
Nachdem inzwischen genügend Impfstoff vorhanden ist, wollen immer mehr Eltern auch ihre Kinder vor Corona schützen. Mittlerweile sind in Europa zwei Impfstoffe für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Doch die Ständige Impfkommission (Stiko) spricht noch keine Empfehlung dafür aus. Was bedeutet das für Impfwillige? Wer entscheidet und trägt die Risiken?
Der COVID-19-Impfstoff von Biontech (Comirnaty) und inzwischen auch der von Moderna sind von der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) für den Gebrauch ab einem Alter von zwölf Jahren in ganz Europa zugelassen. Generell dürfe ein Arzt im jeweiligen Anwendungsbereich ein zugelassenes Medikament anwenden, also auch Kinder ab zwölf Jahren mit einem zugelassenen Impfstoff impfen, sagt der Würzburger Fachanwalt für Medizinrecht Burkhard Tamm. Die Haftungsfrage hänge aber schon an der Empfehlung der Stiko für Deutschland. Diese könne ein Arzt durch den entsprechenden Hinweis und eine korrekte Aufklärung aber umgehen. Zudem existiere eine Öffnungsklausel der Stiko, wonach zwölf- bis 17-Jährigen auf Wunsch der Eltern oder Sorgeberechtigten und nach ärztlicher Aufklärung eine COVID-19-Impfung mit Comirnaty angeboten werden kann.
Bei bestimmten Vorerkrankungen, die das Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung erhöhen. Außerdem bei Kindern und Jugendlichen, in deren Umfeld sich gefährdete Personen aufhalten, die sich selbst nicht schützen können, und bei Kindern und Jugendlichen, die einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind.
Ja, grundsätzlich darf ein Arzt auch einen Patienten ablehnen, sagt die Würzburger Fachanwältin für Medizinrecht, Rita Schulz-Hillenbrand. Die Patientin oder der Patient habe die Freiheit, sich seinen Arzt auszusuchen, dies gelte umgekehrt auch für den Arzt.
Der Medizinrechtler der Universität Augsburg, Prof. Josef Lindner, weist darauf hin, dass Kinder ab zwölf Jahren immer der Impfung zustimmen müssen. Gegen den erklärten Willen des Kindes, können Eltern ihre Kinder somit nicht impfen lassen. Schwieriger werde es, wenn das Kind an einer der Vorerkrankungen leidet, für die die Stiko eine Impfempfehlung ausspricht. Dann müsste am Ende wohl ein Familiengericht entscheiden.
Ja, es genüge nicht, wenn nur ein Elternteil zustimme, sagt Lindner. Deshalb müssten auch beide Eltern das Kind ins Impfzentrum oder zum Kinderarzt begleiten. Sollte nur ein Elternteil bei der Impfung dabei sein, werde eine Einwilligung des zweiten Elternteils benötigt - es sei denn, das Sorgerecht liege nur bei einem Elternteil, so Josef Lindner.
Zumindest nach Auffassung des Augsburger Medizinrechtlers Josef Lindner könnten sie das je nach Alter sehr wohl. Eine Impfung nur von der Zustimmung der Eltern abhängig zu machen, ginge dem Juristen zu weit. "Das würde ja de facto ein Veto-Recht bedeuten," sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Zwar sei man erst ab 18 Jahren geschäftstüchtig, über Fragen ihrer körperlichen Integrität könnten Kinder aber schon früher entscheiden.
Gängige Praxis sei, dass Jugendliche ab 16 Jahren auf jeden Fall allein über die Impfung entscheiden dürfen. Dies gelte auch für Jugendliche ab 14 Jahren, wenn sie im Gespräch mit dem Impfarzt reif genug erschienen und sich mit dem Thema auseinandergesetzt hätten, sagt Lindner. Auch diese Jugendlichen könnten sich theoretisch gegen den Willen ihrer Eltern impfen lassen. Bei Zwölf- und 13-Jährigen sei dies hingegen nicht möglich.
Die Würzburger Fachanwältin Rita Schulz-Hillenbrand zitiert hierzu einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom März 2021. Danach kann die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen für ein gemeinsames Kind bei Uneinigkeit der Eltern auf denjenigen Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission orientiert.
Medizin-Fachanwalt Burkhard Tamm sagt, dass im Kreis der impfenden Ärzteschaft viel zu viel Angst bestehe, womöglich einen Haftungsfall zu produzieren. Dabei sei dieses Risiko fast verschwindend gering und lasse sich zudem über die Haftpflichtversicherung absichern. Wenn Orthopäden ebenso viel Angst hätten, dann würden viele Operationen, die regelmäßig Gegenstand von Haftungsverfahren seien, gar nicht mehr durchgeführt werden. Es könne eigentlich nicht sein, "dass Impfungen in der Altersklasse ab zwölf Jahren nicht durchgeführt werden, weil Ärzte übertriebene Angst vor einer Haftung haben". Werde diese Haftung dann auch noch als Begründung vorgetragen, dann würden manche Menschen zusätzlich und völlig zu Unrecht von einer Impfung abgeschreckt.