichkeiten, die je nach Anbieter variieren. Neben der Bezahlung mit Bargeld, Prepaid-Guthaben oder EC- und Kreditkarten, gibt es viele weitere Abrechnungsmodelle: Beim sogenannten „sms&charge“-System authentifiziert sich der E-Mobilist vor Ort per SMS oder Anruf; die Kosten für den Ladevorgang werden ihm dann über seinen Mobilfunkanbieter in Rechnung gestellt. Beim eRoaming zahlt der Nutzer mit einer anbietergebundenen Ladekarte oder authentifiziert sich mit dem Handy mittels QR-Code-Scan an der Ladestation. Die Kosten werden dann über seinen Ladekartenbetreiber abgerechnet. Die Abrechnung ist auch webbasiert per Handy-App, Sofortüberweisung oder über den Bezahldienst Paypal möglich.

Wie setzen sich die Ladesäulen-Betreiber in Unterfranken zusammen?

Auf Datengrundlage von Online-Meldeportalen gibt es in Unterfranken derzeit mehr als 150 öffentliche Stromtankstellen. Ein Drittel der Ladestationen wird von privaten Energieversorgern wie N-Ergie (Nürnberg) oder E.ON (Essen) selbst betrieben. Rund ein Viertel der Ladesäulen werden von privaten Einrichtungen oder Unternehmen betrieben, die nicht als Energieversorger tätig sind – dazu gehören beispielsweise Autohäuser, Einzelhändler, Ämter, Restaurants oder Hotels, die ihren Kunden oder Mitarbeitern die Lademöglichkeit als zusätzlichen, meist kostenlosen Service anbieten. Die restlichen Stromtankstellen (rund 42 Prozent) liegen in öffentlicher Hand.

Wie gut ist die Ladeinfrastruktur in Unterfranken ausgebaut?

Während ländliche Gebiete wie die Haßberge oder Main-Spessart derzeit noch relativ dünn mit Stromtankstellen besiedelt sind, verfügen Städte wie Würzburg und Schweinfurt bereits über eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Thema von der Einstellung der Kommunalpolitik abhängig ist“, sagt Sebastian Kühl, Projektleiter von „Vorfahrt Elektromobilität“ der Region Mainfranken GmbH. Bürgermeister, die von der Zukunft der Elektromobilität überzeugt seien, seien auch bereit, das Thema auf ihre politische Agenda zu setzen.

Wer hat bei den privaten Betreibern in der Region die Zügel in der Hand?

Bei den privaten Energieversorgen machen die Unterfränkische Überlandzentrale (ÜZ) aus Lülsfeld und der Nürnberger Stromversorger N-Ergie die Hälfte des Gesamtangebots aus. Die übrigen Stromtankstellen im Energieversorgerbereich liegen nahezu vollständig in der Hand des Essener Energiekonzerns E.ON.

Wie funktioniert der Betrieb einer Ladesäule?

Bei privaten Nicht-Energieversorgern (sie machen ein Viertel aller Stromtankstellen in Unterfranken aus) funktionieren die Ladesäulen teilweise selbstständig per Sonnenenergie, teilweise werden sie auch von den Elektroautoherstellern, beispielsweise Tesla, kostenlos zur Verfügung gestellt, sofern der Betreiber bereit ist, für die Stromkosten selbst aufzukommen. Häufig genutzt wird auch das Betreibermodell über den sogenannten Charge Point Operator, kurz CPO. Für die Ladeinfrastruktur in Unterfranken spielt dieses Modell eine wichtige Rolle.

Wie funktioniert das CPO-Modell genau?

Es handelt sich dabei um einen externen IT-Dienstleister, der dem Stromtankstellen-Betreiber die Ladesäule inklusive Anschluss zur Verfügung stellt und sich um die technische Wartung kümmert. Er übernimmt meist auch die Fehlerbehebung im Falle einer Störung oder hilft bei Problemen während des Ladevorgangs. So kann der Betreiber den Ladeservice anbieten, ohne die Lademöglichkeit selbst verwalten zu müssen. Dafür zahlt er jedoch auch eine entsprechende Gebühr an den Dienstleister.

Warum spielt das CPO-Betreibermodell so eine wichtige Rolle?

Auch die Stadtwerke und kommunalen Energieversorgungsunternehmen aus allen unterfränkischen Landkreisen nutzen – nahezu flächendeckend – das CPO-Modell. Besonders interessant: Sämtliche Kommunen in Mainfranken arbeiten mit dem Kitzinger Unternehmen ChargeIT mobility (früher BELECTRIC Drive) zusammen.

Wie kam das Kitzinger Unternehmen zu seiner starken Marktposition?

Interessant sind Dienstleister wie ChargeIT für Kommunen gerade dann, wenn sie die Systeme selbst nicht wirtschaftlich verwalten können – oftmals wäre die eigene Abwicklung noch teurer – oder ihnen das notwendige Wissen zum eigenständigen Betrieb fehlt. Für die kommunalen Betreiber ist das zwar attraktiv; es macht sie jedoch auch vom Dienstleister abhängig: So kontrolliert dieser neben der Technik auch die Zahlungseingänge der Ladestation. Beispiel: Wenn ein E-Mobilist an einer Ladestation der Stadtwerke Bad Neustadt tankt und bezahlt, fließt das Geld zunächst an ChargeIT und wird dann erst an den Betreiber, in dem Fall die Stadtwerke, ausbezahlt. Laut ChargeIT haben die Kommunen später jedoch auch die Option, die Ladeinfrastruktur vollkommen selbstständig zu betreiben, erklärt das Unternehmen.

Unterstützung für Kommunen: Leitfaden „Vorfahrt Elektromobilität“

Mit Elektromobilitätsgesetz, Ladesäulenverordnung und den unzähligen Fördermöglichkeiten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene tun sich viele Bürgermeister schwer, die Ladeinfrastruktur ihrer Kommune sinnvoll auszubauen. Um die Kommunen beim Ausbau des Elektromobilitätsnetzwerkes stärker zu unterstützen, hat die Entwicklungsgemeinschaft Region Mainfranken GmbH in Kooperation mit allen sieben mainfränkischen Landkreisen und den beiden kreisfreien Städten Schweinfurt und Würzburg einen Praxisleitfaden entwickelt. Er soll einen Überblick über rechtliche, technische und finanzielle Grundlagen geben und die kommunalen Entscheider Schritt für Schritt bei der Umsetzung begleiten.

Auch wenn einige Landkreise bereits Initiative zeigen: „Viele stehen noch am Anfang des Prozesses und sind gerade erst dabei, ein Elektromobilitätskonzept auszuarbeiten“, erklärt Projektleiter Sebastian Kühl, „Wichtig ist es, die Entwicklung punktuell voranzutreiben.“ Dafür habe man sich mit allen Landkreisen zur Bestandsaufnahme getroffen, um zu erfassen, wie hoch der Bedarf ist, welche Lademöglichkeiten geeignet und förderfähig sind und welche Standorte sich anbieten. Schließlich wolle man nicht in Konkurrenz zu anderen Betreibern stehen, sondern das Angebot der privaten Betreiber ergänzen, betont Ulrich Leber, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Neustadt an der Saale.

 
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