Wir haben im Klinikum Würzburg Mitte aktuell 21 Corona-Patienten, vier davon werden intensiv behandelt. Das heißt, die Zahlen gehen leicht zurück. Und erfreulicherweise konnten wir nun einen Patienten nach über 60 Tagen von der künstlichen Beatmung entwöhnen. Das war ein echter Glücksmoment. Gratulation an die Intensivkollegen, die dabei viel Durchhaltevermögen bewiesen haben!
In den vergangenen Tagen habe ich häufig mit Kollegen aus ganz Deutschland gesprochen und es fällt auf: In Reha-Einrichtungen und Facharztpraxen kommen immer mehr Patienten mit Post-Corona-Anliegen. Dabei zeigt sich, dass ein Teil der beatmeten Covid-Patienten weiter mit Atemnot kämpft. Zugleich berichten nicht beatmete Patienten vor allem über enorme Müdigkeit und Abgeschlagenheit, aber sie leiden kaum unter Lungenproblemen als Folgeerkrankung. Das ist positiv.
Große Sorgen spürt man hingegen derzeit in der Diskussion mit operativ tätigen Kollegen. Sie haben meist lange Wartelisten von Patienten, deren Eingriffe verschoben werden mussten und sie versuchen, alle nachzuziehen. Jedoch scheint das Verständnis für die Verschiebungen im Vergleich zum Frühjahr teilweise gesunken zu sein. Vielleicht, weil damals viele Menschen die mächtigen Bilder aus Norditalien vor Augen hatten. Für uns gilt jedenfalls: Wir müssen in allen Disziplinen unserer Verantwortung gegenüber den Patienten gerecht werden und bemühen uns sehr, alle verschobenen Operationen nachzuholen.
Pandemie zeigt schonungslos den akuten Fachkräftemangel in der Pflege
Was die Pandemie schonungslos offengelegt hat, ist der Fachkräftemangel in der Pflege. Das ist ein enormes Hemmnis. Es fehlt uns deutschlandweit weniger an Räumen und sicher nicht an technischer Ausstattung – aber massiv an qualifiziertem Pflegefachpersonal. Inzwischen sind viele Mediziner erzürnt, dass es wenig ernsthaft erkennbare Anstrengungen gibt, das zu beheben. Da sollte man wirklich aus der Pandemie lernen und nachhaltig an Verbesserungen arbeiten.
Unser Team im Klinikum verlässt heute eine Schwester, die mehrere Jahrzehnte im Haus gearbeitet hat, vor allem auf der Intensivstation. Das sind Momente, die einem zu Herzen gehen. Wenn jemanden so lange seine Kraft zur Verfügung gestellt hat, immer verlässlich war und ganz nah am Patienten Medizin gelebt hat, dann fällt der Abschied nicht leicht. Wir werden sie schmerzlich vermissen.
Beschäftigt hat uns natürlich auch die Coronavirus-Mutation. Noch haben wir zwar keinen Fall in der Region wahrgenommen, aber das ist wohl eine Frage der Zeit. Das ist sicher eine neue Bedrohung, aber kein Anlass zur Panik. Letztlich wird es darum gehen, die Ausbreitung zu verhindern und das gelingt mit den bekannten Maßnahmen.
Wir wissen, wie man Infektionen einschränken kann und wir können Vertrauen haben. Denn trotz allen Belastungen gelingt es in Deutschland bislang gut, Horrorszenarien zu verhindern. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Und ich habe die Hoffnung, dass es im Laufe des Jahres gelingen wird, wieder in ein normaleres Leben zurück zu finden.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er seit vielen Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag: www.mainpost.de/corona-tagebuch