
Die Nierenzentren der Region leiden unter extremem Personalmangel. Für die schwer nierenkranken Patientinnen und Patienten, die diese Zentren üblicherweise drei Mal pro Woche zur überlebenswichtigen Dialyse besuchen, birgt dies Gefahren. "Die flächendeckende Versorgung ist zwar nicht gefährdet. Die Qualität der Dialyse aber sehr wohl", sagt der Leiter der Nephrologie an der Uniklinik Würzburg, Prof. Christoph Wanner. "Je mehr Nierenzentren schließen oder Angebote wie die Nachtdialyse reduzieren, umso mehr trifft das die Patienten." Die schwerkranken, stark immungeschwächten Betroffenen müssten dann für sie unpassende Dialysezeiten hinnehmen. Oder deutlich längere Anfahrten zu alternativen Dialysezentren auf sich nehmen.
Großer Versorger hat in der Region schon ein Nierenzentrum geschlossen
Zum 1. Juli hat das Würzburger Zentrum des großen Versorgers "Kuratorium für Dialyse" (KfH) "wegen Personalmangels" die als besonders schonend geltende Nachtdialyse eingestellt. Bereits vor einem Jahr hatte das KfH sein Dialysezentrum in Kitzingen geschlossen. Medienberichten zufolge plant das Kuratorium auch die Schließung seiner oberbayerischen Zentren in Trostberg und Tutzing in diesem Jahr. In einem Brief des Verbandes Deutscher Nierenzentren an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Jahresbeginn heißt es: "Deutschlandweit haben die nephrologischen Zentren (Nierenzentren) immer größere Probleme, offene Stellen für das Pflegepersonal qualifiziert nachzubesetzen."

Liegt das an besseren Angeboten anderswo? An der Bezahlung? An der mangelnden Anerkennung?
Anerkennung für ihre Arbeit wäre den Pflegekräften wichtig
Dass mangelnde Anerkennung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege durchaus ein Grund sein kann, den Beruf zu wechseln, zeigte sich besonders in der Anfangszeit der Corona-Pandemie. Im Würzburger Altenheim St. Nikolaus waren 75 von 170 Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Virus infiziert, vielen von ihnen starben. Unter den Betroffenen waren auch Nierenkranke, deren Dialyse nicht aufschiebbar war. Man habe sich damals in der Pflicht gesehen, drei infizierte Nierenpatienten weiter zu versorgen, sagt Prof. Lothar Schramm, Leiter des Würzburger Dialyse-Zentrums. "Es gab im Frühjahr 2020 kaum Schutzkleidung, kaum Masken. Die Ansteckungsgefahr war unberechenbar", erinnern sich Mitarbeiter des Nierenzentrums.
Pflegekräfte aus Nierenzentren bekamen anders als Klinikpersonal keinen Corona-Bonus
Private Fotos von Frühjahr 2020 zeigen das Personal des Würzburger Dialyse-Zentrums in improvisierter Schutzkleidung: mit Selfmade-Gesichtsschutz, teils in sackartigen Kitteln, teils mit abwaschbaren Gummistiefeln an den Füßen. Auch die Corona-Schleusen im Nierenzentrum waren in der Anfangszeit improvisiert mit Abdeckplanen.

Jeden Tag gingen die Pflegekräfte des Dialyse-Zentrums das Risiko ein, sich mit dem neuartigen Virus anzustecken: "Aber als es an die Auszahlung des staatlichen Corona-Bonus von 500 Euro ging, da wurden wir von der Politik übersehen", sagt Pflegedienstleiterin Silvia Hack. "Nur Klinikmitarbeiter haben den Bonus und damit die Anerkennung bekommen. Wir nicht, obwohl wir uns den Bonus redlich verdient hätten."
Bezahlung der Pflegekräfte: Trotz Fachweiterbildung laut Tarif kein Zusatz
Auch das Gehalt der Fachkräfte in der Nephrologie nennt Prof. Christoph Wanner als möglichen Grund dafür, dass Mitarbeitende die Anstellung in einem Nierenzentrum überdenken. Viele Nephrologie-Pflegekräfte hätten nach der dreijährigen Krankenpflegeausbildung noch eine zweijährige Fachweiterbildung absolviert, sagt der Leiter der Nephrologie an der Würzburger Uniklinik. Doch nicht immer werde diese dann insgesamt fünfjährige Ausbildung auch honoriert. "Dafür gibt es zumindest im Tarif keine zusätzliche Bezahlung."
Übertarifliche Bezahlung sei natürlich möglich, aber für viele Nierenzentren nicht finanzierbar. Ein möglicher Grund, weshalb hochqualifizierte Fachkräfte sich von der Industrie oder von Laboren abwerben lassen oder zu Leiharbeitsfirmen wechseln.
Dialysepauschale seit 2013 nicht geändert
Der Fortbestand gerade der privat geführten Nierenzentren ist laut dem Verband Deutscher Nierenzentren durch die sogenannte Dialysepauschale massiv bedroht. Diese Behandlungspauschale sei im Jahr 2013 abgesenkt und seither nicht geändert worden, sagt der Leiter des Würzburger Dialyse-Zentrums, Prof. Lothar Schramm. Auch in den vergangenen Jahren nicht, in denen sowohl die Personalkosten wie die Kosten für Energie stark stiegen.
Das bedeute: Auch wenn Zentren ihren Fachkräften höhere Löhne zahlen wollten, könnten sie es angesichts der Behandlungsbudgets nicht. Im Brief an den Bundesgesundheitsminister verweisen die Nephrologen auf eine 2020 durchgeführte Umfrage: Darin gaben 79 Prozent der Dialysepraxen in Deutschland an, dass bei ihnen in den Monaten zuvor eine Pflegekraft abgeworben wurde - meist von Krankenhäusern, die Gehaltssteigerungen im Pflegebereich an die Kostenträger hätten weiterreichen können. "Die Dialysepauschale muss erhöht werden, sonst kann man nicht mehr wirtschaftlich arbeiten", sagt Schramm.