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WÜRZBURG
Die hohe Kunst des Mandelbrennens
Mitarbeiterin Agnes Kotek füllt eine große Tüte mit den beliebten Mandeln. Die Würzburgerin ist schon seit über zehn Jahren Teil des Teams der Mandelbrennerei.
Foto: Thomas Obermeier | Mitarbeiterin Agnes Kotek füllt eine große Tüte mit den beliebten Mandeln. Die Würzburgerin ist schon seit über zehn Jahren Teil des Teams der Mandelbrennerei.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:33 Uhr

„Erinnere mich daran, meinem Mann noch Residenzmandeln mitzubringen“, sagt eine ältere Dame zu ihrer Freundin. Sie nickt und vergräbt ihre mit dünnen Lederhandschuhen bedeckten Hände in der Manteltasche, denn es ist kalt an diesem Freitagmittag auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt.

Stände auf der linken und Stände auf der rechten Seite des Marktplatzes, mittendrin Menschen, ungewöhnlich viele für diese Uhrzeit. Es duftet nach Zimt und Glühwein. Ich schlängele mich vom unteren Markt durch die in Hektik ertrinkenden Menschen. Mein Ziel: Die Bude der Würzburger Mandelbrennerei, denn heute darf ich hinter die Kulissen blicken und lernen, wie man die perfekten Mandeln herstellt.

Dort begrüßt mich freundlich ein Mann. „Ich bin der Werner. Schön, dass wir dich heute als Praktikantin bei uns haben“, sagt er. Der Mann ist Werner Baumeister. Gemeinsam mit seinem Bruder Rolf betreibt der 56-Jährige neben einem Glühweinstand, einem Eiswagen und einem Gewürzstand seit 1963 die Würzburger Mandelbrennerei. „Angefangen hat damals alles mit einem Spielzeugverkauf auf dem Weihnachtsmarkt in der Juliuspromenade. Später haben wir uns dann auf Nüsse und Mandeln spezialisiert“, erinnert er sich.

Für einen Vormittag durfte Redaktionsmitglied Sophia Scheder hinter die Kulissen der Würzburger Mandelbrennerei auf dem Weihnachtsmarkt blicken: (von links) Standbetreiber Werner Baumeister, Sophia Scheder und Mitarbeiterin Agnes Kotek.
Foto: Thomas Obermeier | Für einen Vormittag durfte Redaktionsmitglied Sophia Scheder hinter die Kulissen der Würzburger Mandelbrennerei auf dem Weihnachtsmarkt blicken: (von links) Standbetreiber Werner Baumeister, Sophia Scheder und ...

Erste Aufgabe: Tüten falten

Wir steigen eine steile Stufe nach oben in die Bude, sofort fällt der Temperaturunterschied auf. Eine orangene Wärmelampe schräg über meinem Kopf wärmt wohlig meine Schultern. Ich lerne die zwei guten Seelen hinter der Theke kennen: Agnes Kotek und Ronald Ott und fühle mich gleich herzlich aufgenommen. Werner reicht mir eine hellgrüne Schürze. „Baumeisters Mandelbrennerei“ ist mit blauem Faden darauf gestickt.

Kaum angekommen geht es schon an meine erste Amtshandlung: Tüten falten. „Mit der linken Hand die Tüte halten und mit der rechten Hand die Tüte öffnen. Dann eine Schaufel mit Mandeln beladen und die Hälfte davon in die Tüte füllen. Auf der Waage kannst du dann sehen, wieviel Gramm du noch nachfüllen musst“, sagt Baumeister. Gesagt getan. Ich mach es ihm nach und lade prompt zu viel in das bunte Papierdreieck. „Jetzt kommt das eigentliche Kunststück“, warnt mich der Chef. „Wenn die Tüte gefüllt ist, klappst du mit deiner rechten Hand die Vorderseite des Papiers um, fährst mit deiner Hand die Seiten hoch, klappst diese ebenfalls ein und schließt dann die letzte Seite, indem du diese einknickst.“ Für was er wenige Sekunden braucht, benötigt bei mir noch etwas länger Zeit. Doch nach wenigen ersten Anläufen klappt es auch bei mir ohne größere Probleme.

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Hochwertige Mandeln aus Spanien

Dann geht es auch schon an den nächsten Schritt, dem Brennen der beliebten Würzburger Mandel. „Eigentlich dürfen ausschließlich Ronny und ich an der Maschine arbeiten, aber für dich machen wir heute eine Ausnahme“, sagt Baumeister. Er führt mich zu dem großen Nussbrenner auf der anderen Seite der Bude. Zwei große Kupferkessel sind in eine Metallarbeitsplatte eingefasst. In einem der Kessel kocht gerade Wasser mit Zucker auf. Hinzu kommt eine große Menge an Mandeln. „Wir verwenden ausschließlich qualitativ hochwertige Rohmandeln, die spanischen Laguetta“, erzählt er. „Wichtig ist, dass noch die Haut der Mandel besteht, denn daran haftet die Zuckermischung.“

Der Standbetreiber und ich teilen uns nun die Aufgaben. Während sowohl der Kupferkessel als auch die drei Arme des Rührwerks rotieren, halte ich mich mit meiner linken Hand an der Arbeitsplatte fest, in meiner rechten halte ich einen großen Holzlöffel und schiebe die Mandeln vom Rand zur Mitte – immer und immer wieder. Werner Baumeister regelt indes die Temperatur und gibt nach und nach die Gewürzmischung hinzu. Was genau in der Mischung enthalten ist, will er mir nicht erzählen. „Ein Mandelbrenner verrät sein Geheimrezept nicht“, sagt er und grinst.

Der entscheidende Schritt, das „Brennen“ der Mandeln, kommt erst dann, wenn sämtliches Wasser verdampft ist. „Jetzt erhöhen wir noch mal die Temperatur, sodass der Zucker um die Mandeln schön karamellisieren kann.“ Leises Knacken ertönt aus dem Kupferkessel. „Hörst du das? Das ist Mandelbrennen!“, verrät Werner.

Jede Saison eine neue Kreation

Neben der Würzburger Mandel bietet Baumeister seinen Kunden noch 37 weitere Sorten an. Hinzu kommt jede Saison eine neue Kreation, in diesem Winter sind es die Honig-Sesam-Erdnüsse. „Saisonal bedingt wechseln wir immer unser Sortiment“, erzählt Baumeister. Während im Winter besonders die schweren und kräftigen Geschmacksrichtungen beliebt seien, werden im Sommer gerne außergewöhnliche Sorten wie Raffaelo oder After Eight gewählt. Alles sündige Kreationen, aber „bei über 300 Grad verbrennen doch eh die ganzen Kalorien“, scherzt der Mandelbrenner.

Um die genaue Menge an frischen Mandeln in die Tüte zu füllen, muss eine ganz bestimmte Technik angewandt werden.
Foto: Thomas Obermeier | Um die genaue Menge an frischen Mandeln in die Tüte zu füllen, muss eine ganz bestimmte Technik angewandt werden.

Die restliche Zeit meines „Praktikums“ lässt mich Werner Baumeister alleine bei seinen Mitarbeitern, er muss zu seinem Glühweinstand, der nur wenige hundert Meter entfernt steht. Ich darf die Kunden bedienen, Tüten füllen und mich durch das Sortiment probieren. Die Stimmung hinter der Theke ist herzlich, immer wieder gibt es kurze Pausen, in denen keine Kundschaft am Stand ist – da bleibt auch mal Zeit sich mit der Standbesitzerin gegenüber zu unterhalten.

Am Abend mehr Lust auf Süßes

„Am meisten ist abends los, da haben wohl die Besucher am stärksten Lust auf etwas Süßes“, plaudert Agnes lächelnd. Die Thekenfrau ist mittlerweile schon seit zehn Jahren dabei.

Langsam nähert sich ein älterer Herr mit rotem Schal und schaut neugierig auf die vielen süßen Sünden hinter der Glasscheibe. „Sind die frisch? Sind die süß?“, deutet er auf die Wiener Mandeln.

„Jetzt noch einen Glühwein und dann ist mein Tag perfekt.“ Er schnappt sich eine Tüte, legt 3,50 Euro auf die Theke und verschwindet im Menschenstrom des Weihnachtsmarktes.

Auch ich mache mich langsam auf den Weg, lege meine hellgrüne Schürze ab und steige die steile Stufe hinunter. Zum Schluss bekomme ich noch eine große Tüte meiner selbst gemachten Würzburger Mandeln, die mich bei jedem Bissen an meinen Besuch hinter den Kulissen der Mandelbrennerei erinnern sollen. Doch lange werden sie nicht halten, sie schmecken einfach zu gut.

Eierlikör- oder Chilimandeln: Die Würzburger Mandelbrennerei verkauft 38 verschiedene Sorten an Nüssen.
Foto: Thomas Obermeier | Eierlikör- oder Chilimandeln: Die Würzburger Mandelbrennerei verkauft 38 verschiedene Sorten an Nüssen.
 
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