
Familiäre Konflikte, Ausbildungsperspektiven und psychische Gesundheit: Das sind Themen, für die seit Herbst 2021 das Projekt "Digital Streetwork" Jugendlichen in Bayern eine schnelle und unbürokratische Beratung anbietet. Über 12.600 junge Menschen haben das Angebot bereits genutzt, aus dem rund 7.500 Beratungsgespräche hervorgingen, sagt David Sanokowski, der als Sozialarbeiter für den Bezirk Unterfranken in digitalen Räumen unterwegs ist.
Das Projekt, das vom Bayerischen Jugendring getragen und vom bayerischen Sozialministerium finanziert wird, beschäftigt 14 digitale Streetworker in Bayern – zwei pro Regierungsbezirk. Im Gespräch mit dieser Redaktion schildert der Sozialpädagoge, die drängendsten Sorgen der Jugendlichen.
David Sanokowski: Das Projekt reagiert unter anderem auf die sozialen Probleme, die infolge der Corona-Pandemie entstanden sind, insbesondere auf Einsamkeit. Der Kerngedanke ist, dass wir dort präsent sein wollen, wo Jugendliche sich online vernetzen, und nutzen dafür verschiedene Messenger. Ziel ist die Online-Erreichbarkeit von Sozialarbeitenden als Ergänzung zur bisherigen analogen Jugendarbeit, um neue Anknüpfungspunkte zu schaffen.
Sanokowski: Ich bin in der Regel auf verschiedenen Social-Media-Plattformen unterwegs und suche dort die Jugendlichen auf. Wenn ich beispielsweise sehe, dass es jemandem schlecht geht, dann biete ich meinen Kontakt an. Sofern die Person das annehmen möchte, kommt der Erstkontakt und manchmal auch eine Beratung zustande. Dabei berate ich die Jugendlichen in den unterschiedlichen Lebens- und Problemlagen.
Sanokowski: Viele Anfragen betreffen psychische Gesundheit, insbesondere Einsamkeit. Junge Menschen fühlen sich oft allein, haben niemanden zum Reden. Weitere Themen sind depressive Verstimmungen, selbstverletzendes Verhalten und Suizidgedanken. Auch alltägliche Sorgen wie Schule, Ausbildung und familiäre Konflikte sind häufig. Besonders in der Phase der Unabhängigkeit fordern Jugendliche Freiräume, die Eltern nicht immer gewähren können oder wollen.
Sanokowski: Auf Facebook sind wir nicht aktiv, das wird von einer eher älteren Generation genutzt. Wir treffen die Jugendlichen hauptsächlich auf Instagram, TikTok und Snapchat auf. Auf Instagram funktioniert die Arbeit auf zweierlei Weise. Zum einen durch die Sichtbarkeit: wir machen Postings, in denen wir auf ein Thema aufmerksam machen, von dem wir denken, dass es für die Jugendlichen aktuell wichtig ist. Zum anderen sind wir erreichbar, wenn jemand uns anschreiben möchte.

Sanokowski: Hauptsächlich ja. Vereinzelt ist es möglich, sich zu treffen, aber das ist ein Ausnahmefall. Es ist für junge Leute oft einfacher, in einer anonymen Gesprächssituation über bestimmte Themen zu sprechen, die schwer auf dem Magen liegen. Die Anonymität erleichtert es vielen, auch schambehaftete Dinge anzusprechen.
Sanokowski: Die Personen sind entweder über ihr normales Profil mit uns in Kontakt, also über ihren Profilnamen sichtbar, oder über eine anonymisierte E-Mail-Adresse oder einen Messanger, die auch über andere Namen funktionieren.
Sanokowski: Zwar erleichtert die Anonymität, über schwierige Themen zu sprechen, doch fehlt das direkte Feedback wie Mimik, Gestik oder Stimmlage. Ein Teil der Kommunikation geht verloren, daher muss man öfter nachfragen, ob man etwas richtig verstanden hat. Telefonate oder Videocalls wären möglich, werden aber selten genutzt, da die Jugendlichen meist den anonymen Chat bevorzugen.
Digital Streetwork
Weitere Informationen dazu unter https://www.bjr.de/spotlight/digital-streetwork